Der Erste Weltkrieg. Daniel Marc Segesser

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Der Erste Weltkrieg - Daniel Marc Segesser marixwissen

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hingegen Offiziere, die längere Zeit in der Indian Army gedient hatten, so Herbert Horatio Kitchener, der von 1902 bis 1909 Oberkommandierender der Indian Army gewesen war, oder Ian Hamilton, lange Jahre Generaladjutant und später Inspector-General of Overseas Forces. Auch der indischen Regierung lag viel daran, primär die Kompatibilität von Indian Army und British Regular Army zu erhalten und die dazugehörige innere Struktur nicht dem Einsatz britischer Einheiten auf dem europäischen Kontinent zu opfern. Zudem galt die Indian Army als wichtiger Garant für die innere Ordnung und Stabilität des eigenen Landes und namhafte Exponenten der britischen Kolonialverwaltung trauten der Ruhe an der Nordwestgrenze nach dem Kolonialausgleich zwischen Russland und Großbritannien im Jahre 1907 nicht wirklich. Auch unter Offizieren der in Großbritannien befindlichen Regular Army gab es aber Gegner eines Continental Comitment, so Sir William Nicholson, von 1908 bis 1912 Chief of the Imperial General Staff. Bis 1914 wurde keine endgültige Entscheidung für oder wider einen Einsatz britischer Soldaten auf dem europäischen Kontinent getroffen, auch wenn Wilson später das Jahr 1911 als entscheidend für die kurz nach Kriegsbeginn erfolgte Entsendung der British Expeditionary Force bezeichnete.

      Die militärischen Vorbereitungen und Kriegspläne des russischen Zarenreiches gehören nicht zu den besterforschten Aspekten der Geschichte des Ersten Weltkrieges, dies nicht zuletzt deshalb, weil sie lange von sowjetischen Bewertung des Weltkrieges als einer Auseinandersetzung unter Imperialisten, in welcher sich die russischen Soldaten und Offiziere tapfer und ehrenvoll geschlagen hätten, bestimmt wurde. Erst in jüngster Zeit wurde auch wieder die Frage gestellt, mit welchen Strategien das Zarenreich in einen europäischen Großkrieg einzutreten gedachte. Dabei zeigte sich, dass sowohl die beteiligten Politiker als auch die russische Militärführung gravierende Kommunikations- und Entscheidungsfindungsprobleme hatten. Diese lagen einerseits in der Struktur der obersten Führung der russischen Streitkräfte begründet, andererseits aber auch in den denkbar ungünstigen Umständen, unter welchen Russland sich nach 1905 auf einen europäischen Großkrieg vorbereiten musste. Im Russisch-Japanischen Krieg hatte Russland nämlich nicht nur eine empfindliche Niederlage erlitten, es hatte auch den größten Teil seiner baltischen wie seiner fernöstlichen Flotte verloren. Zudem hatte die 1905 niedergeschlagene Revolution besonders bei den russischen Großfürsten, die einen Großteil der Führungsränge in den russischen Streitkräften besetzten, dazu geführt, dass sich ihre Reformbereitschaft in engen Grenzen bewegte. Der reformorientierte Verteidigungsminister Aleksandr Rödiger (1905-1909) scheiterte deshalb in seinen Bemühungen, eine Reorganisation der Generalität und des Offizierskorps zu erreichen und dauerhaft einen Reichsvertreidigungsrat zur Diskussion über strategische Fragen einzurichten. Rödigers Nachfolger Suchomlinov konzentrierte sich deshalb in der Folge weitgehend auf die Verbesserung der Ausrüstung und die Steigerung der Effizienz im Bereich der Mobilisierung der Streitkräfte. Bei seinen Bemühungen standen Suchomlinow allerdings wesentlich weniger Mittel zur Verfügung als der Marine, die die großen Verluste des Russisch-Japanischen Krieges wettmachen musste und daher über Ressourcen verfügte, die 1913 und 1914 sogar diejenigen der deutschen Flottenrüstung übertrafen. Innerhalb der russischen Generalität war trotz warnender anders lautender Stimmen die Überzeugung ähnlich wie in Frankreich weit verbreitet, dass auch ein moderner europäischer Großkrieg nicht lange dauern könne und dass die Mittelmächte rasch eine Entscheidung suchen würden. Die noch in den letzten Jahren vor dem Krieg mit neuer Artillerie ausgerüsteten Festungswerke in Polen und Weissrussland sollten daher dazu dienen, einen feindlichen Vormarsch zu stoppen und damit die Mobilisierung der restlichen Teile des russischen Heeres zu ermöglichen. Demzufolge blieben bis 1910 die russischen Operationspläne auf die Defensive ausgerichtet. Auf Grund von Forderungen der eigenen politischen Führung im Gefolge der Annexionskrise in Bosnien 1908 und von solchen des französischen Allianzpartners wurden die russischen Operationspläne im Jahre 1910 angepasst. Nun sollte auch die russische Armee früher als bisher geplant zur Offensive übergehen. Ermöglicht werden sollte dies durch eine neue Form der Mobilisierung, in welcher weniger Wert auf die ethnische Durchmischung der einzelnen Verbände gelegt werden sollte. Widerstand seitens wichtiger Offiziere führte jedoch dazu, dass dieser Plan nicht vollständig umgesetzt werden konnte. Dies hatte im Juli 1914 zur Folge, dass die russische Militärführung nicht nur eine Teilmobilmachung im Westen des Landes anordnen konnte, sondern die Generalmobilmachung beschließen musste, um über ausreichend Truppen zu verfügen. Die Frage gegen wen die schließlich im Westen des Reiches mobilisierten Einheiten eingesetzt werden sollten, wurde von der russischen Militärführung vor 1914 nicht entschieden. Der 1912 modifizierte Plan 19 beinhaltete sowohl eine gegen die Habsburgermonarchie gerichtete Variante A (Avstrija) wie auch eine gegen das Deutsche Reich gerichtete Variante G (Germanija). In Manövern und Kriegsspielen wurde dieser Plan zwar 1913 und 1914 noch erprobt. Ob die vorgesehene Dauer für eine Mobilisierung realistisch sei und inwiefern die Armee über die notwendigen Kommunikationsmittel verfüge, um planmäßig die Operationen durchzuführen, wurde dabei allerdings weder getestet noch überprüft. Die russische Militärführung verfügte zwar 1914 über Mobilisierungs- und Aufmarschpläne sowie über Vorstellungen zu möglichen Operationsräumen, die Frage, welcher Gegner zuerst angegriffen werden sollte und ob die dazu notwendigen Ressourcen auch wirklich zur Verfügung stehen würden, war allerdings nicht geklärt worden. Zudem war der Informationsstand über die Pläne des Gegners dürftig.

      Außerhalb Europas war das konkrete Interesse für die Kriegspläne der Mittelmächte wie der Entente nicht besonders groß. Die Pläne der amerikanischen Militärführung waren nicht auf eine Beteiligung an einem europäischen Krieg ausgerichtet, sondern konzentrierten sich vor 1914 weitgehend auf Einsätze in Lateinamerika und der Karibik sowie auf die Philippinen und den Pazifik. Im Jahre 1905 hatte der damalige Präsident Roosevelt seine Ambitionen im letztgenannten Raum durch die Entsendung der Great White Fleet demonstriert, deren Reise durch den Pazifik von den Regierungen Australiens und Neuseelands explizit begrüßt worden war. In Japan war die Heeresführung primär damit beschäftigt, die eigenen Positionen in Korea und China zu konsolidieren und eine mögliche Ausweitung des eigenen Einflusses in der Mandschurei ins Auge zu fassen. Die japanische Marineführung verfolgte ihr eigenes Konzept einer Expansion nach Süden (Nan’yo), ohne dabei allerdings konkretere Vorstellungen zu haben, wie dies geschehen sollte. Gerade die relative Unbestimmtheit dieser Pläne löste in den beiden pazifischen Dominions Australien und Neuseeland große Befürchtungen aus und führte dazu, dass vor allem in Australien, in geringerem Ausmaß aber auch in Neuseeland, Anstrengungen unternommen wurden, um die eigene militärische Sicherheit zu verbessern. Dazu gehörten die Schaffung der Royal Australian Navy – an deren Spitze mit der HMAS Australia auch ein Großkampfschiff der neuesten Generation stand – die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht für den Dienst in Australien respektive in Neuseeland, der Aufbau von ersten einfachen Rüstungsbetrieben und ganz generell eine massive Erhöhung der Rüstungsausgaben. In Australien kam es – nicht zuletzt angesichts der Herausforderung durch Japan – schon relativ früh zu Diskussionen unter den wenigen höheren Offizieren des Landes, wie die vorhandenen militärischen Ressourcen in einem Kriegsfall eingesetzt werden sollten. Dabei standen die Beteiligten vor dem Problem, dass es einerseits der Loyalität eines großen Teils der Bevölkerung zum Empire, aber auch den eigenen Sicherheitsbedürfnissen Rechnung zu tragen galt. Den australischen und neuseeländischen Politikern und Offizieren war bekannt, dass das Mutterland Großbritannien mit der Entsendung von Soldaten rechnete, falls es darum bat. Gleichzeitig bestand aber auch die Befürchtung, dass in London den Sicherheitsbedürfnissen der pazifischen Dominions nicht ausreichend Rechnung getragen wurde. Während die neuseeländischen Politiker und Offiziere dabei tendenziell der Hilfestellung für das Mutterland den Vorrang einräumten und daher auch der Stationierung der HMS New Zealand in Europa zustimmten, waren ihre australischen Gegenüber eher darauf bedacht, die eigenen Bedürfnisse stärker zu gewichten. Ähnlich wie Großbritannien gegenüber Frankreich versprachen die beiden pazifischen Dominions daher dem Mutterland für den Fall eines Krieges in Europa oder anderswo in der Welt ihre militärische Unterstützung, ohne allerdings im Detail festzulegen, in welcher Form diese Unterstützung konkret erfolgen sollte.

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