The Rolling Stones. Stanley Booth

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The Rolling Stones - Stanley Booth

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Spitzen der langmadeligen Kiefern strich. Aber im Grunde klang das immer wie ein menschliches Atmen direkt hin­ter dem rostigen Fliegengitter meines Schlafzimmerfensters, wie das leise Ausatmen eines Mannes, der ganz ruhig dastand, nur beobachtete, war­tete. Ich liebte die Wälder, aber jahrelang lag ich nächtens wach und fürch­tete mich vor diesem Geräusch. Als ich alt genug für ein Gewehr war, hörte ich manchmal dieses Geräusch, den Wind, den entfernten Tierschrei, das vorsichtige Atmen im Dunkeln, und ich lag so lange still, wie ich es aushielt, nahm dann mein Gewehr und schlich aus dem finsteren Haus, weckte niemanden auf und schaute draußen nach, tief geduckt, durch den offenen Mund atmend, um das schreckliche, verräterische Geräusch nicht selbst zu erzeugen. Es war genau dieses gleiche Gefühl, das ich jetzt hatte, als diese Sounds, diese furchtbaren Klagelaute der Gitarre und der Mund­harmonika sich hochschraubten und vermischten. Das Gefühl rührte zum Teil von der Musik her und zum Teil von der Anwesenheit des Mannes hinter meinem Rücken – nämlich Klein, den sie in den Sümpfen einen Vollblut-Juden nennen würden, ein Mann von großer und für mich fast unberechenbarer Macht, ein Mann, der mich nicht kannte und dem ich völlig egal war. Ich wusste bis jetzt nicht, wie gut oder wie böse die Stones waren, aber vor Klein hatte ich schlicht und einfach Angst. Denn sogar obwohl ich einen Brief der Stones hatte, ein magisches Stück Papier, war da noch immer die Tour, dieser Spießrutenlauf, den ich absolvieren musste, und ich ahnte, dass ein Mann wie Klein mich stoppen konnte, wann immer er sich die Mühe machen wollte. Aber als ich zwölf war und fast zu Tode erschreckt in der Dunkelheit draußen vor dem Haus meines Großvaters stand, war ich noch immer ruhig und bereit, um zu tun, was zu tun war. Wäre da plötzlich einer der Männer vor mir aufgetaucht, mit denen mein Großvater arbeitete und die ich so sehr liebte, deren Stimmen und Aus­sehen, deren gelbe Augäpfel und sanft gewölbte, schwarze Muskeln, wäre er von giftigem Whiskey in ein wahnsinniges, todbringendes Tier ver­wandelt – ich hätte in all meiner schrecklichen Angst ruhig und gefasst genug bleiben können, um ihn zu erschießen. Ich blieb also auch im Stu­dio in all meiner schrecklichen Angst ruhig und gefasst, fühlte die Ver­rücktheit der Stones, des wahnsinnigen Keith, und wusste, dass das, was die Stones machten, für einen von ihnen bereits tödlich ausgegangen war.

      Sandison kam mit einem Mädchen herein – ich hatte nicht bemerkt, dass er weggegangen war. Sie setzten sich neben mich auf die Couch. Sie trug Bluejeans und hatte ein Notizbuch bei sich. Die Musik war so laut, dass es ausgeschlossen war, sich vorzustellen. Ich sprach ihr ins Ohr: „Du musst vom ‚Saturday Review‘ sein.“

      „Ja“, schrie sie zurück. Ich las von ihren Lippen: „Wer bist du?“

      Das gab mir Gelegenheit, etwas anderes zu tun, als mich zu fürchten. „Der Okefenokee Kid“, sagte ich.

      Sie blickte mich an, als wäre ich verrückt, und immerhin hatte ich ge­rade darüber nachgedacht, es zu werden. Dann fragte sie Sandison, wer ich sei, und er antwortete ihr wie aus der Pistole geschossen, sprach dabei meinen Namen so laut aus, dass ich ihn trotz der Musik verstand. Wenn ich ihn hörte, konnte Klein ihn dann auch hören? Wenn er ihn hörte, würde er ihn erkennen? Wenn ich mehr über Klein gewusst hätte, wären meine Sorgen noch größer gewesen. Aber er hatte nichts gehört; als ich mich umblickte, ging er gerade mit Mick hinaus. Sie begaben sich ins Studio und ließen die Tür offen; aus der Vorhalle fiel Licht in den Raum mit der hohen Decke und beleuchtete Mick auf der Klavierbank schwach, während Klein verkehrt herum auf einem Klappsessel saß. Mit einer Hand­bewegung tat Mick etwas ab, das Klein gesagt hatte. So mächtig Klein auch war – dieser dürre, geckenhafte Engländer konnte ihn sich vom Leibe hal­ten, konnte ihm die Tour verweigern und damit auch noch durchkommen. Es genügte fast, um mir Angst vor Mick einzujagen, vor den Stones.

      Als sie zu reden aufhörten, ging Klein weg und mit ihm Pete Bennett, und Jagger kam in den Kontrollraum zurück. Die Bänder standen im Mo­ment gerade still und Sandison stellte Mick die Reporterin vom „Saturday Review“ vor. Sie sah schläfrig aus, von Micks Anwesenheit hypnoti­siert wie ein Hühnchen von der Schlange. Dann fiel ihr etwas ein. „Oh!“ – sie hob ihren Beutel aus Teppichstoff auf und entnahm ihm ein Büschel von Marihuana-Spitzen. „Ich habe dir ein paar Blumen mitgebracht.“

      „Oh, dankeschön“, sagte Mick, nahm die Sprosse und warf sie auf die Couch. „Das ist sehr nett.“

      Sandison sprach mit Mick. Der lachte ohne erkennbaren Grund kurz und schallend auf und deutete im Zeitlupentempo einen Schlag gegen die linke Titte des Mädchens an. Schwerfällig gelang es ihr zu reagieren; als seine Hand knapp ihre Brust verfehlte, retournierte sie den Schlag auf die gleiche Art und Weise. Aber das Ziel blieb ungewiss, da sie ihm ja nicht gut in die Eier hauen konnte und es andererseits witzlos war, ihm auf die flache Brust zu schlagen. Außerdem ging ihr anscheinend mitten in dieser Aktion deren tatsächliche Bedeutung auf – sie revanchierte sich für einen spielerischen Schlag, den Mick Jagger gegen eine ihrer Titten geführt hatte. Damit war ihre Titte berühmter geworden, als sie es jemals erwartet hatte – und das war nicht etwa bescheuert von ihr, denn er war wirklich ein Star, die Kraft seiner Autorität war im Raum spürbar. Da hielt ihre Hand mitten in der Luft inne, öffnete sich und flatterte wie ein angeschossener Vogel an ihre Seite zurück.

      Mick ließ sie in einem Sessel neben dem Mischpult Platz nehmen und forderte sie auf, ihm Fragen zu stellen. Sie begann niedliche „Saturday-Review“-Fragen an ihn zu richten und er gab freundliche, kurze Antworten. Al Steckler kam mit den Bildern für die Konzertprogrammhefte, zeigte sie Mick und fragte: „Was ist mit Text?“

      „Ich weiß nicht“, sagte Mick, „Keith, wie wär’s mit einem Text?“

      „Yeah“, sagte Keith, „etwas Kurzes – vielleicht kriegen wir Sam dazu, etwas zu machen.“

      „Hey“, sagte Mick, während er mich anschaute. „Du bist doch ein Schriftsteller.“

      „Was … was … in Ordnung, was wollt ihr?“

      „Etwas für das Programm“, sagte Mick. „Nicht sehr lang. Etwas Un­beschwertes.“

      „Wie lang, Al?“

      „Hundertachtzig Wörter.“

      „Was? Wie kommst du darauf?“

      Al zuckte die Schultern. „Das ist lang genug.“

      „Du weißt schon“, sagte Mick. „Etwas Unbeschwertes.“

      „Ich brauche es sobald wie möglich“, sagte Al.

      Ich dachte mir, es wäre wahrscheinlich am besten, gleich heimzugehen und mit dem Schreiben anzufangen. Da Sandison sowieso gerade gehen wollte, schloss ich mich ihm an. Beim Studio waren keine Autos, aber wir rechneten damit, auf dem Sunset ein Taxi zu kriegen. Sobald wir draußen und die Türen hinter uns verschlossen waren, gab es natürlich – das war Los Angeles – keine Taxis. Wir gingen zu Fuß los und dachten an jedem Häuserblock, jetzt müssten wir ein Taxi finden. Zwei Taxen fuhren vorbei, sie hatten gerade eine Fuhre. Dann kam gar keins mehr, aber das machte mir nichts aus, denn es war ein Vergnügen, auf dem Sunset dem Sonnen­untergang entgegenzuspazieren. Es gab da alle möglichen Hinweisschil­der, eine Maschine, die fünfzig Cents nahm und dir einen Stadtplan mit den Häusern der Hollywood-Stars in die heiße Hand drückte und nur einen Schritt weiter eine weitere Maschine, die die „L. A. Times“ verkaufte, deren Schlagzeile lautete: „I WANT HELP, SAYS ZODIAC KILLER“. Wir gingen an Ralph’s Pioneer House vorbei, dem Vienna Hofbrau, an „Father Payton’s Kreuzzug für das Familiengebet“ und an einem Mann, der im Gehen die Zeitung las (I want help!). Auf seinem Rücken trug er eine batteriebetriebene Maschine mit einer Gesichtsmaske, die er sich über Mund und Nase gestülpt hatte und die es ihm erlaubte, gereinigte Luft zu atmen. Auf der anderen Straßenseite war das „Apocalypse“, ein auf por­nographische Bücher und Utensilien spezialisiertes Geschäft. Sandison „war noch nie in einem amerikanischen Pornoladen“

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