Die Rose im Staub. Sarah Skitschak

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Die Rose im Staub - Sarah Skitschak

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den Füßen einen regelrechten Tanz in den Wedeln vollführte. Seine Ledersohlen rollten über den staubenden Boden, entwurzelten einen wehrlosen Strauch und kamen schließlich zum Stillstand, als sich weitere Halme in Richtung seines Kopfes zu neigen begannen.

      Ein frustriertes Knurren beendete den Aufstand.

      Letztlich erhob sich eine dünne Sandwolke zum Himmel und erzählte ihre ganz eigene Geschichte. Die Geschichte, wie eine Kriegerfaust auf den Steppenboden traf, um in Resignation ebenso viel zu bewirken, wie es vorangegangene Fluchtiraden vermochten.

      »Deine sogenannten West-Bastarde haben uns eine bisher ungeahnte Gelegenheit beschert, indem sie ein Loch in die Stadtmauer sprengten. Wäre jemand so freundlich, Krusadh das Sabbelmaul mit Sand zu stopfen? Seine Beschwerden treiben mich heute zur Weißglut.«

      Ich konnte mir ein Schmunzeln kaum mehr verkneifen, wie ich da so die Diskussion der Männer verfolgte. Als hätte man einen unmündigen Jungen zwischen erfahrenen Wasserdieben platziert und jegliche Erklärung der Verhaltensregeln vergessen. Vermutlich hatte sein Grasgerangel die anderen Soldaten mit Ellenbogen oder Knien bedacht, einen ungünstigen Hieb in deren Seiten platziert und die gute Laune auf ein Existenzminimum schrumpfen lassen.

      »Noch eine Bewegung und ich stopfe sein Maul mit Stahl!«

      Da wollte man sich beinahe glücklich schätzen, die letzte Position im Gras ergattert zu haben und Krusadhs Zornesaktionen nicht direkt am eigenen Leibe zu spüren. Ein wenig Verständnis war mir ja möglich: Während die anderen Krieger auf ihren Pferden in Richtung der Stadt geritten waren, sollte er seine Pflicht als Wächter erfüllen und mit uns, den Wasserdieben, im Staub der Steppe verharren. Ein ausgebildeter Kämpfer sollte sich im Trockengras vor den Feinden verstecken, als erfüllte er seine Berufung nicht mehr und taugte bloß noch als letzte Reserve.

      Der junge Krieger fühlte sich gedemütigt.

      Doch letzten Endes …

      Er erfüllte auch in dieser Funktion die Pflicht seines Stammes. Überhaupt Teil eines Wasserdiebstahls sein zu dürfen und den heiligen Ritualen der Wässerung beizuwohnen, kam einer schmeichelnden Ehrung gleich. Krusadh schien in seiner heißblütigen Intelligenzallergie kein Verständnis für das große Ganze seines Volkes zu hegen, sodass ich die Äußerungen der Wasserdiebe durchaus mit Zustimmung bedachte … und wegen der mangelnden Selbstkontrolle Krusadhs nur mehr den Kopf schütteln wollte.

      Welch grenzenlose Arroganz man im Herzen hegen musste, sich selbst über eine Ehre dieser Art zu beschweren? Welch bitterböses Gedankengut wohl in seinem schmalen Schädel ruhte?

      Denn … obwohl sich sein Hass dem Wortlaut nach auf die sogenannten Westvölker bezog, schien seine Wut eindeutig dem verletzten Ego geschuldet.

      Ich ließ meinen Blick von den wispernden Gräsern zum Himmel gleiten und suchte nach Anzeichen für einen Regenschauer, den Krusadh in seinen Flüchen den verfeindeten Stämmen zugesprochen hatte. Doch lag das Himmelsgewölbe als wolkenloses Band über dem Land der Namenlosen, entsandte seine sengende Hitze über die Steppe und ließ den Stern der Dürre allein in der Zenithöhe stehen.

      Da war bloß die Sonne.

      Kein Zeichen des Regens.

      Keine einzige Wolke.

      Wie eine weißglühende Gottheit thronte der Feuerball im klaren Blau und brannte sich ins Antlitz eines regenlosen Landes, das seit Wochen keinen Tropfen des Lebens gesehen hatte. Als hätte jene Gottheit die Welt mit beiden Händen ergriffen, die Finger fest um den Kern geschlungen und sämtliche Feuchtigkeit aus dem Planeten gepresst. Fürwahr, die Trockenheit beherrschte die Steppe bereits vor Anbeginn unserer Zeitrechnungen, sodass jegliches Versprechen auf Wasser – und sei es auch aus dem Lästermaul eines Kriegers – die Hoffnung im Herzen aufkeimen ließ.

      Es blieb eine sterbende Hoffnung, die in den letzten Zügen eines ebenso sterbenden Landes öfter enttäuscht denn entflammt worden war. Im Land der Namenlosen existierte kaum Wasser. Unsere Welt war die Wüste. Unsere Pflicht galt den Göttern, die uns gerade eben am Leben erhielten.

      Ich war im Staub jener Welt aufgewachsen und kannte kaum mehr als die trostlosen Weiten der Ebenen, die sich vegetationslos in alle Himmelsrichtungen erstreckten – ganz gleich, an welchem Ort man sich aufhalten mochte. Oft hatten meine Augen grünende Oasen in der hitzeflimmernden Luft entdeckt, um kurze Zeit später deren Nicht-Existenz festzustellen und in Träumen an derlei Plätze zu schwelgen. Meine Füße waren nie über Grün gegangen, hatten niemals zuvor glatten Erdboden betreten oder waren am Ufer eines Sees entlanggewatet.

      All diese Dinge kannte ich aus Geschichten.

      Aus Geschichten, die zu Legenden geworden waren.

      In meiner Realität blieben Böden von Rissen durchzogen, als bröckelte die Haut des Landes von seinem Kern. Erde platzte unter den erbarmungslosen Strahlen der Sonne und ließ keinen Raum für das Wachsen von Wurzeln.

      Während mein Volk jedoch im Staub der Lande siechte, da hatte sich eine gottlose Gesellschaft der Wüste enthoben und Städte auf der Asche der anderen errichtet. Sie vergaßen die Namen unserer Götter, benannten das Land meiner Väter nach den verschwundenen Geistern und erbauten ihren eigenen Glauben auf den Trümmern des alten.

      Die Städter. Die Städter mit ihren neuen Namen und Bauten.

      Sie hatten sich selbst die Macht über das Leben verliehen.

      Ich ließ meinen Blick über das blaue Himmelsband wandern und richtete meine Augen auf den kuppelförmigen Bauwerkkomplex, der sich am Horizont aus dem Wüstenboden erhob. Die Stadt Gwerdhyll schien den sandwirbelnden Bodenwinden zu entsteigen und über das Leid der Dürre hinauszuwachsen, als wäre sie von den Göttern selbst zu Großem erkoren. Doch hatten nicht die alten Götter die Stadt der Legenden erschaffen. Sie blieb das Zeugnis menschlichen Hochmuts und schmückte sich mit künstlich bewässerten Bäumen.

      Die Stadt der Legenden schien kaum selbst mehr als die Illusion einer heilen Welt, als Fata Morgana, die für eine Weile über die Realität hinwegzutäuschen vermochte und doch die Wahrheit nicht vom Land nehmen konnte. Menschengeformte Steinkonstruktionen schmiegten sich zu einem Stadtberg aneinander, formten das Heim eines ganzen Volkes und verkörperten die Distanz zwischen jenen Gottlosen und uns. Ihre künstlichen Anlagen bohrten sich in das Herz unserer Welt und förderten das Wasser in ihre Kanäle, während wir – während mein Reiterstamm, meine Familie, mein Volk – auf trockenem Sandboden hausen musste.

      Aus ebendiesem Grunde waren wir verpflichtet, ihr Wasser zu stehlen: Die Städter nahmen sich das Blut unseres Landes, ohne einen Anspruch darauf zu besitzen. Sie nahmen sich, worüber sie nicht verfügten …

      Und seither hatte es keinen Regen gegeben.

      So blieb es unsere heilige Pflicht, durch die Festungsanlagen jener Städte zu dringen und Wasser aus ihren Brunnen zu nehmen. Mit gefüllten Beuteln beförderten wir das Wasser zu denjenigen, die unsere Götter noch beim Namen zu nennen vermochten, die das Wasser an die Wüste zurückgeben konnten und über ihre Gebete die Erde unseres Landes kurzfristig mit Regen speisten. Die Stammesältesten sämtlicher Reiterstämme entsandten Wasserdiebe in die befestigten Häuser der Städter, um mit dem erbeuteten Gut ihre Rituale zu Ehren der alten Götter zu führen.

      Ganz recht. Wir waren nicht allein.

      Selbst die Völker feindlichster Gesinnungen sahen ihre Pflicht in der Verteilung des Wassers. Ja, selbst die Westvölker hatten vor wenigen Tagen Tribut geleistet, ein Loch in die Mauer

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