Der Serienmörder von Paris. David King

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Der Serienmörder von Paris - David  King

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mit einem Wort auf alles, was nur irgendwie über Räder verfügte.

      Scharen von Flüchtlingen quälten sich durch die Sommerhitze und die überfüllten Straßen und wurden häufig von deutschen Tieffliegern unter Beschuss genommen. Nach der Kriegserklärung Mussolinis am 10. Juni griffen auch italienische Flugzeuge an. An den Straßenrändern standen aus Benzinmangel verlassene Autos. In dem bedrückenden Klima aus Hitze und Hunger machten schnell Gerüchte die Runde. Sie ließen die schmerzvollen Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg wieder wach werden und verstärkten das Unsicherheitsgefühl angesichts der gegenwärtigen Krisensituation. Niemand wusste, wann man – wenn überhaupt – wieder in die Heimat zurückkehren würde.

      Von den 40 Millionen Bürgern Frankreichs befanden sich schätzungsweise zwischen sechs und zehn Millionen auf der Flucht. Die Einwohnerzahl von Paris reduzierte sich auf einen Schlag von drei Millionen auf ungefähr 800.000. Dieser Massenexodus wiederholte sich in vielen Städten Nord- und Ostfrankreichs, da die Menschen in Richtung Süd oder Südwest flohen. Der Pilot und zukünftige Autor des Welterfolgs Der kleine Prinz schaute von seinem Flugzeug der 2/33-Aufklärungsstaffel auf die Menschenmassen hinab und verglich das Geschehen „mit dem Auftreten eines Stiefels, der mitten in einen Ameisenhügel getreten war“ und die Unglücklichen in alle Richtungen vertrieben hatte. Die Menschen begaben sich auf einen Marsch „ohne Angst, ohne Hoffnung und waren nicht wirklich verzweifelt, so als folgten sie einer inneren Pflicht“.

      Ab dem 9. Juni begann selbst die französische Regierung, Paris zu verlassen, und setzte sich in den Süden ab – zuerst nach Orléans, dann in das Châteaux de la Loire, woraufhin sich die politischen Führer nach Bordeaux zurückzogen.

      Fünf Tage nach ihrer Flucht rollten deutsche Kradfahrer durch die nördlichen Vororte von Saint-Denis und stellten sich auf dem Place Voltaire auf. Am frühen Nachmittag hatte die deutsche Wehrmacht ihre erste Parade abgehalten und war zum Rhythmus von Trommeln und zur Melodie von Querflöten im Stechschritt über die ansonsten totenstille Avenue des Champs-Élysées marschiert. „Niemals habe ich eine so unheimliche und bedrückende Atmosphäre wie in Paris erlebt“, beschrieb Robert Murphy die Szenerie von seinem Büro in der Botschaft der Vereinigten Staaten aus, die am Place de la Concorde lag.

      Mindestens 16 Menschen nahmen sich an diesem Tag in Paris das Leben. Der Neurochirurg und Chefarzt des American Hospital, Comte Thierry de Martel, setzte sich eine Strychnin-Injektion. Der Schriftsteller Ernst Weiß, ein Freund von Franz Kafka, schluckte eine Überdosis Barbiturate, und als diese ihre Wirkung verfehlten, griff er zu einer Rasierklinge und schnitt sich die Pulsadern auf. Er starb innerhalb von 24 Stunden. Joseph Meister, der 64-jährige Concierge des Institut Pasteur, hätte sich niemals den Deutschen gefügt und setzte seinem Leben mit einem gezielten Kopfschuss ein Ende. Er war der erste Mensch gewesen, den Louis Pasteur von der Tollwut geheilt hatte.

      Viele Pariser befanden sich in einem Schockzustand. Was der deutschen Armee unter Führung des Kaisers in vier Jahren brutalstem Gemetzel im Ersten Weltkrieg nicht gelungen war, hatte Adolf Hitler in nur sechs Wochen erreicht. Frankreich musste die wohl beschämendste Niederlage in der Geschichte der Republik hinnehmen. Doch es sollte noch schlimmer kommen.

      Die Deutschen besetzten 60 Prozent des Landes und verleibten sich dabei ein riesiges Territorium nördlich der Loire ein, in dem rund zwei Drittel der Bevölkerung des Landes lebten und das fast 70 Prozent des fruchtbarsten Ackerlandes aufwies und ca. 75 Prozent der Industrie. Die Besatzungsmacht kontrollierte nicht nur Paris, sondern auch die strategisch wichtigen Küstenabschnitte an Atlantik und Ärmelkanal. Frankreich musste für die Kosten der deutschen Besatzung aufkommen, festgesetzt auf eine exorbitant hohe Tagesrate von 400 Millionen Francs, die darüber hinaus noch in einem Verhältnis von 20:1 (Francs/Reichsmark) umgetauscht werden musste. Im Laufe der nächsten vier Jahre überwies das Land dem Dritten Reich eine Summe von insgesamt 631.866 Millionen Francs, fast 60 Prozent des nationalen Einkommens.

      Der Rest Frankreichs wurde aufgeteilt. Die Deutschen reklamierten das Elsass und Lothringen für sich, ebenso wie auch die nordöstlichen Gebiete und das Département Pas-de-Calais. Letzteres verwaltete das Kommando des Militärbefehlshabers in Brüssel, das den Franzosen strikt den Zutritt untersagte. Der Streifen von Menton bis hin zur südöstlichen Grenze wurde an Deutschlands Verbündeten Italien abgetreten. Die verbleibenden Gebiete südlich der Loire deklarierte man als „freie“ oder unbesetzte Zone. Vichy, ein Ort bekannt für sein Mineralwasser und die Welt der Casinos, war die Hauptstadt dieses dem Anschein nach unabhängigen Staates. Während sich die französische Regierung dort im Sommer wieder neu aufstellte, musste sie die „Herrschaftsrechte der Besatzungsmacht“ anerkennen. Das Wort Kollaboration – einst ein Synonym für Zusammenarbeit – nahm nun eine andere, unheilvolle Bedeutung an.

      In Paris folgte auf den Blitzkrieg der „Ritzkrieg“. Hochrangige Nazi-Beamte strömten in die Stadt, um die Kontrolle zu übernehmen und die eleganten Villen-Gegenden der westlichen Distrikte zu besetzen. Das Oberkommando der deutschen Besatzungsmacht, das die Regierungsgeschäfte in der besetzten Zone übernahm, zog in das noble Hôtel Majestic an der Avenue Kléber. Der Kommandant oder Gouverneur/Bürgermeister des Großraums Paris entschied sich für das Hôtel Meurice in der Rue de Rivoli als Residenz, während die für Spionageabwehr und den militärischen Nachrichtendienst zuständige Zentrale der Abwehrstelle Frankreich das Hauptquartier im Hôtel Lutétia in der Nähe des Boulevard Raspail einrichtete. Die Luftwaffe okkupierte das Palais Luxembourg, wohingegen die Kriegsmarine verschiedene Gebäude am und um den Place de la Concorde herum in Beschlag nahm.

      Für Nazioffiziere und auserwählte Kollaborateure war aus Paris das Babylon des Dritten Reichs geworden. Der deutsche Botschafter Otto Abetz gab in der Rue de Lille ausschweifende Champagner- und Kaviar-Feste. Nicht weniger extravagante Gelage wurden vom Luftwaffengeneral Friedrich-Carl Hanesse im Anwesen der Rothschilds in der Avenue de Marigny ausgerichtet. Berühmte Restaurants wie das Maxim’s, das Lapérouse und das La Tour d’Argent richteten sich nach den Launen der Besatzer und erfüllten jeden Wunsch. Cabarets, Nachtclubs und Bordelle, die meist durch Ausnahmeregelungen von der strikten Einhaltung der Sperrstunde befreit waren, taten es ihnen gleich. Kathleen Cannell, die Korrespondentin der New York Times, berichtete ungefähr zur Zeit der Leichenfunde in der Rue Le Sueur im März 1944 aus dem besetzten Paris und beschrieb die allgemeine Stimmung als einen „fälschlicherweise fröhlichen Tanz auf einem brodelnden Vulkan“.

      Für die meisten Franzosen hatten die vier Besatzungsjahre seit dem Einmarsch der Deutschen unter den Vorzeichen von Angst, Kälte, Hunger und Demütigung gestanden. Doch niemand sah sich mit solch einem grausamen Schicksal konfrontiert wie die Juden. Unmittelbar nach dem Sieg der Deutschen verloren die 200.000 Juden in Frankreich die grundlegenden Bürgerrechte. Ab dem 3. Oktober 1940 durften sie keine höheren Posten in der Regierung, im Bildungswesen, im Verlagswesen, im Journalismus, beim Film und beim Militär mehr besetzen. Am darauf folgenden Tag erhielten die Behörden die Vollmacht, die in anderen Ländern geborenen Juden in „speziellen Lagern“ zu internieren. Drei Tage später hob man das Crémieux-Gesetz auf, wodurch 1.500 algerische Juden die Staatsbürgerschaft verloren.

      Eine schier endlose Zahl von Gesetzen wurde erlassen, die einzig und allein der Diskriminierung der Juden dienten. Anfang 1941 durften Juden nicht mehr im Bankwesen, bei Versicherungen, als Immobilienmakler oder in Hotels arbeiten. Eine Quotenregelung beschränkte die Zahl der Juden, die als Juristen oder Mediziner arbeiten konnten, auf zwei Prozent, eine Vorschrift, die man dann in der Folge sogar in ein totales Berufsverbot umwandelte. Die jüdischen Geschäfte wurden „arisiert“, das hieß, die Regierung enteignete die Eigentümer und übergab den Besitz an „Nicht-Juden“ oder man drängte die Juden zum Verkauf zu einem Spottpreis. Das Ziel bestand darin, „jeglichen jüdischen Einfluss auf die nationale Ökonomie auszumerzen“.

      Schon kurz darauf begannen die sogenannten „Rafles“, Razzien mit dem Ziel der Festnahme von Juden. Am 14. Mai 1941 führte der erste „Zusammentrieb“ zur Verhaftung – mit anschließendem Arrest – von 3.747 unschuldigen männlichen Juden. Zehn Monate

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