Die Orbit-Organisation. Anne M. Schüller

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Orbit-Organisation - Anne M. Schüller страница 10

Die Orbit-Organisation - Anne M. Schüller Dein Business

Скачать книгу

Wandels von den Street-Smarts abgelöst.9 Book-Smarts sind diejenigen, die Zusammenhänge theoretisch verstehen und ausgezeichnet analysieren. Sie setzen auf Wissen und Logik und malen sich vom Schreibtisch aus eine perfekte Landkarte einer nicht so perfekten Welt. Excelsheets und Dashboards können sie zwar virtuos lesen, das Gesicht ihres Gegenübers jedoch kaum. Im Zahlengeflimmer vor ihrer Nase hat sich der gesunde Menschenverstand verflüchtigt. Balken, Torten und Diagramme sind ihre Realität. Mit dem gleichen Management-Standardrepertoire, das alle von der Uni her kennen, wird die gesamte Unternehmenswelt unreflektiert überschwemmt. Denn ja, leider schicken die meisten Business-Schools und BWL-Fakultäten ihre Absolventen noch immer mit Methoden von anno dazumal in eine sich drastisch verändernde Wirtschaft.

       Book-Smarts werden zunehmend von Street-Smarts abgelöst.

      »Ich mach mein Studium nur zu Ende, weil in allen Stellenausschreibungen, die mich interessieren, ein abgeschlossenes Studium Voraussetzung ist. Ich kann aber 90 Prozent von dem, was ich da lerne, niemals brauchen«, erzählt uns Laura. Was für eine Verschwendung! Und es kommt noch schlimmer. »Die Anforderungen, die ihr an uns junge Leute stellt, sind ganz enorm: ein abgeschlossenes Studium, beste Noten, Auslandserfahrung, ein breites Wissen, Kreativpotenzial. Sind wir dann bei euch, werden wir als Erstes zurechtgestutzt und sollen uns an haarklein vorgeschriebene Abläufe halten, die aber nur auf dem Papier gut funktionieren.« Das sagt Sven, damit das Generationendilemma auf den Punkt bringend.

      In größeren Unternehmen haben die meisten Abteilungsleiter noch nie mit Kunden gesprochen. Deshalb fallen viele Entscheidungen auch so theoretisch aus. Sogar im Marketing sitzen fast ausschließlich Book-Smarts. Ihre Kunden kennen sie nur noch von Charts. Endlos brüten sie über Daten und nennen das »Customer-Insights«. Wie es den Menschen im wahren Leben ergeht, das haben sie nie erforscht. Wenn Messe ist, engagieren sie schicke Hostessen, statt sich selbst ins Kundengetümmel zu stürzen. Dafür ist ihnen ihre Zeit viel zu schade. Doch zu einem Street-Smart kann man nur werden, wenn man rausgeht zum Kunden und dessen Lage wirklich hautnah durchlebt. So hat ein Hersteller von Inkontinenzprodukten seine Manager angewiesen, eine Woche lang rund um die Uhr Erwachsenenwindeln zu tragen und diese auch zu verwenden.

       Mit Lehrbuchwissen kommt man heute nicht weit. Die Wirklichkeit ist immer anders.

      Street-Smarts sind diejenigen, die sich auf dem Weg durch den Dschungel nicht auf eine Landkarte verlassen. Sie wissen, dort hilft sie rein gar nichts. Sie leiten Lösungen aus bereits gemachten Erfahrungen ab oder konsultieren ihr Netzwerk, quasi das Wissen der Straße. Und dieses steht nicht im Wöhe, der Bibel der Betriebswirtschaftslehre. Mit Lehrbuchwissen kommt man heute nicht weit. Denn die Wirklichkeit ist immer anders. Und Street-Smarts wissen das ganz genau. Sie sind umtriebig, unbekümmert, einfallsreich und situationserprobt. Sie sind veränderungsinteressiert und komplexitätserfahren. Genau das ist es, was die Next Economy braucht.

      Natürlich ist Bücherwissen nicht grundsätzlich schlecht – danke übrigens, dass Sie dieses Buch lesen. Problematisch ist nur, wenn man abstrakte Kenntnisse wie eine Schablone benutzt, anstatt sich Gedanken darüber zu machen, wie man das erlernte Vorgehen auf eine jeweilige Situation passgenau überträgt. So wie die gleiche Arznei nicht für alle Krankheiten taugt, so kann nicht die gleiche Managementtechnik für alle Unternehmen die richtige sein.

      Die Book-Smarts, Stubenökonomen nennt man sie auch, agieren in einer abgeschotteten Welt. Sie analysieren und analysieren. Und das dauert und dauert. So verplempern sie wertvolle Zeit, die in Zukunft niemand mehr hat. Außerdem hocken sie auf Know-how, das in der Next Economy kaum noch was wert ist. Zu schnelllebig sind die benötigten Expertisen. Niemand ist heute mehr ausgebildet. Wenn Wissen schneller veraltet als jemals zuvor, dann ist Vorratslernen nur noch marginal sinnvoll. Die Herangehensweise ans Lernen ändert sich demgemäß gerade fundamental. Selbstbefähigung und permanenter Entwicklungswille sind fortan ein Muss, sowohl in Bezug auf fachliche Tiefe als auch breit angelegt und vernetzt. »T-shaped« werden solche Personen genannt. Sie vereinen in sich, symbolisiert durch das T, Fähigkeiten von Spezialisten und von Generalisten.

      Wer sein Qualifizierungsniveau nicht ständig durch eigenen Antrieb erhöht, entsorgt sich in Zukunft selbst. Den Street-Smarts kann das nicht passieren. Werden Informationen benötigt, um an ein neues Thema heranzugehen, dann warten sie nicht bis zum nächsten Lehrgang. Sie starten vielmehr flugs eine Onlinerecherche. Alles Wesentliche steht längst im Web. »YouTube das mal!« ist heute ein gängiger Spruch – und symptomatisch für neue Formen der Selbstlernkompetenz. Wer die klügsten Fragen ans Internet stellt und weiß, wo man am besten sucht, der gewinnt. 62 Prozent der Wissensarbeiter kümmern sich selbst um ihre Weiterbildung und 59 Prozent entwickeln ihre Themengebiete in ihrer Freizeit weiter, so die Wissensarbeiterstudie 2017.10

      Disruption oder Selbstdisruption? Sie haben die Wahl

      »Disruptiv« bedeutet, dass ein bestehendes Geschäftsmodell, eine bekannte Technologie, eine übliche Dienstleistung oder eine tradierte Kategorie durch eine schlagartig auftauchende Neuheit abgelöst wird. Im Gegensatz zu einer evolutionären Innovation, die Existierendes verbessert und weiterentwickelt, bezeichnet die disruptive Innovation eine radikale, bahnbrechende Verdrängung. So löste einst auf den Weltmeeren das Dampfschiff das Segelschiff ab. Kein einziger Hersteller von Segelschiffen meisterte diesen Technologiesprung. Im Gegenteil: Diese versuchten, der neuen Antriebskraft mit mehr Segeln Paroli zu bieten. Heutzutage kommen umwälzende Disruptionen vor allem von Branchenneulingen aus der Digitalwirtschaft. So ist der Onlinehandel nicht von einem stationären Händler, das internetbasierte Bezahlen nicht von einer Bank und iTunes nicht von der Musikindustrie erfunden worden.

      Disruption ist demnach kein Weitermachen im Trippelschritt-Modus auf vertrautem Terrain. Disruption ist völliges Neuland, der Sprung durch die Feuerwand der Unsicherheit. Doch darauf lässt man sich besser ein. Brandschutzmauern errichten? Bringt in diesem Fall gar nichts. Vor urplötzlichen Angriffen ist niemand sicher. Ihnen kann das nicht passieren? Sie sind ja schließlich Weltmarktführer! Das ist der Zukunft egal. Dem digitalen Wandel kann sich niemand entziehen. Wer nicht agiert, wird weginnoviert. Also sich selbst disrupten? Heutzutage: Na klar! Bevor es andere tun, tun Sie’s lieber selbst, um sich Wettbewerbsvorteile und finanzielle Erfolge zu sichern.

      »Ganz nett, aber erzähl niemandem davon.« Ein Satz, der in die Geschichte einging. Zu hören bekam ihn Kodak-Mitarbeiter Steven J. Sasson, als er bereits 1975 eine von ihm erfundene Digitalkamera vorstellte. Der technologische Fortschritt zwingt jeden dazu, sich immer wieder neu zu erfinden. Selbstdisruption bringt dabei ganz gezielt Produkte in den Markt, mit denen man sich selbst Konkurrenz machen kann. Apple hat wiederholt den Mut dazu gehabt: beim iPhone, das dem iPod Marktanteile raubte, und auch beim iPad, das die Mac-Verkäufe kannibalisierte. Und obwohl man sich das kaum vorstellen kann, wird es Handys oder auch Suchmaschinen in ihrer heutigen Form eines Tages nicht mehr geben. Selbst Disruptoren sind nicht sicher vor Disruption. Deshalb sorgen sie vor. So hat sich Google unter der Dachmarke Alphabet mit wegweisenden Zukunftstechnologien längst neu aufgestellt. In Organisationen alter Schule hingegen, in denen Abteilungsleiter regieren und jeder sein Territorium hermetisch bewacht, weil daran Vorgaben, Planzahlen und Zielerreichungsboni hängen, wird Selbstdisruption torpediert. So machen sich klassische Unternehmen zu Gefangenen ihrer eigenen Managementmethoden, nämlich solchen, mit denen sie früher mal siegreich waren. Doch auch das ist der Zukunft egal.

      Disruptionen werden von etablierten Anbietern zudem meist unterschätzt, weil sie bei ihrem Auftauchen zunächst unbedeutsam und vage erscheinen. Sie verlaufen praktisch niemals nach Plan. Sie lassen sich nicht vorbudgetieren und auch nicht bis ins Detail vorkalkulieren. Märkte, die noch nicht existieren, können nicht analysiert, höchstens hoffnungsvoll vorgeschätzt werden. Ein Albtraum für den Controller. Der will genaue Zahlen. »Haben wir denn wenigstens unsere Kunden befragt, was die dazu sagen?«, insistiert er. Besser nicht. Denn Neues ist nur in den Kategorien des Bekannten

Скачать книгу