Fürstenkrone 11 – Adelsroman. Viola Larsen
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»Diese Tabakdose«, bemerkt er dabei, »hat mir der alte Fürst noch geschenkt. Ich sehe ihn noch vor mir stehen, den Falknerhandschuh übergestreift und bebend vor Erregung, ob der Vogel sich in die Lüfte erheben oder zu ihm zurückkehren werde.«
»Sie leben immer nur in der Vergangenheit, Sönke«, sagt Sabrina leise.
Der alte Sönke wirft ihr unter seinen buschigen weißen Brauen einen sonderbaren Blick zu.
»Es ist besser, in der Vergangenheit zu leben«, antwortet er, »als in dieser lausigen Gegenwart.« Nach diesen Worten wendet er sich ab und stapft zur Speichertür. Die Holzstiegen der Treppe knarren unter seinen schweren Schritten.
Dann wird es still. Nur die Fahne der Fürsten von Ravenhill mit dem silbernen Falken auf grünem Grund flattert im Herbstwind, der übers Moor gezogen kommt.
Sabrina beugt sich aus dem niederen Fenster.
Der Dachfirst des Schlosses springt an dieser Stelle weit vor, sodass sie nur ein Zipfelchen blühender Erika, ein Stück des braunen Moores und den Himmel sehen kann. Sonderbar, denkt sie dabei, jeder sieht Wolfhart anders, Tante Tabea behauptet, er sei der großherzigste, gütigste und edelste Mensch unter der Sonne, Steff meint, dass Wolfhart ernst und herrisch sei. Fine erklärt, er sei todtraurig, kranke an einem Kummer und schleppe ein Geheimnis mit sich herum, und Sönke hat Mitleid mit ihm. Ich aber – ich habe ihn ganz einfach lieb!
In diesem Augenblick wird auf der Fahrstraße, die die Heideinsel mit dem Moordorf verbindet, eine schwarze Limousine sichtbar, und Sabrina glaubt, ihr Herzschlag setze aus.
Ein heißes, schwindelndes Glücksgefühl packt sie, und eine Stimme jubelt in ihrem Herzen: Wolfhart kehrt heim!
Sie eilt über den Speicher und jagt die Treppe hinunter.
»Seine Durchlaucht kommt!«, verkündet sie der bestürzten Fine, die vor Schreck prompt wieder die Stiefelbürste fallen lässt. »Seine Durchlaucht kommt!«, ruft sie Steff zu, der sich mit seinem Holzkorb daraufhin schleunigst aus der Halle in die Küche zurückzieht, unter deren Tür Fräulein Tabea mit hochrotem Kopf erscheint. »Wolfhart kommt, Tante Tabea!«, jauchzt Sabrina wieder.
Fräulein Tabea schlägt die Hände über dem Kopf zusammen.
»Und mein Baumkuchen ist noch lange nicht fertig!«, klagt sie mit Grabesstimme.
Sabrina aber stürzt durch die Halle, reißt das Hauptportal auf und stürmt die Freitreppe des Schlosses hinunter, vor der gerade die schwarze Limousine anlangt.
Jubelnd, glückselig begrüßt sie den heimkehrenden Fürsten, aber als ihre frischen Lippen zärtlich seine Wangen berühren, zuckt er unmerklich zusammen.
*
Nur einen winzigen Schritt tritt Fürst Wolfhart zurück, aber durch diese kleine Geste öffnet sich gleichsam ein Abgrund des Fremdseins zwischen ihm und seinem Mündel.
Fassungslos blickt Sabrina den Mann an, denn sonst hat er sie immer liebevoll in seine Arme geschlossen, wenn er von einer seiner großen Reisen in das Schloss seiner Väter heimkehrt, er hat sie immer herzlich auf die Stirn geküsst, ihr braunes Haar gestreichelt und ihr scherzhaft versichert, dass er es vor Sehnsucht nach ihr in der Fremde fast nicht mehr ausgehalten habe.
Heute aber ist alles anders!
Fürst Wolfhart verbeugt sich nur leicht vor Sabrina. Er reicht ihr nicht einmal die Hand, und er spricht kein einziges Wort. Ein paar Sekunden lang hat Sabrina das schreckliche Empfinden, der Himmel müsse einstürzen oder die Erde sich auftun.
»Wolfhart, was – was ist?«, fragt sie tonlos. Ihre Lippen beben, und sie fürchtet, in Tränen auszubrechen. Seit am Vorabend das Telegramm eintraf, das überraschend die Ankunft des Fürsten meldete, hat sie sich auf das Wiedersehen mit ihm gefreut. Und jetzt?
Hoch aufgerichtet steht Wolfhart Fürst von Ravenhill vor ihr, streicht sich eine Strähne des dichten dunklen Haares aus der Stirn und – schweigt. Sein ausdrucksvoller Mund ist fest geschlossen und das Kinn ein wenig vorgestreckt. Die ebenmäßigen Brauenbögen leicht zusammengezogen, sodass eine steile Falte in seine Stirn wächst, verharrt er nun reglos vor Sabrina. Die sonnengebräunte Haut über den Backenknochen spannt sich an, als wenn er einen Schmerz erleide, aber seine dunklen sprechenden Augen sind unverwandt auf das Mädchen gerichtet.
»Wir haben die Fahne gehisst!«, murmelt sie zusammenhanglos. »Wir haben uns so auf dich gefreut. Dein Falke grüßt dich …«
Fürst Wolfhart zuckt unmerklich zusammen. Er hat sich jedoch sofort wieder in der Gewalt. Nur seine hünenhafte Gestalt wirkt jetzt noch stolzer, ablehnender und einsamer als zuvor.
In diesem Augenblick erscheint Fräulein Tabea unter dem Schlossportal. »Willkommen, Durchlaucht! Willkommen daheim!«
Auch dem alten Fräulein reicht Fürst Wolfhart nicht die Hand.
»Warum haben Sie die Fahne hissen lassen, Fräulein Tabea?«, fragt er fast schroff, und dies sind die ersten Worte, die er spricht. »Sie wissen, ich liebe derlei Dinge nicht!«
Fräulein Tabeas freudiges Gesicht erstarrt vor Schreck.
Wortlos schreitet Fürst Wolfhart nun an Sabrina und Fräulein Tabea vorüber, die Freitreppe empor. Das schmiedeeiserne Portal schließt sich Sekunden später hinter seiner hohen Gestalt, während sich Fräulein Tabea und Sabrina stumm und bestürzt gegenüberstehen.
»Ach, du liebe Güte!«, seufzt Fräulein Tabea schließlich. »Das fängt ja gut an!«
Sabrinas Augen sind blind von Tränen der Enttäuschung, und dieser Tränenschleier lässt alles vor ihrem Blick seltsam in sich verschwimmen: die blühenden Blumen auf der Heide, den hellen Himmel und Tante Tabeas weißes Spitzenhäubchen.
»Tante Tabea!«, schluchzt sie plötzlich laut auf. »Oh, Tante Tabea!«
Bekümmert schüttelt das alte Fräulein den Kopf, aber die grauen Augen hinter den funkelnden Brillengläsern sind sonderbar wissend, als wollten sie gleichsam zum Ausdruck bringen, dass sie sich die Ankunft des Fürsten gar nicht anders vorgestellt habe. »Die Fahne!«, murmelt sie. »Der silberne Falke …« Dann rafft sie sich auf, geht zu der vor grenzenloser Enttäuschung weinenden Sabrina und schließt sie mütterlich in ihre Arme. »Weine nicht, Sabrina, hörst du? Weine nicht, mein armer Liebling, denn Tränen ändern nichts. Ich meine es gut mit dir, Liebling! Komm!« Sanft versucht sie, Sabrina die Freitreppe emporzuführen.
»Warum«, schluchzt sie, »ist Wolfhart so – so anders, Tante Tabea?«
Das alte Fräulein senkt den grauhaarigen Kopf, und ihr weißes Spitzenhäubchen glänzt im Sonnenlicht. »Frage mich nicht, Liebling!«, bittet sie leise. »Komm jetzt mit mir ins Haus!«
Aber Sabrina schüttelt leidenschaftlich den Kopf. Sie kann jetzt nicht einfach ins Haus gehen und tun, als sei nichts geschehen. »Sei mir nicht böse, Tante Tabea«, flüstert sie mit tränenerstickter Stimme. »Ich muss mir jetzt frischen Wind um die Ohren wehen lassen.«
»Aber lauf nicht so weit ins Moor hinaus«, ruft Fräulein Tabea ängstlich. Sie fürchtet das Moor. So sehr sie die Heideinsel und das Schloss liebt, in dem sie nun schon fast ein Menschenleben verbrachte, so sehr fürchtet sie das Moor …
Nördlich