Der Ohrfeige nach. Wiglaf Droste

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Der Ohrfeige nach - Wiglaf Droste

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treibt die Unterstellung einer böswilligen Absicht jedoch auf die Spitze.«

      Unterzeichnet wurde der hanswurstdesgutenartige Schwall mit der Formulierung »Sprachkritische Aktion UNWORT DES JAHRES«; sowas muss man ja auch erstmal können.

      Gesellschaft ist die Gesellschaft, in der man lebt, die man sich nicht ausgesucht hat, die man aber denkend, fühlend, handelnd schafft. Ich ziehe beispielsweise rumänische Akkordeonisten von exquisiter und jedes Klischee im äußersten Maß übererfüllender Öligkeit jedem Trottel und jeder Trottelin vor, die als unmusikalische Deutsche durchs Land trampeln oder, alteregoistisch, sich als Unwortdesjahresbessermenschen aufmandeln.

       Aus bester Familie

      Nach einem feinen Abendessen mit der schönen Nachbarin ging ich spät halbzwölf noch in meine Leipziger Lieblingsbar, wo ich den Logenfürsten Klaus und den Radiokollegen Remus traf. Bei ihnen am Tisch saßen auch zwei völlig betrunkene Endzwanziger, der Mann still besoffen, die Frau schwer aufgedreht: »Ich komme aus allerbester Familie«, heulbojte sie durchs Lokal, dann nannte sie einen Adelsnamen, der mir nichts sagte, aber das kann gut an mir liegen. »Wir sind die erste Familie in Heidelberg!«, krakeelte sie, eine Bohnenstange von zirka 1 Meter 85 ohne Busen und ohne Po, ein langer Strich mit kurzen Haaren und verzerrtem Gesicht, und dann schrie sie: »Mein Bruder ist drogenabhängig. Er lebt auf der Straße.«

      Der Mann sagte die ganze Zeit kein Wort, sie jaulte: »Mein Mann kennt dich. Er war bei einer Lesung. Er hat deine Bücher. Er liebt dich. Unterhalte dich gefällige mit ihm!«, fuhr sie mich an, ihm war das entsetzlich peinlich, er vergrub sein Gesicht in den Händen, sie bestellte sich einen dreifachen Tequila, es musste ihr fünfter oder sechs­ter sein, kippte ihn runter und schrie wieder: »Mein Bruder ist drogenabhängig.«

      Ich, ruhig und nüchtern, sagte milde: »Das kommt in den besten Familien vor. Mein Bruder war auch drogenabhängig. Und wir sind keine beste Familie.« Sie schrie wieder: »Ich bin aus bester Familie!« Ich antwortete freundlich: »Ach deswegen benimmst du dich so seltsam.«

      »Tanz mit mir!«, schrie sie mich an und riss an meinen Schultern. Ich blieb die Ruhe selbst und sagte lächelnd: »Nein, ich möchte mich mit meinen Freunden unterhalten.« Sie ballte die Fäuste und hieb auf mich ein, auf Oberarme und Rumpf, einige Schläge waren richtig hart, aber ich tat, als bemerke ich es gar nicht und fragte Remus: »Hast du mehr so nette Bekannte?« Er sagte: »Ich kenne die überhaupt nicht. Die haben sich einfach zu uns an den Tisch gesetzt.« Klaus, ein in sich ruhender süddeutscher Genießertyp, verdrehte die Augen. »Die nervt entsetzlich«, sagte er sachlich, aber mitgenommen. Sie prügelte weiter auf mich ein, »Tanz mit mir!« krakeelend, ich ignorierte sie und dachte: Das gibt blaue Fle­cken morgen.

      Der Mann streckte sich zum Schlafen auf der Sitzbank aus. Da schritt endlich der Kellner ein, der schon länger Scheibenwischerbewegungen mit der Hand gemacht hatte. »Nicht schlafen«, sagte er und fasste den Mann sacht bei der Schulter, und eine Viertelstunde später war das Paar unter umständlichstem Herumeiern endlich weg, nicht ohne mich noch weiter geschlagen (sie) und zum Tafelspitz eingeladen zu haben (er). Sie sind nämlich Nachbarn und wohnen XY-Strasse neun, ich wohne in der elf.

      Warum ich denn so duldsam gewesen sei, fragten mich Remus und Klaus, und ich sagte, dass man zu kleinen Kindern immer freundlich sein müsse, klar und deutlich, aber eben freundlich. Dann tranken wir endlich in Ruhe ein Glas Rouge, und ich zündete mir eine schöne Kubanische an, die ich mir hart verdient hatte. Später ging ich nicht nach Hause, sondern bewegte mich vielmehr schreitend heimwärts; schließlich war ich Mahatma Gandhi, in der etwas kräftiger gebauten Version.

       Die Toilettenpapier-Verschwörung

      Als ich eine Zehn-Rollen-Packung Toilettenpapier kaufte – »Solo Luxus, 4 federweiche Lagen, Maxi-Komfort auf beiden Seiten, mit modernster Zwei-Seiten-Qualität« –, fiel mir ein Kollege ein, der unter Toilettenpapier-Ein­kauf-Phobie litt, das heißt genauer, kaufen konnte er das Klopapier schon, nur eben nicht am hellichten Tag nach Hause tragen.

      Einmal hatten wir, einer gemeinsamen Arbeit wegen, für ein langes Wochenende zusammen eingekauft, und ich hatte auch eine Sechser- oder Achter-Packung Toilettenpapier aufs Band an der Kasse gelegt. Der Kollege sah mich ganz seltsam an, wurde rot, und nachdem wir gezahlt hatten, sagte er leise, während er mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die Klopapierpackung zeigte: »Ich kann das nicht nehmen. Ich bin darauf nicht vorbereitet.«

      Ich verstand nicht, und er erklärte mir sichtlich peinlich berührt, dass er es grauenhaft finde, in der Öffentlichkeit mit einer Großpackung Toilettenpapier in der Hand oder unterm Arm angetroffen und gesehen zu werden. Was denn dabei sei, fragte ich ihn, das sei doch selbstverständlich, jeder Mensch benutze Toilettenpapier und führe es seiner Bestimmung zu, daran sei doch nichts peinlich, im Gegenteil, erst ohne Toilettenpapier werde es richtig blöd.

      Ja, gab er gequält zu, theoretisch sei das alles richtig, aber in der Praxis sei es doch so, dass er, sobald er mit einer für jedermann sichtbaren Klopapierpackung herumlaufe, von allen Seiten angestarrt werde. Die Betrachter würden sich ihn dann auf der Toilette sitzend vorstellen, mit heruntergelassenen Hosen, vorgebeugt und gekrümmt, das sei schrecklich und das ertrage er nicht, da breche bei ihm der pure Angstschweiß aus, und deshalb habe er für den Fall des leider nun einmal unabweisbar notwendigen Toilettenpapiereinkaufs eine besonders gro­ße und blickdichte Tasche, in die er die einzelnen Rollen, die er aus der Großpackung herausnehme, verstaue und die er dann als freier, von keiner Phantasie gepeinigter Mann zu seiner Wohnung trage. Er sagte tatsächlich: »blickdicht«, also quasi »Blinklicht«, nur eben genau umgekehrt.

      Ich bezweifelte, dass irgendjemand ihn jemals angestarrt hatte, nur weil er Toilettenpapier mit sich führte, wusste aber auch, dass jede Diskussion zwecklos war. Wenn jemand eine manifeste Meise hat, kann man die nicht einfach wegsprechen. Man muss sie frei fliegen lassen.

      Wie überaus erleichternd, dachte ich, mich mit einer solchen Toilettenpapiernachhausetrageangst nicht belas­tet zu sehen, nahm meine Zehnerpackung »Luxus« in die Hand und sann vergnügt spazierend noch ein wenig darüber nach, wie ich mir die Sache mit dem »Maxi-Kom­fort auf beiden Seiten« beziehungsweise der »modernsten Zwei-Seiten-Qualität« ganz genau vorzustellen hätte.

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