Sprichst du noch, oder kommunizierst du schon?. Wiglaf Droste

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Sprichst du noch, oder kommunizierst du schon? - Wiglaf Droste

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verstehen?

      Die »Ritter Sport«-Schokolade enthielt dann auch noch eine »Joghurt-Füllung«, bei der es sich aber ebenfalls um ein Produkt der Firma »Nivea« handeln könnte: nicht nur für, sondern auch zum Fressen. Nivea Visage, am Age, am Age.

      »Es wird mir ... o Gott!«

      Wie Guido Westerwelle sich um Restkopf und Kragen spricht

      Wenn man Guido Westerwelle sprechen hört und sieht, möchte man immer gleich die Eltern sprechen. Meine Güte, was für Unfähige haben denn den zusammenerzogen? Soviel psychische Derangiertheit, soviel Zwanghaftigkeit, soviel neurotische Rechthaberei, soviel armseliges Fäustchenballen, soviel Simulanz auf einem einzigen Haufen Elend. Was ist da alles schiefgegangen!

      Westerwelle leidet, wie nicht wenige Deutsche, am Scharping-Syndrom: Er hält sich für schnell, gewitzt und charismatisch, und alle anderen müssen das ausbaden. Zurecht gestraft sind damit die Parteigänger und die Wähler der FDP; der Rest der Öffentlichkeit muss aber bitte mit solch traurigen Folgen unterlassener Hilfestellung nicht andauernd konfrontiert werden.

      Dennoch übertrug ntv im Livestream den als »Schicksalsrede« angekündigten Auftritt Guido Westerwelles am Dreikönigstag 2011. Sehr überzeugend kann Guido Westerwelle »Meine Damenundherren« sagen. Das Selbstlob »Die Richtung stimmt, der Anfang ist gemacht« gefällt ihm so gut, dass er es gleich mehrmals sagt, ansonsten spricht er über sich und seine große Bedeutung: »Da habe ich gesagt: ›Das geht so nicht.‹« Oder, noch stolzer auf sich selbst: »Ich habe eine Fernsehdiskussion gehabt.« Das ist natürlich eine dolle Sache, die allen Respekt verdient vor einem Mann, der sich nicht einmal im populären Amt des deutschen Außenministers Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten weiß.

      Auf Autopilot peitscht Westerwelle mit auf Verve getrimmter Stimme herunter, was er gelernt hat: »liberales Immunsystem«, »die Entlastung des Mittelstandes«, »Balance zwischen Staat und Gesellschaft«, »aktive Toleranz« und immer »meine Danmenundherren«. Bemerkenswert sind allein die Routine und die Selbstverständlichkeit, mit der solche Figuren und die ihnen assoziierten Medien anderer Leute Lebenszeit zerschreddern; es liegt daran, dass ihre Lebenszeit genau daraus und aus nichts anderem besteht.

      Einmal wird es doch ein bisschen interessant – als ntv die Meldung einblendet: »Merkel mit dioxinverseuchtem Futter gemästet«. Das erklärt einiges, substantiell wie optisch, aber dann steht bei genauem Hinsehen »Ferkel« da. »Wachstumsbeschleunigungsgesetz« sagt Westerwelle noch, auf der Tonspur läuft Danny Dziuks gleichnamiges Lied: »...der Markt wird’s schon richten / und tut er das mitnichten / dann hamwer dafür ja jetz /das Wachstumsbeschleunigungsgesetz // Rettungspakete schnüren / Regenschirme aufspannen / Vertrauensvorschuss leisten / Zeitfenster einrichten / das besser kommunizieren...« Hier hakt sich Westerwelle wieder ein: Er will »die Erfolge vertreten«, für die er aber doch so »beschimpft und attackiert« worden ist, schluchzbuhu.

      Sogar eine soziale Ader hat Westerwelle sich legen lassen, eine Pipeline des Mitgefühls: »Wenn einer sein Leben lang gearbeitet hat«, tremoliert er, »und dann trifft ihn der Schicksalsschlag der Arbeitslosigkeit...« Es erklingt die Schicksalsmelodie, obwohl es doch exakt um die Kräfte des frei genannten Marktes geht, die Westerwelle stets beschwört.

      Als ein Gegner von »Stuttgart 21« etwas dazwischenruft, bekommt er von Westerwelle folgenden Bescheid: »Es ist Ihr gutes Recht, zu demonstrieren.« Westerwelle sagt das, als sei dieses Recht davon abhängig, dass Er, Westerwelle, es gewährt. »Es ist aber auch Ihre Pflicht, den Rechtsstaat zu respektieren.« Tonfall: Was das ist, Rechtsstaat, das definiere selbstverständlich Ich, Westerwelle. Der mit gratismutiger Blasiertheit fortfährt: »Die Sitzblockade ist in Deutschland nicht die letzte Instanz.« Da lacht das FDP-Publikum. Die Regeln der Demokratie genannten Simulation bestimmen Juristen wie Westerwelle, und genau das merkt man der Demokratie auch an, daran geht sie zugrunde.

      Kurz kommt Westerwelle auch auf Thilo Sarazzin zu sprechen, weicht vom Manuskript ab, begibt sich aufs Glatteis der freien Rede und stöhnt: »Es wird mir ... o Gott!« Ein Abgrund tut sich auf, aber sogar der weigert sich, Westerwelle zu verschlingen.

      Nach einer schmelzkäsezähen Stunde kommt Westerwelle zum Schluss und beschwört »die Freiheit zur Verantwortung«. Wenn Guido Westerwelle nur eine Ahnung davon hätte, was das ist, er träte für immer von jedem öffentlichen Amt zurück. Oder täte, was die alte Schule dem Versager gebietet, der mit seiner Selbstüberschätzung und seiner Kläglichkeit konfrontiert wird.

      Möllemann / flog voran / Nimm auch du, Westerwelle / ja nimm, Guido, diese Schwelle / Nimm sie aber nicht allein / Sondern pack’ auch dein’ Verein / deine FDP mit ein.

      Wer das gewählt hat, soll auch darin umkommen.

      Veteranenstadel

      Das Märchen »Des Teufels rußiger Bruder« der Brüder Grimm erzählt von einem »abgedankten Soldaten«, der sich beim Teufel verdingt und in der Hölle die Kessel versorgt, in denen er seinen alten Unteroffizier, seinen Fähnrich und einen General entdeckt, woraufhin er das Feuer noch kräftiger schürt.

      So könnte es auf dem »Veteranentag« zugehen, dessen Einführung der deutsche Soldatenminister Thomas de Maizière im Februar 2012 anregte. Der Reserveoffizier de Maizière säße dann mit im Schmortopf und könnte von diesem gut geheizten Platz aus seine Ideen zur Militärfolklore ventilieren: wie wichtig und »überfällig« es doch sei, einmal jährlich Lobreden auf ausgemusterte Krieger zu halten.

      Stimmt das? Nö. Ein »Veteranentag« für deutsche Soldaten ist so plausibel wie die Stiftung eines »Landser«-Literaturpreises. Ähnlich einleuchtend war auch de Maizières erste Terminvorstellung: der 14. November sollte es sein, jener Volkstrauertag, der unter den Nationalsozialisten als »Heldengedenktag« begangen wurde. Dem Bundeswehrbeauftragten Hellmut Königshaus von der FDP wiederum gefiel der »Veteranentag«, nur das Datum passte ihm nicht; er präferiert den Todestag dreier deutscher Soldaten in Afghanistan am 2. April 2010 und schlug einen Veteranentagstermin »in der Karwoche« vor.

      Das ist die Klatsche, mit der man zwei Fliegenschwärme auf einmal kriegt: die Passionsprozession und die Militärparade. Christliche Milizen vereinigen sich mit regulären Truppen, die von der Kanzel den Segen bekommen: Wenn einer Zivilisten bombardieren lässt, dann hat er das fürs Vaterland getan und aber auch für Gott. Erst die Kombination von Glauben und Gehorsam erzeugt jene Sorte Orientierung, die für reibungsloses Funktionieren unverzichtbar ist.

      Zwar tut es der Soldat ja auch simpel für Geld, aber wenn man ihm einen Klimbim von Ehre und Treue einreden kann, fühlt er sich besser und hält womöglich auch länger durch. Mit einem höheren Auftrag und einem tieferen Sinn versehen geht das Soldatenhandwerk einfach leichter von der Hand. Religion und Nationalismus sind gern genommene Gratiswährungen, und so hülfe ein »Veteranentag«, die Reputation zu mehren und gleichzeitig die Kosten zu senken.

      Wie praktisch, möchte man sagen. Auch die Außen- und Werbewirkung eines »Veteranentages« soll man nicht unterschätzen. Begeisterte Kinder erlernen unter Anleitung durch erfahrene Reservisten, wie man sich stundenlang langweilt; besonders beliebt sind Crashkurse in Stumpfsinn. Auch Uniformfetischisten jederlei Geschlechts kommen auf ihre Kosten.

      Ein ranghoher Veteran beantwortet Fragen aus dem Publikum: »Wie fühlt sich freundliches Feuer an? Anders als feindliches?« – »Die Hauptsache ist doch, dass es wärmt, oder?« – »Bekomme ich als Zeitsoldat in Afghanistan einen Auslandszuschlag?« – »Selbstverständlich.« – »Meine Frau auch?« – »Ja, Ihre Witwe auch.«

      Für diese Antworten wird er später degradiert und entlassen. Denn ein »Veteranentag« ist eine todernste Sache.

      Конец

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