Der Ohrfeige nach. Wiglaf Droste

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Der Ohrfeige nach - Wiglaf Droste

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den Nominativ und auch den Akkusativ, der erfreulich wenig mit den Akku-Schraubern gemein hat, den die »Ich-bin-ja-nicht-blöd!«-vulgo-»Yippieh-ja-ja!«-Sager als Kopfersatz bei sich tragen, wenn auch noch nicht als die Rollkoffer, die sie längst schon sind, daran arbeiten sie noch globalnational, also »arbeiten« in dem Sinn, den solche Leute oder ihre Presseabteilungen eben für Arbeit nicht nur ausgeben, sondern auch tatsächlich halten. Muss man auch erstmal können oder sogar, auch ein Wort für Solchemolche, »erlernen«.

      Dann gibt es noch den Flachwietiv, so hats der Medienprengel oder -sprengel ganz besonders gerne, und obendrauf oder auch untendrunter, ist in dem Fall tatsächlich so egal wie Jacke wie Hose, auch noch das Dativ und dem Genitiv, weil jemand damit Geld verdienen muss, dass deutsche Deutschlehrer über sowas lachen. Was die dann auch zuverlässig tun, denn alleine dazu sind sie da, selbstverständlich abgesehen von dem, was sie »Freizeitgestaltung« nennen, also Frau und Kinder, Singular ist Plural und sosowieso egal, öftermal ist öftermal.

      Zur reinen Freude existieren aber auch der Intuitiv, der Impulsiv und der Fakultativ, und alle drei in ihrer nicht vergleichlichen, mir am schönsten aufzuschimmern scheinenden Trias des Menschengeschlechts, wollen mir so wohl gefallen, dass ich sie weder dem allgemeinen, prostitutiven Wohlgefallen ausstellen noch einem beurteilenden Vergleich aussetzen möchte.

      Wenn ich jedoch, und sei es nur für einmal, dem Fakultativ den Vorzug gebe, dann allein aus Gründen des Klangs. Des Menschen, Medien fassungslos bestarrend, tiefster Fall, ist der dort wahr-, doch nicht im Sinne einer Wahrheit angenommene Fuckyou!-ltativ, und der ist selbstverständlich, ultima- und defini-, nein, delphinitiv, denn Greenpiv sitzt in jedem Ri-Ra-oder-sonstwie Reise-Rettungsboot, weswegen »delphinitiv« bleiben wird, wofür und zu wessen Werken und Zwecken auch immer.

      Post Scriptum: (nicht Post Skrotum, allein schon deshalb, weil allein der Klang des Wortes mich recht lange abzustoßen in der fürchterlichen Lage wäre):

      Nachdem ich neulich, oder wie Omma immer so schön sagte, »erstens« mit dem Wort »fakultativ« gespielt hatte, schrieb mir Freund und Kollege Friedrich Küppersbusch: »›Fakultativ‹ begegnete mir bei einer Recherche durchs bierfürzige Land der Burschenschaften. Wo jene, die noch Alter Herren Geld versoffen, doch schon dafür nicht mehr im Gesicht metzgern wollten, sich ›fakultativ schlagend‹ nannten im Gegensatz zur ehedem ›Pflichtmensur‹. Allerdings waren die Burschen, so oder so, allesamt dumm, Klaftertiv.« Womit der Klaftertiv als Fall in die deutsche Falle ja auch zauberhaft versenkt ist.

      »Burschen«, erinnerte ich mich, hatte ich vor gut 20 Jahren in einer Veranstaltung an der Uni in JenaoderErfurt erlebt, wo diese Müllwürfel wieder frei herumlaufen durften, weil alles, was in der DDR verboten war, ja nun nach dem großen Andersrumunddumm also gut sein musste.

      Die Burschen waren so fies, wie sie sich mutig Feigheit angetrunken hatten; Michael Stein und ich warfen sie zwei gegen fünf aus dem Saal, ohne Gewalt, nur mit der Macht des Wortes und der Klarheit, dieser Macht des Wortes auch ohne Worte zu ihrem Recht zu verhelfen, wenn das denn sein müsste, und so verzogen sich die kokardierten Möchtegernherrn der Welt, die uns oder unsere Texte, die sie allerdings als »Schrifttum« deutsch­denunziert hätten, zwar überhaupt nicht kannten oder, Schon mal die Birne!-birnemäßig, zur Kenntnis gar nicht hätten nehmen können, aber so allgemein wie hundsgemein »mal was gegen Linke« machen wollten, für die sie uns, und da lagen sie, obwohl sie davon, was das ist und will und meint und vielleicht werden könnte, nicht die geringste Ahnung hatten, ausnahmsweise einmal gar nicht völlig falsch.

      Sie waren übrigens allesamt selbstverständlich Akademiker, was, wie Geschichte lehrt, gegen das Niedrige noch nie geschützt hat, sondern im Gegenteil beim Niedrigen in dem steht, was das Niedrige dann »Ansehen« nennt.

      Ich dachte, in einem schlechten Kostümfilm zu sein und war es auch. Die Burschen, die sich als »echt« empfanden, waren echt, also »echt« im Sinne von »echt geil, Alter!« oder, elterngenerationsgespensterhaft noch eine Runde vorher drehend, »Echt authentisch, dieses Nein, Eleven!, und das Christo heißt jetzt Karstadt oder Reichs­tag!«, wegen dem oder, darauf legen wir, weil es ja um Werte geht, sehr Wert beziehungsweise »des Wertes«, was das Akademische für das »Milieu« beziehungsweise also ganz egal Mülljö hält, das es, klassisch, ist.

       Dankbar und demütig

      »Wir müssen dankbar und demütig sein«, sagt der Schauspieler. Er sitzt im Fernsehkasten, in der Talkshow, und macht Werbung für seinen neuen Film, der, wie könnte es anders sein, »eine große Herausforderung« war, »a challenge« eben, und gerade speziell mit diesem Regisseur – wie hieß er noch gleich? – »zu arbeiten«, war selbstverständlich »eine großartige Erfahrung«, aber na klar, was denn sonst.

      Als »reisender Artist«, wie der verehrte Dichter und Vortragskünstler Joachim Ringelnatz sich bezeichnete, hat man der Natur der Arbeit gemäß mit vielen Leuten zu tun; es hat sich aber eingebürgert, dass Schauspielerinnen und Schauspieler nach getaner Arbeit noch das betreiben, was der Brite kühl als »brown-nosing« bezeichnet, als das Kriechen aus Kalkül oder Neigung – oder, dann geht es am reibungslosesten, einer Mischung aus beidem. In entsprechenden Künstlerkreisen nennt man das Professionalität.

      Doch nicht nur vor Produzenten, Regisseuren und berühmteren Kolleginnen und Kollegen wird auf dem Bauch gelegen, auch das Publikum wird, um eine andere Phrase zu zitieren, »mit ins Boot geholt«, gern mittels der Behauptung »Wir müssen dankbar und demütig sein« – und zwar dafür, dass ein im Normalfall allzu duldsames Publikum angesichts der Darbietungsqualität nicht Reißaus nimmt, sondern gutmütig oder auch nur entkräftet ausharrt bis zum Ende.

      Selbstverständlich stände radebrechenden Kleiderständern wie beispielsweise Frau Ferres, Herrn Schweiger oder dem dauerschmunzelmuffenden Heinz-Rühmann-Wiedergänger Liefers echte Demut an; dass sie für ihr Simulantentum mit Geld, Ruhm und Bewunderung reich­lich versorgt werden, sollte sie tatsächlich dankbar und demütig stimmen.

      Aber wie es so ist im Gewerbe: Die beste Demut ist die öffentlich ausgestellte, die kostet nichts, und sonst hätte man ja auch nichts davon. Dabei gilt die alte Regel: Was die Leute vorne ins Schaufenster legen, das haben sie hinten nicht am Lager.

      Es ist eben so, wie der jüdisch-texanische Schriftsteller und Musiker Kinky Friedman in seinem ersten Kriminalroman »Greenwich Killing Time« schrieb: »Im Schauspielergewerbe ist Ehrlichkeit das Allerwichtigste. Wenn man die heucheln konnte, dann konnte man auch fast alles andere.« Also auch dankbar und demütig sein, zum guten Zweck der Selbstreklame.

       Was mit der Sprache passiert, wenn aus Leipzig »Hypezig« wird

      Leipzig heißt jetzt »Hypezig«. Das vermeldete zumindest die Gruner & Jahr-Illustrierte stern im Herbst 2013 und fand das, völlig unabhängig vom Wahrheitsgehalt, ganz toll.

      »Hype Hype Hurra« lautet die Überschrift eines stern-Kommentars, der »Massenbegeisterung als Grund zur Freude« feiert und diese zweifelhafte Weltsicht auch der Stadt Leipzig an- und umhängen möchte. »Ist es nicht schön, dass Deutschland endlich auf eine Stadt im Osten guckt, die nicht Berlin ist – 24 Jahre nach der Wende? Auf ihre Geschichte, die Kunst, die Kneipenkultur, die Musik und Modeszene. Der Hype weist den Weg«, schreibt die stern-Autorin.

      Abgesehen davon, dass die Formulierung »Wende« durchaus zum Arsenal des Propagandavokabulars gezählt und durch »das große Andersrum« oder durch »Annexion« ersetzt werden könnte, ist ein Satz wie »Der Hype weist den Weg« nicht nur peinlich wegweiserfixiert, sondern vor allem Ausdruck einer trostlosen Affirmation des Vorgefundenen. Was einem von der Werbung als großartig um die Sinne gehauen wird, muss großartig sein und ist also auch großartig, schließlich gibt

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