Die Belagerung von Krishnapur. James Gordon Farrell

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Die Belagerung von Krishnapur - James Gordon Farrell

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gesagt hatten: »O nein, du wirst die Erste sein!«, war die Freundin die Erste gewesen, weil Louise so lange brauchte, um sich zu entschließen.

      Fleury sah, dass Louise bewegt war von der Erfahrung, Brautjungfer ihrer Freundin gewesen zu sein; ihr Gesicht war verletzlich geworden, wie zwischen Lachen und Weinen. Er fand diese Verletzlichkeit seltsam entwaffnend.

      Und nun, da Louise in dieser Weise aufgebrochen war, kein Wunder, dass sie, zumindest für ein paar Stunden, jeden Mann anschaute, den sie traf, sogar Fleury, und ihn momentan als ihren zukünftigen Ehemann sah. Mrs. Dunstaple sah erst ihre Tochter an und dann Fleury, der insgeheim mit den Zähnen knirschte und sich an den Knöcheln kratzte, wo er gerade von einer Mücke gestochen worden war. Wie schnell das Leben vergeht! Sie seufzte. Die eher gewöhnliche Tochter ihrer Gefährtin litt unter »Hitzepickeln«, wurde ihr anvertraut. Was für eine Schande! Sie redete mitfühlend daher.

      Es war Zeit für den galloppe. Als sie auf der Tanzfläche ihre Haltung einnahmen, blickte Louise auf und sah Fleury forschend an. Aber Fleury träumte vor sich hin, er dachte selbstzufrieden, dass man in London keine Gentlemen mehr in braunen Fräcken gesehen hätte, wie sie hier getragen wurden, und er dachte an die Zivilisation, dass sie mehr sein müsse, als von einem Land ins andere importierte Moden und Gebräuche, dass sie eine höhere Sicht der Menschheit sein müsse, und wie er in seinem schwarzen Frack erstickte, und was für ein strenger Schweißgeruch den Saal hier unten erfüllte, und ob er den bevorstehenden Tanz wohl überleben würde. Dann, endlich, spielte das Orchester mit einer flotten Melodie auf und setzte die Füße der Tänzer in Bewegung, darunter Louises weiße Satinschühchen und Fleurys Lackstiefel, rhythmisch stürmend und drängend, als fände all dies nicht in Indien statt, sondern irgendwo in einem gemäßigten fernen Land.

      III

      Gegen Ende April legte die dak gharry, die alle vierzehn Tage die englische Post ins Landesinnere beförderte, wie gewohnt ihren beschwerlichen Weg durch die große Ebene nach Krishnapur zurück. Sie zog einen Staubschleier hinter sich her, der zu unerhörten Höhen aufstieg und über mehrere Meilen wie eine Regenwolke in der Luft hing. Außer der Post enthielt die gharry auch Miriam, Fleury, Leutnant Harry Dunstaple und eine Spanieldame namens Chloë, welche einen guten Teil der Reise damit zugebracht hatte, ihren Kopf aus dem Fenster zu stecken und voller Verwunderung den Staub zu beobachten, der von den Rädern aufgewirbelt wurde.

      »Was ich gern wüsste, Harry, wenn ich fragen darf, ob das ein Moslem- oder ein Hindu-Friedhof ist?«

      »Die Hindus begraben ihre Toten nicht, also muss er mohammedanisch sein.«

      »Natürlich muss er das, was für ein Dummkopf ich doch bin!« Einen Blick auf Harry werfend, forschte Fleury nach Zeichen des Spotts, den Neuankömmlinge in Indien, beleidigend »Griffins« genannt, von alten Hasen zu erwarten hatten. Aber Harrys freundliches Gesicht verzeichnete nur höfliches Desinteresse an den Bestattungsbräuchen der Eingeborenen.

      Fleury und Miriam waren beim letzten dak bungalow* auf Harry gestoßen; äußerst zuvorkommend war er ihnen zur Begrüßung entgegengeritten, obwohl er den linken Arm in einer Schlinge trug; er hatte sich beim Sauspießen das Handgelenk verstaucht. Nicht genug damit, so weit herauszureiten, hatte er sein Pferd mit dem sais zurückgeschickt und sich den Reisenden in der unbequemen gharry hinzugesellt, einem Gefährt, das große Ähnlichkeit mit einem länglichen Kasten auf vier Rädern ohne Federung besaß; sie hatten schon fast zwei Tage in diesem Transportmittel verbracht und ihre weichen Körper schrien nach Bequemlichkeit. Miriam hatte die meiste Zeit der Reise ihre Nase in ein Taschentuch vergraben, während schmierige Tränen aus ihren Augen flossen, nicht wegen einer erneuten Aufwallung ihres Kummers um Captain Lang, sondern wegen des erstickenden Staubs, der ihre Augäpfel reizte. Was Fleury anbelangt, so wurde seine Erregung bei der Aussicht auf ein Wiedersehen mit Louise durch Zweifel gedämpft, als was für ein Ort sich dieses Krishnapur erweisen würde. Die ausgedörrte Ebene, die sie durchquerten, war wenig verheißungsvoll. Sehr wahrscheinlich gab es dort nur Unbequemlichkeit und Schlangen. Unter solchen Umständen, fürchtete er, würde er nicht glänzen.

      Harry hatte ihn mit einer Mischung aus Wohlwollen und Vorsicht begrüßt, und eine Weile hatten sie hoffnungsvoll, allerdings vergeblich versucht, ein gemeinsames Interesse zu finden. Der Joint Magistrate sei erkrankt und zur Heilung in die Berge gegangen, von wo er, so befürchte man, nicht zurückkehren werde, hatte Harry erklärt, darum wolle man ihnen, solange er nicht da war, seinen Bungalow zur Verfügung stellen.

      Chloë, überwältigt von der Hitze, hatte sich hechelnd auf Fleurys Schoß geworfen und war dort eingeschlafen. Er versuchte, sie herunterzuschubsen, aber ein Hund, der nicht von seinem Platz bewegt werden will, kann sich in der Tat sehr schwer machen, und so musste er sie wohl oder übel liegenlassen. Fleury selbst war nicht gerade vernarrt in Hunde, aber er wusste, dass junge Ladies es in aller Regel waren. Er hatte Chloë, deren goldene Locken ihn an Louise erinnerten, einem jungen Offizier abgekauft, der sich beim Pferderennen ruiniert hatte. Zu dieser Zeit hatte er Chloë als ein feinsinniges Geschenk gedacht; ihre goldenen Locken hatten sich in seinem Geist mit der Vorstellung von hündischer Treue und Ergebenheit vermischt. Er wollte Chloë als eine erste Salve im Werben um Louises Zuneigung benutzen. Aber inzwischen fand er sie nur lästig.

      Als sie sich Krishnapur näherten, sahen sie auf der Straße ein paar Reisende, auch einige Sepoys, die sehr schmuck aussahen in ihren roten Röcken und schwarzen Hosen. Als sie an ihnen vorbeifuhren, salutierten die Sepoys der Bleiche der Gesichter, die sie im trüben Inneren der Kutsche gewahrten (ganz zu schweigen von Chloës goldenen Locken). Nur Harry bemerkte stirnrunzelnd, dass einer oder zwei von ihnen mit der linken Hand salutiert hatten; wäre er allein gewesen, hätte er angehalten und sie wegen einer so vorsätzlichen Respektlosigkeit gemaßregelt; doch unter den gegebenen Umständen musste er so tun, als hätte er es nicht bemerkt. Sie fuhren schwerfällig an einem Kamel vorbei, das als Zugtier vor einen Karren gespannt war, und Fleury starrte zweifelnd auf den Gurt um seinen ballonartig aufgeblähten Bauch … all diese fremden Anblicke ließen ihn wieder melancholisch werden, ein einsamer Wanderer auf Erden. Alte Männer saßen auf ihren Fersen gegen die Wand des Wohnsitzes eines Nabob* gelehnt, und neben ihnen, an die Wand gekettet, saß ein staubiger Löwe. Als Nächstes passierten sie eine bis auf Lampen aus buntem Glas leere Moschee und ratterten über eine Eisenbrücke. Eine Familie gelbgrüner Affen starrte feindselig zu ihnen hinauf, die Augen wie polierte Klumpen Jade.

      Und dann tauchten sie in den Basar ein, massenhaft bevölkert mit Menschen in weißem Musselin. Wo mochten sie nur alle leben? Ein unpassendes Bild von hundertfünfzig zusammengekauerten Menschen auf dem Fußboden des Gesellschaftszimmers seiner Tante in Torquay kam Fleury in den Sinn. Plötzlich schlingerte die gharry und bog in ein Tor ein. Sie waren angekommen. Ihn verließ der Mut.

      Aber sie waren nicht angekommen. Harry war ausgestiegen und stritt mit einem Mann, der rufend neben der Kutsche hergelaufen war und sie veranlasst hatte, in diese Einfahrt einzubiegen, die, wie sich herausstellte, zum dak bungalow gehörte. Harry schien ziemlich wütend zu sein; hier hatte er absolut nicht halten wollen. Es folgte eine mühsame Verhandlung, da sich Harrys Sprachvermögen auf ein paar häusliche und militärische Befehle beschränkte. Er geriet außer sich und begann zu schreien; Soldaten sind bekannt für ihre Reizbarkeit, wenn man sich ihrem Willen widersetzt. Doch obwohl der Mann bei jedem neuen Ausbruch leicht zusammenzuckte, blieb er standhaft. Sie hätten noch eine Weile so weitermachen können, Harry schreiend, der Eingeborene zuckend, wäre nicht ein anderer Mann aufgetaucht, der, älter und sehr dick, aus der Richtung des Bungalows herbeieilte. Als er zu sprechen begann, sah Fleury, dass sein Mund vom Betelkauen erstaunlich orangerot gefärbt war. Wie hypnotisiert starrte er in diese glühende Höhle, aus der Englisch kam, wenngleich nicht von der Sorte, die er verstand. Dieser Mann sei der khansamah des dak bungalow, erklärte Harry Fleury, und was er sagen wolle, sei … warten Sie!

      Ein Ausdruck des Schreckens trat in Harrys Gesicht,

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