Maigret und das Gespenst. Georges Simenon
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Er fühlte sich nicht gedemütigt, nein, das nicht, aber er spürte ein gewisses Unbehagen, denn er war es nicht gewohnt, so unfreundlich behandelt zu werden. Seine Bekanntheit machte keinen Eindruck auf die Menschen hier, für die Leben und Tod eine andere Bedeutung hatten als für gewöhnliche Sterbliche. Er war erleichtert, als er sich im Hof seine Pfeife anstecken konnte, während Lapointe sich eine Zigarette anzündete.
»Du solltest schlafen gehen. Fahr mich nur noch zur Mairie des 18.«
»Kann ich nicht bei Ihnen bleiben, Chef?«
»Du hast die ganze Nacht …«
»In meinem Alter, wissen Sie …«
Die Mairie war ganz in der Nähe. Im Büro der Inspektoren saßen drei Beamte in Zivil über ihre Schreibmaschinen gebeugt und verfassten Berichte, was sie wie gewissenhafte Angestellte aussehen ließ.
»Guten Tag, Messieurs … Wer von Ihnen weiß etwas über den Fall?«
Er kannte auch sie. Wenn nicht dem Namen nach, so doch zumindest vom Sehen. Alle drei hatten sich erhoben.
»Jeder von uns und niemand …«
»Hat jemand Madame Lognon benachrichtigt?«
»Durantel ist zu ihr gegangen.«
Auf dem Fußboden sah man die Spuren feuchter Sohlen, es roch nach kaltem Rauch.
»War Lognon mit einem bestimmten Fall befasst?«
Sie blickten sich zögernd an. Schließlich begann einer von ihnen, ein kleiner Dicker:
»Das haben wir uns auch gerade gefragt … Sie kennen ja Lognon, Herr Kommissar … Er tat meistens sehr geheimnisvoll, wenn er meinte, eine Spur entdeckt zu haben … Manchmal war er wochenlang mit einem Fall beschäftigt, ohne uns ein Wort davon zu sagen.«
Weil der arme Lognon es gewohnt war, dass andere an seiner Stelle den Ruhm ernteten!
»Seit mindestens zwei Wochen tat er wieder einmal geheimnisvoll, und manchmal, wenn er ins Büro zurückkam, machte er ein Gesicht, als hätte er eine große Überraschung auf Lager.«
»Und er hat kein Wort darüber verlauten lassen?«
»Nein. Aber er hat sich ständig für den Nachtdienst einteilen lassen.«
»Weiß man, wo im Viertel er gearbeitet hat?«
»Die Streifen haben ihn mehrmals in der Avenue Junot gesehen, unweit der Stelle, wo auf ihn geschossen wurde … Aber in letzter Zeit nicht mehr … Er verließ das Büro um neun Uhr abends und kam um drei oder vier Uhr morgens wieder … Manchmal tauchte er die ganze Nacht nicht mehr auf.«
»Hat er keine Berichte geschrieben?«
»Ich habe im Register nachgesehen. Da steht nur ein Wort: ›Nichts.‹«
»Sind Männer von hier am Tatort?«
»Drei, unter Chinquiers Leitung.«
»Journalisten?«
»Ein Anschlag auf einen Inspektor lässt sich schlecht verheimlichen … Möchten Sie den Kommissar sprechen?«
»Im Augenblick nicht.«
Maigret ließ sich von Lapointe zur Avenue Junot fahren. Die Bäume hatten bereits alle ihre Blätter verloren, die auf dem feuchten Pflaster klebten. Obwohl es noch immer in Strömen regnete, standen etwa fünfzig Personen auf halber Höhe der Avenue herum.
Uniformierte Polizisten hatten vor einem vierstöckigen Haus einen Teil des Gehwegs abgesperrt. Als Maigret aus dem Wagen stieg und sich zwischen den Schaulustigen und ihren Schirmen hindurchzwängen musste, waren die Fotografen sofort zur Stelle.
»Noch einmal, Kommissar … Gehen Sie noch einmal ein paar Schritte durch die Menge …«
Er sah sie mit dem gleichen Blick an, den ihm die Oberschwester im Bichat geschenkt hatte. Auf dem kleinen Stück freien Gehsteigs war eine Blutlache, die der Regen zwar nach und nach verdünnt, aber noch nicht weggespült hatte. Da Kreide hier nicht zu gebrauchen war, hatte man, mehr schlecht als recht, mit Holzstücken die Umrisse eines Körpers nachgezeichnet. Inspektor Deliot, der ebenfalls dem Kommissariat des 18. Arrondissements angehörte, zog seinen durchweichten Hut, um Maigret zu begrüßen.
»Chinquier ist bei der Concierge, Herr Kommissar. Er war als Erster am Tatort.«
Der Kommissar betrat das alte, aber sehr saubere, gut gepflegte Haus und öffnete die Glastür der Loge, als Inspektor Chinquier gerade sein Notizbuch in die Tasche steckte.
»Ich dachte mir schon, dass Sie kommen würden. Ich war überrascht, niemanden vom Quai hier zu sehen.«
»Ich war noch im Bichat.«
»Wie ist die Operation verlaufen?«
»Sie scheint geglückt zu sein. Der Professor meint, er kann es schaffen.«
Auch die Loge war sauber und freundlich. Die Concierge, die etwa fünfundvierzig Jahre alt sein musste, war eine sympathisch wirkende Frau.
»Setzen Sie sich, Messieurs … Ich habe dem Inspektor eben alles erzählt, was ich weiß … Sehen Sie mal auf den Fußboden …«
Auf dem grünen Linoleum lagen Splitter der zerbrochenen Fensterscheibe.
»Und hier …«
Sie deutete auf ein Loch, etwa einen Meter über dem Bett, das hinten im Zimmer stand.
»Waren Sie allein hier?«
»Ja. Mein Mann ist Nachtportier im Palace an den Champs-Élysées und kommt erst um acht Uhr morgens nach Hause.«
»Wo ist er im Augenblick?«
»In der Küche.«
Sie deutete auf eine geschlossene Tür.
»Er will sich ein bisschen ausruhen. Trotz allem muss er ja heute Abend wieder zur Arbeit.«
»Ich vermute, Chinquier hat Ihnen alle wesentlichen Fragen gestellt. Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, wenn ich selbst es noch einmal tue.«
»Brauchen Sie mich?«, fragte Chinquier.
»Im Augenblick nicht.«
»Dann werde ich kurz hinaufgehen.«
Maigret runzelte die Stirn, überlegte, wohin er wohl gehen wollte, fragte aber nicht nach, um den Inspektor nicht zu kränken.
»Entschuldigen Sie, Madame …«
»Madame Sauget. Die Mieter nennen mich Angèle.«
»Setzen Sie sich bitte.«
»Ach, ich bin es gewohnt, zu