Die Rose im Staub. Sarah Skitschak

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Die Rose im Staub - Sarah Skitschak

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meinen Kopf über den Rand der Rispen und sah, was sich am Rande der Stadtgebiete ereignet hatte. Wo unsere Reiter die Mauerwachen hätten ablenken und fort von der Bruchstelle locken sollen, da harrten noch immer die Städter mit eisern erscheinenden Körpern. Jedoch standen die Tore der Legendenstadt Gwerdhyll weit offen und entließen berittene Soldaten auf das Land der Namenlosen, sodass unsere Krieger – in der Unterzahl und mit den jungen Kriegersprösslingen im Schlepptau – nur mehr die Flucht zu ergreifen vermochten.

      Sie flohen kopflos. Haltlos. Unbedacht.

      In unsere Richtung hielten die Reiter … und nahmen ein gesamtes Verfolgerpack mit sich.

      »Verdammte Scheiße!«, bellte nun auch der Wassermeister, der direkt vor mir aus den Grasbüscheln schoss und fassungslos die staubwirbelnde Reitergruppe mit Blicken der Ungläubigkeit verfolgte. »Mit welch einer Torheit sind diese Männer gestraft?! Mit welch einer Strafe bin ich heute gesegnet?«

      In einer fließenden Bewegung beugte sich Jharrn zur Seite, reckte seine Hand zwischen die Rispen und griff nach dem Kragen des Reiterkriegers. Krusadh wurde einfach vom Boden gerissen und konnte in den Händen des kräftigeren Mannes kaum das Gleichgewicht finden, als dieser die Hand um seine Kehle zu schließen begann. Wohl wussten beide Männer, in welch einem Tempo die Reiter auf unsere Position zusteuerten … und wie wenig Zeit vor der unmittelbaren Katastrophe verblieb … Doch schien der Wassermeister bloß einen Gedanken zu hegen: Krusadh für den nahenden Tod büßen zu lassen.

      Jharrn schüttelte sein nahezu wehrloses Opfer mit beiden Händen, sodass sich die schwarzen Strähnen seiner Haare mit dem Schweiß in seinen Zügen verklebten und das Gesicht des Wassermeisters in eine teuflische Fratze verwandelten.

      »Welche Anweisung haben die Männer?!«, brüllte Jharrn dem jungen Krieger entgegen.

      Seine zierliche Nase kam dem kantigen Kriegergesicht viel zu nahe, als Krusadh mit den Händen nach den Armen des Meisters griff und seinen Kopf mit aller Wucht nach vorn schleuderte. Die breite Stirn traf die wesentlich schwächere Nasenpartie, als wäre ein Meteorit auf den trockenen Boden geschlagen.

      Schon taumelte der Meister ein paar Schritte zurück.

      Mit einem erschreckenden Male schien sein Blick in weite Ferne gerückt und richtete sich unter Irritation auf einen horizontnahen Punkt, als er das Blut unter seinen Nasenflügeln mit den nackten Unterarmen verwischte. Die Pupillen weiteten sich in ihren steppengrasgrünen Betten auf unnatürliche Größe, zuckten noch im Trauma des Schädelstoßes umher und versuchten vergeblich, sich auf die Distanz der nahenden Reitersilhouetten einzustellen. Es musste wohl in ebendiesen Momenten, in ebendiesen wenigen Herzschlagmomenten geschehen, da sich gerade noch der dritte Wasserdieb aus seiner Schockstarre in den Gräsern erhob – bloß, um von der Brust eines galoppierenden Pferdes erfasst und unter die Hufe geschleudert zu werden.

      Wieder fand ich mich in einem Moment der Reglosigkeit.

      Ich hörte den Schädel des Wasserdiebs knacken, als der Eisenbeschlag des Tieres durch den Knochen drang und das Gesicht in eine verzerrte Schreckensversion des einst bekannten Mannes verwandelte. Ich hörte den Schrei des stürzenden Stadtpferdes, das über den offenen Körper des Wasserdiebs rutschte und sich samt Reiter auf dem harten Erdboden überschlug. Das Knacken von Knochen, das Bersten von Rüstungsteilen, das Klirren von eisernen Waffen auf trockenem Grund. Erstickende Schreie eines Städters unter dem toten Leib seines Tieres. Das Gurgeln eines sterbenden Mannes mit durchstoßenem Brustkorb.

      Blutregen spritzte aus seiner Kehle über den Sand, als handelte es sich dabei um sanfte Sommerergüsse am Rande einer Schlechtwetterfront. Dunkelrote Sprenkel benetzten den verdrehten Leib des gestürzten Pferdes, rannen über das schwarze Fell jenes Rappen und sammelten sich zu einer versickernden Lache.

      Wie in Trance drehte ich mich um die eigene Achse und verfolgte die erste Welle der berittenen Städter, die bei unserem Anblick in Überraschung die Schwerter zückten, die mit ihren Schilden und Lanzen weiter auf uns zudonnerten und einem anderen Teil der Gruppe die Verfolgung unserer Reiter überließen. Aus den Mündern der Männer stieg ein bedrohlicher Chor gebrüllter Befehle, der die Pferde in Panik voranstürmen ließ, der mit den Galoppsprüngen lauter und lauter wurde, der sich sekündlich steigerte und zu einem ohrenbetäubenden Dröhnen anschwoll. Weißer Schaum stob aus den Mäulern der Tiere, bedeckte die schwitzenden Muskeln mit Speichel und flog durch die flirrende Wüstenluft.

      Schneller und schneller wurde die Hatz.

      Ich wandte mich um. Plötzlich in Panik. Mein Blick traf auf den des Wassermeisters, der endlich wieder zu klaren Gedanken kam und indessen sein Krummschwert aus der Halterung löste. Seine Füße stellten sich in Kampfposition, während seine Hände die gebogene Klinge vor den Körper führten und dem Sturm der Städter zu trotzen gedachten.

      »Nakhara …«, schienen seine Lippen in sanftem Tonfall zu formen, doch Jharrns Blick blieb in eiserner Härte versteinert. »Lauf! Lauf, so schnell dich die Füße nur tragen! Lauf nach Hause!«

      In diesen Sekunden blieben Demütigungsgefühle gleichgültig.

      Ich zog meinen Dolch und stürzte davon.

      Mit zitternden Gliedern rannte ich über die sandüberwehten Flächen der stadtnahen Steppe, schlug mich durch die hüfthohen Steppengräser in die Flucht vor den Soldaten Gwerdhylls und wagte keinen Blick mehr über die Schulter zurück. In meinen Ohren verhallten die klirrenden Laute der aufeinanderprallenden Klingen und mischten sich mit dem Geräusch meines eigenen Herzschlags, der in den rasenden Rhythmen meines Laufs bis in die Halsschlagader spürbar blieb. Der rudernde Kreislauf jagte Schwindelgefühle durch meinen Körper, als bewegte ich mich nicht mehr aus eigenen Kräften voran, als flöge ich durch die Steppengräser und würde von unsichtbaren Mächten getragen.

      Das Gefühl für meine Extremitäten ertaubte.

      Lediglich die harten Schläge der aufkommenden Sohlen auf heißem Sand … lediglich jene Erschütterungen schien mein Verstand noch eben erfassen zu können.

      Vor meinen Augen vibrierte das Sichtfeld und verformte die Weiten der Wüste zu einem schwankenden Gebilde ohne Himmel und Erde. Farben zerflossen in ihren ureigenen Formen, wirbelten wie Sturmaugen durch die fliehenden Sandpartikel und täuschten meine Sinne, bis keine Orientierung mehr für mich blieb. Mein innerer Kompass zerschellte an den Felsen der Panik.

      Schon verloren meine Füße den Halt auf den versandeten Flächen, schlidderten unkontrolliert über einen Dünenhang und verkanteten sich mit ledernen Fesseln ineinander, sodass mein Körper auf den Boden geworfen wurde. Ich reckte meine Hände vor das Gesicht, um meine Augen vor den Sandpartikeln zu schützen und den Städtern nicht gänzlich ohne Wehr ausgeliefert zu werden.

      Dann fühlte ich, wie sich mein Leib überschlug … wie sich die dicken Lederfetzen meines Schutzpanzers zwischen die Rippen bohrten und die Luft aus meinen Lungen pressten, wie die Arme aus ihrer Position gerissen wurden und ohne Funktion im Fall ruderten, wie ich auf harte Steinbrocken geworfen wurde, wie sich meine Welt im Nichts der Ohnmacht auflösen wollte.

      Ich landete hart auf dem Bauch, ohne mich weiter rühren zu können.

      Das Donnern der Pferdehufe rückte näher und ich wollte schreien, wollte brüllen, wollte kämpfen, aufstehen, mich wehren … Mein eigener Körper versagte den Dienst, sodass ich reglos auf dem heißen Sand liegenblieb.

      »Steh auf, Wasserdiebin! Steh auf!«, brüllte Krusadhs Stimme von Nahem.

      Meine Lungen blähten sich bei den Atemversuchen und füllten sich brennend mit Wüstensand.

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