German Cop. Dieter Jandt
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»No problem, brother.« Wagner schlug Nuan aufgeräumt auf die Schulter.
Johann mischte sich ein: »Ich weiß zwar nicht genau, worum es bei euch geht, aber um sicher zu sein, musst du ihm was bieten, irgendwas.«
»Habe ich doch. Whiskey ohne Ende.«
»Sowas hilft nicht, nicht wirklich. Das ist nur als Appetizer zu betrachten. Komm, ich zeig’s dir. Kjep taang!«, rief er der Kellnerin zu. »No problem, Mister, we only change the place.«
Johann und Wagner teilten sich die Rechnung. Sie nahmen Nuan in die Mitte, der immerhin noch geradeaus gehen konnte, und Johann führte über die Staße auf die lange Reihe der Massagesalons zu. Weiter hinten prangte ein grünes Kreuz über blinkenden Neonlampen. Es war mittlerweile dunkel geworden. Vor dem Etablissement hockten fünf Frauen in weißen, engen Röcken auf Plastikstühlen. »Yes Mister. Come here, please. I will be your nurse!«
Johann steuerte zielsicher auf die Frauen zu.
»Nee, ne?« Wagner schüttelte den Kopf und blieb stehen.
»Doch«, beharrte Johann. Nuan lachte hässlich, und die Frauen wurden wieder mutiger, nachdem sie kurz gezögert hatten, weil sie nicht wussten, ob Nuan in seiner Uniform in Amtshandlungen begriffen oder rein privat unterwegs war. Eine der Frauen hatte ihren Daumen in den Mund gesteckt und schob ihn rhythmisch hin und her.
»Gib mal tausend Baht. Komm. 25 Euro und du tust deinem neuen Freund einen Gefallen und hast bei ihm für eine Weile einen Stein im Brett.«
Wagner zögerte, stattdessen fingerte Johann eine 1000-Baht-Note aus der Tasche und gab sie der Frau. Er zeigte mit dem Daumen auf Nuan und schob ihn auf die Stufen.
»Tham arai waan hai nit noi.« Thailändisch konnte der also auch, stellte Wagner fest und fühlte sich schmutzig. Nuan verschwand albern gackernd mit der Fau hinter das dunkel getönte Glas der Eingangstür.
»So, der ist versorgt«, meinte Johann, während die anderen vier Frauen nun Wagner anbaggerten.
»Nee, ne?«
»Up to you.« Johann zuckte mit den Schultern. »Ich warte drüben im Pub auf dich.«
»Nix da!«, rief Wagner, während eine der Frauen ihn an der Hand die Stufen hinaufzuziehen begann.
»Oh no, nono!« Wagner machte sich eilig los.
»Pen khon khii ai noi«, erklärte Johann. Die Frauen lachten und riefen Wagner hinterher, der bereits die Straße überquert hatte.
»Was hast du ihnen gesagt?«
»Dass du ein bisschen schüchtern bist«, antwortete Johann, der ihn eingeholt hatte. »Lass mal die 1000 Baht rüberwachsen. Das ist ja schließlich dein Freund. Eigentlich haben die Frauen das nicht so gern, mit Polizisten, weil die sich das ab und zu umsonst holen. Als potentielle Beschützer. Gibt ja immer wieder Farang, die ausrasten. Mann, ich glaube, du hast mir ein bisschen was zu erzählen. Diese Nok und der Bulle da und du, was ist mit euch? Sollen wir noch ein Bier?«
7.
Wagner versuchte ein Nickerchen. Das Schaukeln des Busses hatte ihn müde gemacht, aber zu mehr als dösen reichte es nicht. Die gewagten Überholmanöver des Fahrers ließen keinen Schlaf zu. Der Mann machte vor allem in den Kurven vom Recht des Stärkeren gegenüber den vielen Pickups Gebrauch. Am liebsten wäre Wagner mit dem Zug gefahren, das schien ihm sicherer, aber es gab keine Eisenbahnlinie in den hohen Norden. Also keine entspannte Nachtreise, zumal wieder eine kitschig-bunte Show aus einem Monitor über den Fahrgästen lärmte.
Neben Wagner hatte Johann es sich auf dem weichen, mit Velours bezogenen Sitz gemütlich gemacht. Es war ein so genannter VIP-Bus für etwas mehr als 1000 Baht. Das war immerhin eine Reise über fast 900 Kilometer. Johann hatte das linke Bein in den Gang zwischen den Sitzreihen ausgestreckt und blätterte in einer älteren Ausgabe der Bangkok Post, die in der Wartehalle des Busbahnhofes Mo Chit auf einem der Plastikstühle gelegen hatte. Wagner musste gelegentlich den Kopf ein wenig zur Seite nehmen, wenn Johann eine neue Seite aufschlug. Er war aber froh, dessen Mitteilungsdrang für eine Weile nicht ausgeliefert zu sein.
Johann war Frührentner, nachdem er sich als Postbote jahrzehntelang die Hacken krumm gelaufen hatte, und verbrachte seitdem die Monate zwischen September und März in Bangkok. Dort hatte er sich ein kleines Appartment zugelegt. Das Haus, das er seinerzeit in Nong Khai, einer Stadt im Nordosten des Landes, mit seiner Frau gebaut hatte, konnte er seit der Trennung abhaken. Das Grundstück war auf sie ausgeschrieben. Für Farang war es nicht möglich, in Thailand Land zu erwerben. Und egal, ob da nun eine Hütte oder ein großes Haus stand, Eigentümer war derjenige, dem das Grundstück gehörte, außer man hatte notariell eine Regelung gefunden, nach der explizit dem Farang das Haus gehörte. Johann hatte da anscheinend seinerzeit etwas fahrlässig gehandelt, womit er nicht der Einzige war. Es gab vermutlich Zigtausende von Farang, die ihre Lebensträume in irgendeinen Winkel des Landes versetzt hatten, um sich später in einer engen, überteuerten Wohnung wiederzufinden, wenn sie nicht ohnehin von Thailand die Nase voll hatten. Mit lauter solchen Geschichten hatte Johann gestern Abend auf Wagner eingeredet, der sich immer wieder genötigt sah, den Satz »Ja, aber die Nok, die ist nicht so« einzuflechten, nachdem er zuvor Johann über seine Absichten in Thailand aufgeklärt hatte, im Groben zumindest. Dennoch: Irgendwie wurde Wagner allmählich klar, dass Johann der Richtige war, Klischees abzuräumen, in diesem Land des Lächelns, den tiefgläubigen Menschen und ihrer bedauernswerten Lage in der Dritten Welt, wie es nicht zuletzt auch der Reiseführer vermittelte. Gleichzeitig spürte Wagner, dass es verdammt noch mal nicht leicht sein würde, andauernd dieser Versuchung weiblicher Reize zu widerstehen. Er beschloss, es dennoch zu tun. Er tat es für Nok.
»Scheiße!«, entfuhr es Johann, als der Bus geschmeidig eine Rechtskurve nahm. »Sag mal, bist du bekloppt? Das bist du doch«, schnauzte er und tippte mit dem Zeigefinger auf ein Foto der Seite vier. »Was hast du mir denn da für einen Mist erzählt? Nette Bekannte, mit der du ein paar kleinere Missverständnisse aus dem Weg räumen willst. Geht’s noch? Überredet mich mitzukommen, damit ich ihm mit meiner Erfahrung erst mal weiterhelfe. Du kannst froh sein, dass es gerade dunkel wird und niemand deine komische Visage erkennt.«
»Du wolltest doch unbedingt mit! Weil du nichts Besseres zu tun hast. Weil du schon länger nicht mehr da warst in – wie heißt der Ort?«
»Mae Sai!« Johann schrie fast, nicht nur, weil der Fernseher immer noch lärmte. »Weißt du überhaupt, dass es hinter Chiang Rai morgen früh mindestens zwei Kontrollen der Armee und der Polizei geben wird? Meine Fresse, hast du ein Gemüt! Ist in einen Mord und was nicht alles verwickelt und lässt sich hier im Land herumkutschieren. Und ich? Eh, ich steig aus. In Ayutthaya ist für mich Ende. Halbe Stunde noch.«
Johann nahm sein Bein aus dem Gang, setzte sich aufrecht und drückte energisch mit den Knien gegen den Vordersitz. Wagner versuchte zu deeskalieren. »Nun mach doch mal langsam. Und schrei nicht so. Tu vor allen Dingen die Zeitung weg. Wenn das einer sieht! Ich erkläre dir ja alles.«
»Ja, so wie gestern, was? Deine Nok, die nicht so ist wie alle anderen! Meine Frau hat immerhin niemanden erschossen! Ist doch auch was, oder?«
Johann knüllte die Bangkok Post zusammen und stopfte sie in das kleine Gepäcknetz vor ihm. Eine Viertelstunde später war er immerhin so weit beruhigt, dass er nicht in Ayutthaya, der ehemaligen Königsstadt hundert Kilometer nördlich von Bankgok, aussteigen wollte. »Aber bevor wir morgen früh an die Kontrollposten kommen, setze ich mich woanders hin.