Messerwetzen im Team Shakespeare. Ulrich Land

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Messerwetzen im Team Shakespeare - Ulrich Land Mord und Nachschlag

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mein, sicher, der Vogel hatte sich mächtig vergeigt, hatte mit seiner Quatscherei fast unser ganzes Projekt aufs Schafott getragen. Aber wir haben ihn trotzdem nicht rausgeschmissen. Im Gegenteil: haben ihn aufgefangen, als er einen Depri nach dem andern schob. Jedenfalls: Kyd ist und bleibt mit von der Partie. Basta.

      Kyd nahm sich ein Herz und beugte sich so weit aus seinem Zufluchtsort in diesem unseligen Flur, dass er durch die offen stehende Tür aufs Bett sehen konnte. »Christopher – Chris! – Weg da!« Er schob die bleiern dastehende Wirtin unsanft zur Seite und war mit drei Schritten bei Marlowe, der mit dem Gesicht ins Kissen gepresst, reglos dalag. »So helft mir doch!«, schrie er die untätigen Ölgötzen um sich herum an. Aber die – keine Regung! Keiner. Nicht die kleinste. Also drehte Kyd Marlowe kurzerhand allein auf den Rücken, um … und prompt kam der leblose Leib ins Rutschen.

      Da war Helen endlich auch zur Stelle, griff Marlowe und Kyd unter die Arme und raunzte die fassungslose Housemaid an: »Haltet nicht Maulaffen feil, packt mit an!«

      Wäre eh zu spät gekommen. Marlowe, nicht sonderlich lebendig, war schon im Rutschen begriffen und stürzte ab wie ’ne infizierte Festplatte.

      Die alte Hausbedienstete verharrte ebenso in Regungslosigkeit wie ihre Chefin, die sich krampfhaft am Türpfosten festhielt. Kyd und Helen schafften es trotzdem. Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, den eigenartig schweren Marlowe wieder aufs Bett zu hieven. Kyd versagte die Stimme – während die Housemaid die wohlgeformten, aber alles andere als stabil über die Lippen gebrachten Worte »Da tut sich nichts mehr, mausetot; Blut mit Bier, schäumt schön« auswarf.

      Hinter Kyds Stirn baute sich einer von Marlowes ergreifendsten Versen auf: »Bräch doch mein Blut hervor, statt Tränen!« Noch während er diese Worte vor sich hin stammelte, stießen Kyds Tränenkanäle sämtliche Schleusentore auf.

      Na ja gut, kommt Ihnen vielleicht ein bisschen merkwürdig vor, aber es war eben eine Zeit, in der Männertränen durchaus gern gesehn waren. Einerseits rauer, die Zeiten, als heutzutage; andererseits, ich sag mal: anfällig für Gefühle. Und, klar, für Gefühlsduselei. Was ich an dieser Stelle für mich selbst jedoch ausdrücklich ausschließen möchte.

      Die Wirtin fühlte sich durch den Marlowe-Vers augenscheinlich bemüßigt, ihrerseits noch einen höchst wesentlichen Sermon abzusondern: »Läuft das Blut ja nur so raus! Das gute Bett, der gehört raus da, runter da, soll er in Gottes Namen auf den Boden bluten. Aber doch nicht ins Bett, will sich doch nie wieder einer reinlegen!«

      »Mein Gott, wisst Ihr nicht, wem Ihr da … «

      »Chris! Chris«, heulte es aus Kyd heraus, während Helen ihren Satz unbeirrt fortsetzte: »… wisst Ihr nicht, wem Ihr da mit diesem speckigen Bett die letzte Ruhestätte stellt: Christopher Marlowe!«

      »Und wenn’s King Henry höchstpersönlich selbst wär, der nach ’nem halben Jahrhundert zurückkehrt, um sich hier noch einmal zum letzten Schlaf zu betten«, setzte Witwe Bull an, um schließlich über ihre eigene Zunge zu stolpern: »Was sagt Ihr? Marlowe? Dieser Dichter? Das ist nicht Euer Ernst.«

      Kyd wimmerte ein weiteres »Chris«, und die Zimmerfrau murmelte in ihre strähnig herabhängenden Locken: »Und der übelst stinkende Deibel ist mitsamt seinen Spießgesellen auf und davon.«

      »Stirb, Leben, flieh, Seele, Zunge, fluche, und stirb!«, purzelte Kyd ein weiterer Vers über die Lippen, wovon Helen sich zu einer Kurzlaudatio verleiten ließ: »Alles, was recht ist, dichten konnte er! Göttlich, einfach göttlich.«

      »An vorderster Stelle in der Gunst der Königin selbst und des gemeinen Volkes gleichermaßen«, pflichtete Kyd ihr bei. »Und Ihr«, blaffte er die Wirtin an, »Ihr beflennt die geweihte Blutlache auf dieser Pritsche!«

      »Ja, Satan, wollt ihr denn gar nicht wissen, wo dieser Halunke hin ist, der hier so flink die Klinge geführt hat?«, schüttelte die Housemaid ihren grauweißen Spitzkopf und enthob ihre Chefin so der Notwendigkeit, eine wenigstens halbgare Erwiderung auf Kyds Anwurf zu ersinnen. Alles verstummte. Nur die Alte mit dem Tablett in der Hand lallte eine Art Antwort auf ihre eigene Frage: »Porca miseria! Ich brauch nur was zu trinken, dann fällt mir’s gewisslich wieder ein.«

      »Frau Wirtin, jetzt gebt der guten Frau, wonach sie verlangt«, war Helen zur Stelle.

      »Und wer bezahlt mir das? Bin ich nicht schon um die Zeche von den vier Turbelhähnen hier gebracht; wovon nur noch einer da ist, und der hat ausgeschnauft! Viermal Dinner, viermal Supper, und zu Saufen nicht zu knapp.«

      »Gebt uns ein halbes Dutzend Kannen Bier und lasst euch aufhängen!« Jetzt war es Helen, die ein Marlowe-Zitat an die Luft setzte.

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      »Ich hab deinem dreimal verfluchten …« – Ohrfeige – »… Vater gesagt, er soll die Klepper …« – Ohrfeige – »… soll die Klepper angespannt lassen! …« – Ohrfeige – »… Und der, dämlich wie ’n Haufen Rattengekröse, was macht der?« – Ohrfeige.

      »Er hat bloß«, der Knirps stand zitternd in der Tür und hielt sich mit beiden Händen das aufgequollene Gesicht, »hat bloß ans Wohl der Pferde Unserer Majestät The Maiden Queen gedacht und … «

      Ohrfeige – »Der hat nichts zu denken. Und nimm die Hände runter, sonst setzt’s noch eine Portion Maulschellen extra! Du bleibst also dabei, dass dein hochgescheiter Herr Papa jetzt zu allem Überfluss am Biertisch hockt?«

      »Ist wohl so, muss wohl.«

      »Und weiß ganz genau, der Hundsfott, dass ich ihn da vor aller Öffentlichkeit nicht rauszerren kann. Also … also musst du jetzt ran!«

      »Sehr wohl, der Herr, sehr wohl.«

      Ohrfeige – »Quatsch nicht. Lass die Hufe traben!«

      »Ich werf mir nur eben die Jacke übern Schlafanzug.«

      Ohrfeige – »Das Einzige, was du wirfst, sind deine Füße, und zwar hopplahopp!«

      »Aber Herr Walsingham, ich darf nur raus mit … «

      Die nächste Ohrfeige traf den elfjährigen Sohn des Pferdeknechts mitten auf den Mund. Er brachte kein Wort mehr über die aufgeplatzten Lippen, traute sich nicht mal mehr, die herabgeronnenen Tränen von der Oberlippe zu lecken, stolperte, so schnell ihn seine kurzen Beine trugen, die Stiege runter in den Stall und machte sich an Zaumzeug und Zuggurten, an Kammdeckeln und Deichselketten zu schaffen. Die Spitzkummete waren fast schwerer als er selbst, und um sie über die Köpfe der Gäule zu legen, musste er auf ein schwankendes Konstrukt aus zwei übereinandergestellten Stallschemeln steigen. Aber die zu brennend roten Wülsten aufgeworfene Haut seines Gesichts gab ihm unmissverständlich zu verstehen, was er alles zu bewerkstelligen imstande war.

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      Helens »halbes Dutzend Kannen Bier «-Zitat ging völlig unter im Gerumpel der jetzt scharenweise aus der Gaststube treppaufwärts strömenden Leute, denen die Aussicht auf eine turbulente Aufwertung des Kneipenabends ganze Schwärme funkelnder Sterne in die Pupillen gezaubert hatte. Eine ausgesprochen schillernde Gesellschaft, die sich eben anschickte, Treppenhaus und Flur zu bevölkern. Ein Sammelsurium aus den üblichen Trunkenbolden mit entsprechend abgehalfterter, um die Schultern schlackernder Kledage, aus etwas besser gekleideten, allerdings ein strenges Reiseschweiß-Odeur verströmenden Fahrensleuten, die drüben in den Stallungen ihre Rösser über die Nacht brachten, aus aufgekratzten Weibsbildern mit Reibeisenstimme und aus einer Handvoll versprengter Deptforder Bürgersleute, die weiß der

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