Euroskeptizismus auf dem Vormarsch. Julian Wessendorf

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Euroskeptizismus auf dem Vormarsch - Julian Wessendorf страница 12

Euroskeptizismus auf dem Vormarsch - Julian Wessendorf

Скачать книгу

selbst als Teil des Volkes in der Opferrolle sieht (vgl. Decker 2004: 22; Rensmann 2006: 63). Somit wird ein Idealbild eines Volkes – nicht unbedingt der tatsächlichen Bevölkerung – kreiert, welches Identität und Zugehörigkeit schaffen soll, während das „Establishment“ angeprangert wird, gegen den Willen des Volkes zu handeln. Daher propagieren PopulistInnen den „verstärkten Einsatz direktdemokratischer Elemente als unmittelbaren Ausdruck des homogenen Volkswillens“ (Decker & Lewandowsky 2009: XX), was zu vermehrten Forderungen nach Volksentscheidungen führt. Sobald sich der populistische Stil mit rechten Ideologien vermischt, nimmt auch der Populismus „selbst ideologische Qualität“ (Decker 2004: 33) an. Im Sinne einer „wir hier drinnen gegen die dort draußen“-Dichotomie schafft der Rechtspopulismus bspw. Feindbilder gegen das Fremde, wobei sich die ablehnende Haltung sowohl gegen das Fremde selbst als auch gegen diejenigen richtet, die das Eindringen des Fremden ermöglicht. Im gleichen Sinne hat der Populismus auch immer einen antipluralistischen Wesenszug, der sich nicht nur auf ethnische, sondern auch auf religiöse oder sexuelle Minderheiten bezieht und sich bis hin zu einer offenen Fremdenfeindlichkeit entwickeln kann (vgl. Decker & Lewandowsky 2009). Rechtspopulistische Parteien zeichnen sich durch ihre antimigratorische, antieuropäische und antiamerikanische Einstellung aus, lehnen die Globalisierung ab und sehen sich selbst als Anti-Parteien-Partei, die plebiszitär und stark medienorientiert ausgerichtet ist (vgl. Hartleb 2004: 46).

      Abb. 4: Das Verständnis des politischen Spektrums (eigene Darstellung).

      Der Rechtspopulismus wird im Verständnis dieser Untersuchung als eigene Abstufung im politischen Spektrum angesehen. Dies wird wie folgt begründet: Im Sinne der Neuen Rechten wird der Rechtspopulismus als Verbindung zwischen (rechts- und national-)konservativen Ansichten und dem Rechtsextremismus angesehen. Hierbei wird der Rechtspopulismus jedoch vielmehr als eine Grauzone verstanden denn als ein Scharnier. Wie bereits beschrieben verfolgt der Populismus prinzipiell keine eigene Ideologie, sondern beschreibt in erster Linie eine bestimmte Politikform. Dennoch werden im Rechtspopulismus diejenigen Personen und Parteien zusammengefasst, die sowohl auf populistische Stilmittel zurückgreifen als auch im Sinne der Anti-Parteien- und Anti-Establishment-Rhetorik argumentieren. Die rechte Gesinnung der jeweiligen PopulistInnen spielt insofern eine Rolle, als sie schwächer oder stärker ausgeprägt sein kann. So befinden sich RechtspopulistInnen bei verschwimmenden Grenzen sowohl am Rande des Rechtskonservatismus als auch am Rande des Rechtsextremismus. Durch diese Verbindung zu beiden Seiten kommt eine Grauzone zustande, in der sich RechtspopulistInnen – je nach Thema und persönlicher Einstellung – frei bewegen und sich situationsabhängig konservativer oder extremer geben kann. Konservative(re) RechtspopulistInnen lehnen bspw. die Integration von Minderheiten zwar nicht grundlegend ab, sehen sie zumindest aber – im Sinne des Kulturalismus – kritisch und als Bedrohung für den Nationalstaat und die eigene Kultur. Extreme(re) RechtspopulistInnen hingegen vertreten eine ablehnende Haltung gegenüber Minderheiten und sprechen anderen ethnischen und religiösen Gruppen die Integrierbarkeit oder zumindest eine Assimilation an die eigene Kultur ab (vgl. Geden 2006: 212), ohne jedoch offen rassistisch zu sein. Des Weiteren propagieren sie einen drohenden Identitäts- und Souveränitätsverlust und eine kulturelle Entwurzelung durch Multikulturalismus, Globalisierung und – im Zusammenhang mit der EU – eine fortschreitende Europäische Integration (vgl. Betz 2002: 254). In ihrer Argumentation greifen RechtspopulistInnen aktuelle Krisen auf und stellen die Verantwortlichen für das Scheitern ihrer Politik an den Pranger, während sie sich als Teil des betrogenen und im Stich gelassenen Volkes ansehen (vgl. Bauer 2010: 5).

      Am äußeren Rand des Spektrums befindet sich der Rechtsextremismus, der sich durch ein antidemokratisches und autoritäres Gesellschaftsverständnis sowie völkischen Nationalismus und Rassismus auszeichnet. Gleichzeitig betont er die Bedeutsamkeit des Erhalts des souveränen Nationalstaates und vertritt eine ethnopluralistische und antiglobalistische Position, in der das eigene Volk, die Nation und die kulturelle Identität an erster Stelle stehen und äußere Einflüsse und Öffnung nach außen als Bedrohung empfunden werden. Während sich der Rechtsextremismus schon allein aufgrund seiner Wortzusammensetzung und der Bedeutung des Terminus selbst am rechten äußeren Rand befinden muss, gibt es für andere rechte Weltanschauungen keinen eindeutigen Platz im politischen Spektrum. Exemplarisch hierfür steht der Rechtsradikalismus, der aus verschiedenen Gründen nicht in Abbildung 4 auftaucht: Zum einen wird in der Literatur argumentiert, dass sich – auf juristischer Ebene – Radikalismus und Extremismus nur durch die Einstellung zum demokratischen System unterscheiden. Gleichzeitig werden die Begriffe jedoch weiterhin synonym verwendet, was dazu führt, dass innerhalb der Grauzone des Rechtspopulismus beide Definitionen bedient werden. In diesem Fall ist es hilfreich, dass sich der Rechtspopulismus lediglich durch die Stärke der ideologischen Ausprägung im rechten Spektrum ansiedeln lässt. Zwar ist nicht jede Form von Radikalismus auch populistisch, aber es bewegt sich auch nicht jede/r Radikale im illegalen Bereich. Im ursprünglichen Sinne des Wortes verfolgt der Radikalismus das Ziel, Probleme an ihrer Wurzel anzusprechen und zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang kann der Rechtsradikalismus durchaus populistische Formen annehmen, was eine Verortung am rechten Rand des Rechtspopulismus rechtfertigt. Zum anderen werden im weiteren Verlauf dieser Untersuchung nicht nur Parteien aus dem deutschsprachigen Raum näher betrachtet, was – zumindest in diesem Zusammenhang – eine Öffnung des Begriffs für andere Sprachräume erfordert. Hierbei ist zu beobachten, dass sich die Trennung von Radikalismus und Extremismus aufgrund der amtlichen Definition lediglich in Deutschland durchgesetzt hat, während beide Begriffe in der internationalen Literatur meistens weiterhin synonym verwendet werden (vgl. Mudde 1996: 230). Darüber hinaus fällt auf, dass das Adjektiv ‚rechtsradikal‘ heutzutage fast nicht mehr verwendet wird, um Parteien spezifizierend zu beschreiben. Im Verständnis dieser Untersuchung bezeichnet der Begriff ‚radikal‘ grundsätzlich von der Mitte des Rechts-Links-Spektrums abweichende Positionen, die nicht mehr als gemäßigt angesehen werden können.

Скачать книгу