Fürstenkrone 11 – Adelsroman. Viola Larsen
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Fürstenkrone 11 – Adelsroman - Viola Larsen страница 5
Sabrina seufzt unbewusst, als sie an der Moorgrenze steht. Tante Tabea hat recht, sinnt sie. Man müsste etwas gegen das Moor unternehmen, man müsste Gräben, Kanäle und Staudämme bauen und das Oberwasser regeln, sodass es die Wiesen tränkt. Ich werde Wolfhart fragen, warum er es nicht tut.
Sie erschrickt unwillkürlich bei diesem Gedanken. Früher hätte sie eine solche Frage bedenkenlos an den Fürsten gerichtet. Aber wenn er so kühl, fremd und ablehnend zu ihr bleibt, wie er es bei seiner Ankunft war, dann wird sie es wohl nie mehr wagen können, unbefangen mit ihm zu plaudern.
Sie steht reglos still, schließt flüchtig die Augen und sieht wie in einer Vision das Moorland vor sich, wie es ausschauen würde, wenn man es urbar machen wollte: Kanäle, auf denen bunte Boote schwimmen, saubere Häuser aus roten Ziegelsteinen am Uferrand, kleeduftende Wiesen, auf denen Kühe weiden, wogende Kornfelder und die Silhouetten einsamer Mühlen.
Aber als sie die Augen wieder öffnet, liegt nur die schwarzbraune, düstere Einöde vor ihr, deren Schwermut ans Herz greift und einen wahrhaft an Gespenster glauben lässt, wie Fräulein Tabea immer behauptet.
Als Sabrina wieder zum Schloss zurückkehrt, wehen schon die silbernen Schleier der Dämmerung über der blühenden Heide, und von der Kirche des Moordorfes her ruft es das Ave.
So, wie heute die Dämmerung kommt, sinnt Sabrina, ist sie schon vor hundert Jahren über die Insel gezogen, damals, als die Fürsten Ravenhill noch ein regierendes Haus waren. Wolfhart hat mir einmal erzählt, dass es das Ziel seiner Ahnen gewesen sei, das Moor zu bebauen, ein zu jenen Zeiten unerreichbares Ziel. Aber in der technisierten Gegenwart wäre es durchaus möglich gewesen. Warum nur, fragt sie sich, lässt Wolfhart es zu, dass die Insel stirbt?
Sie schüttelt unwillkürlich den Kopf. Sie weiß, es hat keinen Sinn, über derlei Fragen nachzugrübeln. Aber wie immer, wenn etwas sie zutiefst bewegt, sucht sie Trost und Zuflucht bei ihrer Geige. Das Musikzimmer ist Sabrinas Zuflucht.
Mit behutsamen Händen löst sie das kostbare Instrument aus seiner violetten Samthülle und betrachtet es zärtlich. Eine ganze Weile steht sie reglos und versonnen da und lauscht der seltsamen Melodie ihres Herzens, die sie sich nicht zu deuten weiß. Bisher war immer alles klar, licht und geordnet in ihrem jungen Leben. Warum nur ist mit einem Mal alles anders geworden?
Sabrina zögert, als fürchte sie sich davor, der Melodie in ihr Ton und Klang zu verleihen, aber dann setzt sie doch langsam das Instrument an, ergreift den Bogen und führt ihn zart über die schwingenden Saiten. Sie schließt die Augen, und die Umwelt versinkt für sie.
Es ist eine sonderbare Weise, der Sabrina Leben verleiht. Sie malt in schwermütigem Moll die trostlose Öde des Moorlandes, um später jedoch in jubelnde Durtöne überzugehen. Sabrina hält die Augen geschlossen und versenkt ihr ganzes Fühlen und Sein in die Melodie, die sie ihrer Geige entlockt. Erst als der letzte Ton verklungen ist, öffnet sie, wie aus einem tiefen Traum erwachend, langsam ihre Lider.
»Das war schön, Moorprinzesschen!«, sagt da eine wohlklingende dunkle Männerstimme.
Unter der Tür zur Halle steht Fürst Wolfhart.
»Verzeih mir«, bittet er herzlich, »dass ich dich belauscht habe, aber ich konnte nicht widerstehen.«
Wie gebannt ruhen seine dunklen sprechenden Augen auf der liebreizenden Erscheinung Sabrinas.
»Hast du erkannt, was ich spielte, Wolfhart?«, fragt Sabrina tief atmend.
Fürst Wolfhart lächelt. »Natürlich! Das Moor und die Heide.«
Sabrina nickt ernsthaft. »Du erkennst immer, was ich spiele«, sagt sie einfach. »Auch als ich noch ein Kind war, wusstest du immer ganz genau, was ich mit meiner Geige sagen wollte. Weißt du noch, wie ich einmal den Schneesturm in einer Melodie malte?«
»Ich weiß, Moorprinzesschen«, antwortet Fürst Wolfhart.
»Oder den Hagelschlag während eines Frühlingsgewitters. Erinnerst du dich noch daran, Wolfhart?«
»Ich habe nichts vergessen, Sabrina.«
Während dieser kurzen seligen Zeitspanne, da sich Fürst Wolfhart und Sabrina in dem dämmrigen Musikzimmer gegenüberstehen, ist alles wie früher, ist alles gut. Sabrina atmet tief auf und legt die Geige sanft in die violette Samthülle zurück.
»Warum tust du nichts gegen das Moor, Wolfhart?«, fragt sie dann. »Man müsste es bekämpfen, müsste fruchtbares Land schaffen, Kanäle ziehen und neues Leben in der trostlosen Öde erwecken. Du kannst das, Wolfhart, warum tust du es nicht?«
Während Sabrina noch spricht, hat sich Fürst Wolfharts Haltung unmerklich verändert. Seine Schultern sind jetzt gestrafft, seine Hände zu Fäusten geballt, und in die vorgewölbte Stirn wächst eine steile, unheilverkündende Falte.
»Lass das Moor ruhen!«, sagt er schroff und gebieterisch.
Erschrocken blickt Sabrina auf.
»Verzeih, Wolfhart! Ich wollte dich nicht verletzen. Der Gedanke kam mir nur, als ich über die Heide streifte und die Moorgrenze erreichte. Es ist böse, das Moor, finster, tückisch und drohend.«
Brüsk wendet sich Fürst Wolfhart ab, ohne Sabrina zu Ende sprechen zu lassen. Er kehrt durch die Halle in den Speisesaal zurück und berührt ungeduldig den silbernen Gong, mit dem er anzuzeigen pflegt, dass er die Mahlzeit wünscht.
Sofort kommt Fräulein Tabea angehastet und versichert eifrig: »Es ist alles bereit, Durchlaucht! Wenn Sie wünschen, kann sofort aufgetragen werden.«
Fürst Wolfhart nickt knapp zum Zeichen seiner Zustimmung, dann nimmt er an der Tafel Platz.
Es ist in Schloss Ravenhill eigentlich Sitte, dass Fräulein Tabea das Abendbrot gemeinsam mit dem Schlossherrn und Sabrina im Speisesaal einnimmt, aber heute hat Fürst Wolfhart die treue Hausbesorgerin nicht aufgefordert, ein Gedeck für sich aufzulegen. So sitzen sich Sabrina und Fürst Wolfhart wenig später allein an der festlich gedeckten Tafel gegenüber.
Schweigend nehmen sie die liebevoll bereitete Mahlzeit ein. Fürst Wolfhart richtet nicht ein einziges Mal das Wort an Sabrina, und diese wagt nicht, das Schweigen zu brechen.
Als abgetragen ist, verbeugt sich Fürst Wolfhart kurz und höflich vor Sabrina. Er erhebt sich und schreitet ihr voran zur Halle, aber Sabrina folgt ihm nur zögernd, denn sie fürchtet sich vor diesem gemeinsamen Abend, an dem Wolfhart doch seine Rückkehr mit ihr feiern will.
Der Schlossherr lässt sich in einem der tiefen Sessel am prasselnden Kaminfeuer nieder, öffnet die Champagnerflasche und schenkt ein. Dann erhebt er sich, ergreift sein Glas und sagt ernst:
»Du bist nun achtzehn Jahre alt geworden, Sabrina. Lass mich dir zu diesem bedeutungsvollen Tag Glück und Gottes Segen wünschen!«
Während eines Herzschlags Länge leuchtet in seinen Augen die alte, innige Zärtlichkeit auf, aber dann verschließt sich sein Blick wieder, und mit einem kühlen Lächeln trinkt er Sabrina zu.
Dann sitzen sie sich schweigend und fremd in den tiefen Sesseln gegenüber. Es ist sehr still. Nicht einmal eine Uhr tickt, nur das