Nebra. Thomas Thiemeyer

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Nebra - Thomas Thiemeyer Hannah Peters

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nach verbranntem Fleisch. Ihrem Fleisch. Der Junge spürte, wie ihm schlecht wurde.

      »Was wollt ihr bloß von uns?«, wimmerte er. »Warum könnt ihr uns nicht einfach laufen lassen. Wir haben doch nichts verbrochen.« Seine Stimme verebbte.

      »Zwecklos«, keuchte seine Freundin. »Ich glaube nicht, dass sie uns verstehen.«

      »Was redest du da?«, stammelte er. »Wieso denn nicht?«

      »Ich habe sie beobachtet. Sie unterhalten sich in einer völlig fremden Sprache«, zischte das Mädchen. »Aber still jetzt. Wer weiß, was ihnen sonst noch einfällt.«

      Panik stieg in dem Jungen auf. Der Schmerz, ihre Gefangennahme, diese seltsamen Menschen – es war einfach zu viel für ihn. Er wollte seine Angst unterdrücken, aber er konnte nicht. »Warum redet ihr nicht mit uns?«, stieß er hervor. »Was seid ihr für Typen? Was wollt ihr von uns?«

      Wie ein Verrückter begann er an seinen Fesseln zu zerren. »Lasst uns frei! Ich will hier weg. Bitte, wir haben doch nichts getan.«

      »Hör auf«, flüsterte das Mädchen. »Du machst alles nur noch schlimmer.« Zu spät. Der Teufelsmensch war auf ihn aufmerksam geworden. Mit einem finsteren Gesichtsausdruck kam er zu ihnen herüber. Ohne zu zögern, hob er seinen Arm, ließ seinen Knüppel durch die Luft sausen und schlug dem Jungen mitten ins Gesicht.

      Sterne zerplatzten. Rote Sprenkel spritzten über die Erde. Er spürte, dass irgendetwas unterhalb seines rechten Auges zerbrochen war. Blut füllte seinen Mund, während eine ekelhafte Taubheit sich über seine rechte Gesichtshälfte ausbreitete. So rasend waren die Schmerzen, dass der Junge nicht einmal die Kraft fand, laut aufzuschreien.

      Es dauerte eine ganze Weile, ehe er wieder atmen konnte. Tastend fuhr er sich mit der Zunge über die Innenseite seiner Lippen und zuckte zusammen. Eine Platzwunde hatte einen tiefen Riss hinterlassen. Auch schien sich einer seiner Zähne gelockert zu haben.

      »Du Schwein«, stammelte er. Es klang so verzerrt, dass er sein eigenes Wort nicht verstand. Sein Mund war geschwollen, seine Lippen blutig. »Du verdammtes feiges Schwein.« Er spuckte einen roten Fleck in den Sand.

      Der Teufel warf ihm einen vernichtenden Blick zu, dann ging er an ihm vorbei. Bei dem blonden Mädchen rechts außen blieb er stehen. Sie war die Einzige aus der Gruppe, die noch nicht zur Besinnung gekommen war. Ihr Körper hing vornübergebeugt an dem Pflock. Der Teufel stieß seinen Stab kraftvoll auf den Boden und deutete mit dem Finger auf sie.

      Wie aus dem Boden gewachsen erschienen die beiden Wolfskreaturen an seiner Seite. Mit schnellen, geschickten Bewegungen nahmen sie dem Mädchen die Fesseln ab. Dann schleiften sie sie zum Altar und legten sie rücklings darauf, das Gesicht zur Decke gerichtet. Als ihre Hände und Füße mit den Ketten verbunden und straff gezogen wurden, kehrte langsam das Leben in ihren Körper zurück. Mit schwachen Bewegungen versuchte sie sich zu befreien. Aus blutunterlaufenen Augen sah der Junge zu dem Altar hinüber … und erstarrte. Auf einmal schien alles einen Sinn zu ergeben. Die Ketten, die Rinnen am Stein und die dunklen Flecken auf dem sandigen Untergrund.

      Urplötzlich erschien eine blitzende Klinge in der Hand des Teufelsmenschen.

      »Nein«, stieß er aus. »Nein, nein, nein.«

      Es fühlte sich alles so unwirklich an, als stünde er immer noch unter Drogen, als würde er das alles nur träumen.

      Aber es war kein Traum, das spürte er mit jeder Faser seines Körpers.

      Das Trommeln und die Gesänge hatten wieder eingesetzt.

      Dunkel und unheilvoll erhoben sich die Stimmen. Die Bewegungen des Opfers wurden lebhafter. Der Teufel durchschnitt den Stoff des Pullovers und des Büstenhalters, so dass die nackte Haut darunter sichtbar wurde. Schrecklich bleich und mager sah das Mädchen aus, beinahe durchscheinend. Die Arme und Beine ausgestreckt, wirkte sie wie ein Schmetterling, der bereit war, davonzufliegen. Der Teufel umrundete sein Opfer. Immer wieder erhob er seine Hände zur Höhlendecke, dann wieder breitete er die Arme in Richtung des Bodens aus, als wollte er etwas aussäen. Mit einer Bewegung, die aussah, als würde er das Mädchen streicheln, zog er die Klinge über ihr rechtes Schlüsselbein. Ein schwacher Schrei löste sich von ihren Lippen. Sie wehrte sich, doch die Ketten hielten sie zurück. Blut trat aus der Wunde, lief ihren Arm entlang und benetzte den Stein. Mit einer ebenso gewandten Bewegung wiederholte der Teufelsmensch den Vorgang auf der linken Seite. Die Wolfskreaturen rückten näher. In ihren Augen leuchtete Gier. Ohne sie zu beachten, brachte ihr Meister zwei weitere Schnitte kurz oberhalb des rechten und linken Fußgelenks an. Dunkles Blut quoll aus den Wunden. Es lief in die steinernen Kanäle und sammelte sich in den runden Vertiefungen.

      Der Junge war wie erstarrt. Er konnte nicht glauben, was er da sah. Er zog und zerrte an seinen Fesseln. Seine Wut und seine Verzweiflung kannten keine Grenzen. Er riss an den Schlaufen, doch das Leder gab keinen Millimeter nach. Seine Machtlosigkeit trieb ihm die Tränen in die Augen.

      Der Teufelsmensch hatte die Vorbereitungen beendet. Mit einem triumphierenden Ausdruck im Gesicht reckte er den Dolch in die Höhe, als ein schwacher Schrei ertönte.

      Das Mädchen auf dem Opferblock war jetzt hellwach. Ihr Gesicht war aschfahl, ihre Augen hatten einen fiebrigen Glanz. Hilfesuchend blickte sie zu ihren Freunden hinüber. Ihr Blick war ein einziges Flehen. Auf ihren trockenen Lippen formten sich Worte, die jedoch in den Gesängen und dem infernalischen Trommeln untergingen. Die Zeremonie hatte ihren Höhepunkt erreicht. Der Teufelsmensch verdrehte die Augen, hob die Klinge und rammte sie dem Mädchen mit einer kraftvollen Bewegung in die Brust. Ihr bleicher Leib bäumte sich auf, als das Messer bis zum Heft durch sie hindurch fuhr. Die Ketten spannten sich, dann erschlaffte ihr Körper.

      Die Kreaturen kamen zu dem Altarstein gekrochen und fingen an, das Blut vom Sockel zu lecken. Der Teufel vertrieb sie mit Fußtritten. Der Junge hatte das Gefühl, der Himmel würde über ihm zusammenstürzen. Tränen rannen über sein Gesicht, während er sich in den Staub vor seinen Füßen erbrach.

      In diesem Moment geschah etwas Seltsames. Zuerst war es nur ein Schimmern am Rande seines Gesichtsfeldes, doch mit der Zeit wurde es immer deutlicher. Von den Scheiben, die in den Altarstein eingelassen waren, begann ein Leuchten auszugehen. Schwach erst, dann mit stetig zunehmender Helligkeit. Die Formen der Scheiben schienen zu verschwimmen. Auch die Konturen des Steinblocks lösten sich auf. Immer durchscheinender wurde das Material, während die Scheiben an ihren Flanken wie diffuse Sonnen erstrahlten, wie Räder eines feurigen Wagens. In der Höhle war es taghell geworden. Der Junge sah seine Umgebung mit unnatürlicher Schärfe. Es schien fast so, als könne er durch die versammelten Menschen hindurchsehen, so geisterhaft klar stand alles vor seinen Augen.

      Doch irgendetwas ging schief. Von der einen auf die andere Sekunde erlosch das Licht. Es gab einen Knall, gefolgt von einem tiefen Rumpeln. Ein plötzlicher Windstoß fuhr durch die Höhle und blies den Großteil der Ölfeuer aus. Nur eine einzige Fackel in einem weiter entfernten Gang blieb verschont und spendete weiterhin kümmerliches Licht. Steine lösten sich von der Decke und prasselten herab. Die Kaverne füllte sich mit Staub und Rauch. Schreie ertönten. Durch den Staub hindurch sah der Junge die Silhouetten rennender Menschen, die bei dem Versuch, sich vor den herabfallenden Brocken in Sicherheit zu bringen, panisch durcheinanderrannten. Der Junge spürte einen scharfen Schmerz im Genick, genau dort, wo der Teufel ihm das Brandzeichen gesetzt hatte. Zuerst dachte er, dass ihn vielleicht ein Stein getroffen habe. In einer reflexartigen Bewegung griff er an seinen Nacken – und bemerkte, dass er frei war. Seine Hände waren nicht länger an den Pflock gebunden. Ungläubig hielt er sie vors Gesicht und betrachtete sie im ersterbenden Schein der Fackel.

      »Komm

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