Die Belagerung von Krishnapur. James Gordon Farrell

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Die Belagerung von Krishnapur - James Gordon Farrell

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er doch nicht einmal, worauf er hätte antworten sollen.

      »Ich habe immer gedacht, an Gott zu glauben«, fuhr der Collector nach einer Weile fort, während seine dunkel umringten Augen McNabs Blick suchten, »aber ich stelle fest, dass so viel Schwärmerei mich abstößt. Offenbar gibt es solche, die auf ganz andere Weise an Ihn glauben als ich. Und doch, vielleicht haben sie recht?«

      »Jeder Mensch kann nur auf seine eigene Weise glauben, Mr. Hopkins. Mehr kann sicher nicht von ihm erwartet werden. So scheint es mir zumindest.«

      »Hervorragend, McNab. Was für ein feinsinniger Philosoph Sie sind, wahrhaftig. Jeder auf seine Weise, sagen Sie. Genau. Und jetzt sollte ich Sie zu Ihren Pflichten zurückkehren lassen.« Und während er McNab an die Tür begleitete, lachte er, als wäre er in bester Laune.

      An der Tür jedoch gab es eine kurze Verwirrung, denn als McNab sich ihr näherte, öffnete sie sich genau derselben Kinderschar, die er eben gesehen hatte. Nun geschrubbt und gekämmt, waren die Kinder von ihrer ayah durch den Außengang geführt worden, um ihrem Vater zur Teezeit präsentiert zu werden. Der Collector streckte die Arme nach der jüngsten seiner Töchter aus, Henrietta, fünf Jahre alt, aber sie schreckte in die Röcke ihrer ayah zurück. Als McNab sich verabschiedete, musste er so tun, als hätte er diesen kleinen Zwischenfall nicht bemerkt.

      In Krishnapur war alles ruhig geblieben, nachdem die Neuigkeiten aus Meerut bekannt geworden waren, aber es hatte dennoch eine Reihe kleiner Anzeichen von Aufruhr gegeben. Während der Collector mit dem Magistrate darüber diskutierte, ob die Ladies in die Sicherheit der Residenz gebracht werden sollten, erreichte sie die Nachricht aus Captainganj, dass General Jackson später vorbeikommen werde, um eine ausstehende Cricket-Partie zwischen den Captainganj-Offizieren und den Zivilbeamten zu besprechen. Diese Nachricht wurde von einem havildar* überbracht, der dem General vorausgeritten war und außerdem etwas Unheilvolleres mitzuteilen hatte: Am Vorabend seien Feuer in den Linien der Eingeborenentruppen ausgebrochen.

      »Vielleicht ist die Cricket-Partie nur eine List, ein Vorwand, um keinen Verdacht zu erregen.«

      Der Magistrate antwortete nicht und der Collector wünschte, er würde wenigstens einmal diese sardonisch erhobene Augenbraue senken.

      »Ich hoffe, der alte Knabe hat nicht angefangen, endgültig abzudriften.«

      Gegenwärtig verkündete dröhnender Hufschlag die Ankunft des Generals, und die beiden Männer traten ans Fenster, um zu beobachten. General Jackson kam mit einer Eskorte von einem halben Dutzend eingeborener Kavalleristen, sowars* genannt, die von ihren Pferden abgesessen waren und ihm jetzt auf den Boden halfen. Wie kaum anders zu erwarten bei einer Armee, in der Beförderungen strikt nach Dienstalter erfolgen, war der General ein älterer Mann, gut über siebzig. Obendrein war er korpulent und von kleiner Statur, sodass er nicht mehr mit einem Satz in den oder aus dem Sattel springen konnte, wie es einst seine Art gewesen war; ihn dieser Tage in den oder aus dem Sattel zu heben, war keine leichte Aufgabe. Zu beiden Seiten seines Pferdes verteilt, umfassten die sowars die Kniehosen des Generals mit festem Griff und hoben ihn, unwirsch mit den Beinen strampelnd, um seine Stiefel aus den Steigbügeln zu befreien, in die Luft. Sobald er hoch genug war, wurde das Pferd vorwärts abgeführt und er auf den Boden herabgelassen. Nun, da er sich steif in Richtung des Portikus bewegte, bemerkten die beiden Männer ahnungsvoll, dass er statt eines Gehstocks einen Cricketschläger in der Hand hielt. Wissend, dass sein Gedächtnis nicht mehr ganz so war wie früher, nahm der General oft einen Gegenstand als Eselsbrücke mit; so mochte er, wenn er gekommen war, um über Pferde zu reden, eine Reitgerte bei sich haben, wenn es ums Schießwesen ging, mochten ein paar Musketenkugeln in seiner Tasche klimpern.

      »Auf dem Basar ging heute Morgen ein neues Gerücht um«, sagte der Magistrate, als der General aus dem Blickfeld verschwand. »Sie sagen, weil so viele Briten auf der Krim getötet worden seien, gebe es in England niemanden mehr zum Heiraten für die Memsahibs. Darum sollten sie hierher gebracht und zwangsweise mit eingeborenen Landbesitzern verheiratet werden. Auf diese Weise würden ihre Kinder und das Land, das sie besitzen, christlich.«

      Der Collector runzelte die Stirn. »Beten wir, dass der General nicht mehr so herzhaft optimistisch ist wie vor Meerut.«

      Kaum hatte er zu Ende gesprochen, wurde der General angekündigt und in die Bibliothek geführt, wo der Collector und der Magistrate ihn erwarteten.

      Im Näherkommen schwang er fröhlich seinen Cricketschläger und sagte: »Also, Hopkins, zu dieser Cricket-Partie. Meiner Ansicht nach sollte die lieber bis nach dem Monsun warten … Wie es jetzt ist, ist es viel zu heiß. Was meinen Sie? Ich weiß, Ihre Jungs wollen die Revanche, aber sie müssen einfach warten …«

      Der Magistrate sah an dem verzweifelten Ausdruck, der flüchtig zwischen den Koteletten des Collectors erschien, dass sie beide dasselbe dachten: Der General war tatsächlich gekommen, um über eine Cricket-Partie zu reden.

      »Moment mal, General, wir sind zu besorgt wegen der Feuer letzte Nacht, um über Cricket nachzudenken.«

      »Feuer?«

      »Die Feuer bei den Eingeborenentruppen von Captainganj letzte Nacht. Wir fürchten, das könnte das Zeichen einer bevorstehenden Meuterei sein.«

      »Ach ja, ich weiß, was Sie meinen«, sagte der General verhalten. »Aber lassen Sie sich davon nicht beunruhigen … Das Werk von ein paar Unzufriedenen.«

      »Aber General, im Lichte von Meerut …« Der Collector wollte diskutieren, ob die Eingeborenenregimenter nicht entwaffnet werden könnten. Schon jetzt, glaubte er, wäre das ein riskanter Plan, aber bald würde er unmöglich sein.

      Der General indes reagierte auf diesen Vorschlag, für den er keinen Grund auf Erden sehen konnte, zuerst erstaunt, dann mit Hohn und Entrüstung. Er weigerte sich, zu akzeptieren, dass die Feuer Unzufriedenheit bei den Sepoys anzeigten, und sagte es dementsprechend heftig … im Stillen jedoch dachte er, man könne es Hopkins und Willoughby in gewisser Weise kaum verübeln, denn sie waren schließlich Zivilisten, die ihre Zeit wie alle Zivilisten mit belangloser Haarspalterei oder mit »Unken« verbrachten … Da waren sie nun, in vielen Dingen anständige Kerle, aber Unkenrufer ohnegleichen.

      »Warum sollten die Sepoys ihre eigenen Quartiere angreifen, wenn sie auf Meuterei bedacht wären?«, fragte er. »Sie hätten die britischen Bungalows in Brand gesteckt, wenn es das wäre, worauf sie aus sind. Und Meerut, das ist verdammt weit weg von Captainganj, wenn Sie mir den Ausdruck verzeihen. Besondere Umstände, das auch, sollte mich nicht wundern. Kann mich doch hier nicht drum kümmern, was in China passiert! Sehen Sie doch, Hopkins, vorausgesetzt, ihr hier in Krishnapur benehmt euch normal, ohne Angst zu zeigen, geht alles in Ordnung … Aber es wird des Teufels sein, unsere Männer in Captainganj unter Kontrolle zu halten, wenn ihr hier Panik schürt und Erdwälle grabt …«

      Auf seinem Weg zur Residenz hatte er einen verächtlichen Blick auf die Befestigungsanlagen des Collectors geworfen. »Rekrutieren Sie Mohammedaner als zusätzliche Polizei, wenn Sie möchten. Die sind zuverlässiger als Hindus oder eingeborene Christen, aber schüren Sie keine Panik.«

      Der Collector errötete, getroffen von der spöttischen Anspielung des Generals auf seine »Erdwälle«; dann, nach kurzem Zögern, fragte er: »Wie viele englische Truppen haben Sie in Captainganj außer den Offizieren der Eingeborenenregimenter?«

      Einen Augenblick schien es, als würde der General die Antwort verweigern. »Kleinkram, Reste von zwei oder drei Kompanien, die auf dem Weg nach Umballa zurückgeblieben sind … vierzig oder fünfzig Mann vielleicht.«

      »General«, sagte der Collector in einem beschwichtigenden Ton, »ich wüsste gern, ob Sie etwas

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