Wettbewerbsvorteil Gender Balance. Anke van Beekhuis

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Wettbewerbsvorteil Gender Balance - Anke van Beekhuis Dein Business

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und ich rede hier nicht davon, was die Soziologie sagt und meint, sondern von dem, was tatsächlich gelebt wird.

      Mütter und Väter sind wichtig für die Erziehung, sagt die Wissenschaft. Gelebt wird in den meisten Familien aber immer noch etwas anderes. Was ist mit dem Ansatz von Mehrgenerationenhaushalten? Welchen Anteil hat die Gesellschaft an der Erziehung unserer Kinder? Wie funktioniert es, dass afrikanische Stämme Kinder gemeinsam im Familienverbund großziehen und Frauen auch einmal ein »fremdes« Kind an ihrer Brust saugen lassen? Wo gemeinsames Leben zur Tagesordnung gehört und nicht jeder Einzelne in seiner Wohnung lebt und von anderen nichts wissen will? Erziehung geschieht dort in der Gemeinschaft. Entsprechend weit ist der soziale Horizont dieser Menschen.

       Der Einfluss von Kultur und Glaube

      Für mich persönlich sind die geistigen Grenzen zwischen den verschiedenen Teilen Europas immer schon eine Herausforderung gewesen. Ich lebte und arbeitete lange Zeit als Österreicherin in Holland und durfte damals schon erfahren, wie es ist, wenn Frauen und Männer einander auf Augenhöhe begegnen, die Gesellschaft Kinder als Segen und nicht als Bürde erlebt und es selbstverständlich ist, dass Frau und Mann arbeiten gehen. Mein Nachname stammt übrigens nicht aus dieser Zeit. Meine Urgroßeltern haben ihn in die Familie gebracht. Leider habe ich sie nie kennengelernt, aber einige dieser typisch holländischen Verhaltensweisen dürften irgendwie in mir stecken. Während meiner Zeit in Amsterdam habe ich das Thema »Mann / Frau« oder auch Ansichten über die gleichgeschlechtliche Ehe sehr oft mit Holländern diskutiert. Immer wenn ich vom österreichischen Meinungsbild berichtete, waren sie sichtlich irritiert über diese geschilderte Engstirnigkeit, die zeigt: Immer noch leben Millionen von Menschen nicht nur in Österreich, sondern in vielen europäischen Ländern übrig gebliebene Ansätze eines jahrhundertealten Patriarchats.

      Eine große Rolle spielt natürlich auch das Frauenbild in den Religionen. Egal ob Christentum, Islam oder Buddhismus – fast alle Glaubensgemeinschaften haben einen Mann als »Oberhaupt«. Der Glaube prägt genauso unser Bild der Gesellschaft und füttert Stereotype. Dass Frauen sich wie im Islam verschleiern müssen und ihre Sexualität vor der Ehe nicht frei leben sollen, stellt für manche Menschen eine Art von Unterdrückung dar. Wenn Priester nicht heiraten, Männer nicht Männer lieben dürfen und die Ehe der einzig legitime Weg des Zusammenlebens ist, stellt das aber genauso eine Einschränkung für den einen oder anderen dar.

      Übrigens: Auch der Glaube und die dazugehörigen Richtlinien verändern sich laufend. Nicht immer mussten sich Frauen im Islam verhüllen. Nicht immer war es ihnen verboten, ein Auto zu lenken. Religion ist einfach ein probates Instrument, um Macht über andere auszuüben. Und da an diesen Schalthebeln hauptsächlich Männer sitzen, ist auch die Form der Machtausübung männlich geprägt.

      Aber so einflussreich Religionen auch in den letzten Jahrhunderten waren und vielleicht zum Teil heute noch sind: Es sind nicht mehr allein Gottesgebote, die in erster Linie unsere Stereotype bestimmen. Diese sind vielmehr davon abhängig, welches Verhalten wir selbst als »typisch männlich« oder »typisch weiblich« einschätzen bzw. wie wir diese Verhaltensweisen wahrnehmen und bewerten. Politik, Gesellschaft, Erziehung und Sozialisierung sind dabei die wichtigsten Einflussfaktoren.

      Schauen wir uns ein paar Beispiele an:

      • Der »typische Mann« hat seine Emotionen unter Kontrolle, ist zielstrebig, ehrgeizig und durchsetzungsstark.

      • Die »typische Frau« gilt als emotional, sozial orientiert, sicherheitsbedürftig und intuitiv.

      • Wenn Menschen in fixen Denkmustern verhaftet sind, kann es leicht passieren, dass Begriffe wie »Draufgänger« oder »Schlampe« fallen, weil dann gleiches Verhalten von Mann und Frau unterschiedlich aufgefasst, beurteilt oder auch verurteilt wird.

      • Ein Mann, der auf seinem Recht besteht, gilt als »hartnäckig«. Eine Frau mit dem gleichen Verhalten würden viele als »penetrant« bezeichnen. Er »setzt sich vehement durch«, sie wird »hysterisch«. Oder umgekehrt: Sie ist »sensibel«, er ist »nicht belastbar«.

      Unsere Schubladen dienen dazu, eine Person zu »etikettieren«, um den Aufwand für jedes weitere Denken, Beobachten und Analysieren möglichst gering zu halten. Wir pauschalisieren und werden den individuellen Eigenschaften eines anderen Menschen nicht gerecht. Diese »Typisch-Mann / typisch-Frau«-Attitüde verändert sich jedoch. Frauen haben auf jeden Fall mehr Spielraum als früher und nutzen diesen auch. Sie treten selbstbewusster auf und geben neben der Familie dem Beruf einen größeren Raum als die Generationen davor.

      Ich persönlich finde es ein bisschen schade, dass sich die Rolle der Männer im Vergleich dazu wenig verändert hat. Männer sind zwar als Väter präsenter als früher, aber ansonsten dominiert eher die Verunsicherung darüber, wie sich denn ein »typischer Mann« nun korrekt zu verhalten hat. Geht die Entwicklung in Richtung mehr Einfühlungsvermögen und Sanftmut oder zu einer Überbetonung der »alten« männlichen Paradeeigenschaften? Gender Balance heißt ja nicht nur, dass Frauen sich mehr emanzipieren, sondern auch die andere Seite: nämlich, dass Männer mit der neuen Balance eine Entspanntheit bekommen und ebenfalls neue Rollen einnehmen können. Auf den ersten Blick weist die momentane Situation eher Tendenzen auf, sich zu einer »vermännlichten Gesellschaft« zu entwickeln: Auf der einen Seite starke Frauen, die scheinbar ihren Mann stehen und alles unter einen Hut bekommen. Auf der anderen Seite Männer, die in ihrer Rolle verharren und ihre Pfründe nicht abgeben wollen.

      Zum Schluss dieses ersten Teilkapitels möchte ich Ihnen – wie bei allen anderen Teilkapiteln auch – Denkanstöße geben. Ich nenne sie »Denkanstöße für Helden & Heldinnen«, denn wer Gender Balance versteht und lebt, ist für mich eine Heldin, ein Held! Ich möchte, dass diese Fragen Sie Stück für Stück in die eigene Reflexion führen, dass sie Ihren Arbeitsalltag beeinflussen und Sie so immer mehr zu »Helden & Heldinnen« der Gender Balance werden.

       Denkanstöße für HELDEN & HELDINNEN

       •Welche Rollenbilder und Denkmuster sind Ihnen präsent, und was löst das in Ihrer Umgebung aus?

       •Was würde passieren, wenn jeder Mensch alles tun kann und Entscheidungen nicht danach beurteilt werden, ob sie ein Mann oder eine Frau trifft?

       Klar mögen wir Frauen – aber Helden sind uns lieber

      Ich stelle mir oft die Frage, ob Stereotype über Männer und Frauen auch noch in 30 Jahren existieren werden oder ob tatsächlich eine »Gleichheit« möglich sein wird. Dass es sinnvoll ist, in Unternehmen eine Gender Balance anzustreben, ist hingegen keine offene Frage mehr: Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die unterschiedlichen Herangehensweisen der beiden Geschlechter eine größere Vielfalt an Lösungsansätzen hervorbringen. Wie das in der Praxis funktioniert, erlebe ich tagtäglich in meiner Tätigkeit als Organisationsberaterin. Vor allem bin ich fest davon überzeugt, dass in einem harmonischen, ausbalancierten Miteinander spektakuläre neue Unternehmenserfolge möglich sind.

      Wenn sich Unternehmen erst einmal für den Gedanken erwärmt haben, das Potenzial von Gender Balance zu nützen, ist es immer wieder spannend, wie sich die handelnden Personen den Weg dorthin vorstellen. Männer begeistern sich zumeist für den Begriff »Empowerment« – wobei dieser meistens so ausgelegt wird, dass die weibliche Belegschaft lediglich motiviert werden muss, sich in den bestehenden Strukturen zurechtzufinden. (»Na, dann bringen Sie einmal unseren Frauen bei, wie man in unserem System in eine Führungsposition kommt. Dann wird das schon klappen mit der Quote.«) Die Erinnerung an ein derartiges Gespräch führt mich zurück in eine Zeit, in der

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