Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg
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Aus der Argumentation Struves spricht in der Tat nur ein starker Optimismus in bezug auf die unbeschränkte Entwicklungsfähigkeit der kapitalistischen Produktion. Um die ökonomische Begründung dieses Optimismus hingegen ist es ziemlich schwach bestellt. Struves Hauptpfeiler für die Akkumulation des Mehrwerts sind die "dritten Personen". Was er darunter versteht, hat er nicht mit genügender Deutlichkeit verraten, doch zeigen namentlich seine Hinweise auf die englische Berufsstatistik, daß er damit die verschiedenen Privat- und Staatsangestellten, liberale Berufe, kurz das berühmte "grand public" versteht, auf das bürgerliche Vulgärökonomen mit vager Geste hinzuweisen pflegen, wenn sie nicht ein noch aus wissen, und von dem Marx gesagt hat, daß es dem Ökonomen "den Dienst" erweist, Dinge zu erklären, für die er sonst keine Erklärung hat. Es ist klar, daß, wenn man von der Konsumtion der Kapitalisten und der Arbeiter im kategorischen Sinne spricht, man dabei nicht die Unternehmer als Einzelpersonen meint, sondern die Kapitalistenklasse als Ganzes, mitsamt ihrem Anhang an Angestellten, Staatsbeamten, liberalen Berufen usw. Alle diese "dritten Personen", die gewiß in keiner kapitalistischen Gesellschaft fehlen, sind ökonomisch meist Mitesser des Mehrwerts, insofern sie sich nicht zum Teil auch als Mitesser des Arbeitslohns bewähren. Diese Schichten können ihre Kaufmittel nur entweder vom Arbeitslohn des Proletariats oder vom Mehrwert ableiten, und sie tun, so gut es geht, beides, müssen aber im großen und ganzen als Mitverzehrer des Mehrwerts betrachtet werden. Ihre Konsumtion ist somit in der Konsumtion der Kapitalistenklasse eingeschlossen, und wenn Struve sie durch eine Hintertür wieder auf die Buhne führt und sie dem Kapitalisten als "dritte Personen" vorstellt, um ihm aus der Verlegenheit und zur Realisierung des Mehrwerts zu verhelfen, so wird der geriebene Profitmacher mit einem Blick in diesem "großen Publikum" seinen Troß Parasiten erkennen, die ihm erst Geld aus der Tasche ziehen, um ihm hinterher mit diesem Gelde seine Waren abzukaufen. Mit den "dritten Personen" Struves ist es also nichts.
Ebenso unhaltbar ist seine Theorie vom auswärtigen Absatz und dessen Bedeutung für die kapitalistische Produktion. Struve folgt hier ganz den "Volkstümlern" in ihrer mechanischen Auffassung, wonach ein kapitalistisches Land, nach dem Schema eines professoralen Lehrbuches, erst den "inneren Markt" möglichst gründlich abgrast, um sich dann, wenn dieser völlig oder nahezu erschöpft ist, nach auswärtigen Märkten umzusehen. Von hier aus gelangt Struve, in den Fußtapfen Wagners, Schäffles und Schmollers, auch zu der abgeschmackten Vorstellung, ein Land mit "großem Territorium" und recht viel Volk könne in seiner kapitalistischen Produktion ein "abgeschlossenes Ganzes" bilden und mit dem inneren Markte allein auf "unbestimmte Zeit" auskommen.154 Tatsächlich ist die kapitalistische Produktion von Haus aus eine Weltproduktion, und sie beginnt, gerade umgekehrt wie sie nach dem pedantischen Rezept der deutschen Kathederweisheit sollte, schon in ihrer Kindheitsphase für den Weltmarkt zu produzieren. Ihre einzelnen bahnbrechenden Zweige in England, wie die Textilindustrie, die Eisen- und Kohlenindustrie, suchten sich Absatzmärkte in allen Ländern und Weltteilen, während im Innern des Landes noch der Prozeß der Zerstörung des bäuerlichen Besitzes, der Untergang des Handwerks und der alten Heimproduktion bei weitem nicht zum Abschluß gebracht waren. Man versuche auch z.B. der deutschen chemischen Industrie und der deutschen Elektrotechnik mit dem weisen Rat zu kommen, sie möchten sich, statt, wie tatsächlich, von ihrem Aufkommen für fünf Weltteile zu arbeiten, erst doch auf den inneren deutschen Markt beschränken, der in so vielen anderen Zweigen noch von der heimischen Industrie nicht erschöpft ist, sintemalen er massenhaft von auswärts mit Erzeugnissen versorgt wird. Oder man mache der deutschen Maschinenindustrie klar, sie dürfe sich noch nicht auf die auswärtigen Märkte werfen, da ja, wie die Statistik der deutschen Einfuhr schwarz auf weiß beweist, ein großer Teil des Bedarfs Deutschlands an Erzeugnissen dieses Zweiges durch auswärtige Lieferungen gedeckt wird. Vom Standpunkte dieses Schemas des "auswärtigen Handels" ist solchen Zusammenhängen des Weltmarkts mit ihren tausendfältigen Verzweigungen und Nuancen der Arbeitsteilung gar nicht beizukommen. Die industrielle Entwicklung der Vereinigten Staaten, die heute ein gefährlicher Konkurrent Englands auf dem Weltmarkt, ja in England selbst geworden sind, ebenso wie sie z.B. auch in der Elektrotechnik die deutsche Konkurrenz auf dem Weltmarkt und in Deutschland selbst schlagen, hat die Deduktionen Struves, die übrigens schon zur Zeit, als er sie niederschrieb, antiquiert waren, vollends Lügen gestraft.
Struve akzeptiert auch die rohe Auffassung der russischen Volkstümler, wonach die internationalen Zusammenhänge der kapitalistischen Weltwirtschaft mit ihrer historischen Tendenz zur Ausbildung eines lebendigen einheitlichen Organismus mit gesellschaftlicher Arbeitsteilung, die auf die ganze Mannigfaltigkeit des Naturreichtums und der Produktionsbedingungen der Erdkugel