Pink - 2 Gesichter. Paul Lester

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Pink - 2 Gesichter - Paul  Lester

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Pink durch Attribute wie „gequält“ und „erfolgreich“ charakterisiert werden kann, so muss doch auch noch ein dritter Begriff erwähnt werden: Ehrlichkeit! Sie hat sich niemals wegen ihrer Vergangenheit und ihrer Probleme versteckt, sondern sie künstlerisch ausgedrückt und dargestellt – und das mit einer fast schon chirurgischen Präzision. Dadurch ermöglichte sie einen tiefen Einblick in ihre Arbeit und machte sich gleichzeitig zu einer interessanten Persönlichkeit, die man bei all ihren Kapriolen gerne und mit Spannung beobachtet. Heutzutage wird die Popmusik von Promotern dominiert, die ihren Schützlingen die Worte in den Mund legen und darauf achten, dass diese nicht zu viel von sich preisgeben – in der knappen Stunde eines Interviews, die Journalisten in einer sterilen Hotelsuite gewährt wird. Pink zählt zu den wenigen Popstars, die nicht gezähmt werden können, die sich nicht den Mund verbieten lassen, und spricht das Unsagbare aus, oft sogar, wenn die Speichellecker der Plattenfirma es am wenigsten erwarten.

      Sie redet in Superlativen und Extremen, als wäre jeder Schritt, den sie macht, emotional ermüdend und schmerzhaft – so als müsste sie sich durch die Wortwahl einen Adrenalinkick verschaffen. Sich treu bleibend „bis zum bitteren Ende“, wie sie es nennt, wurde sie schon früh auf die Probe gestellt. Sie verließ die Girl-Group, mit der alles begann, und bezeichnete das als „verdammt hart“ und als „die schwierigste Entscheidung meiner gesamten Karriere“. Sie fand sich plötzlich in der „schlimmsten Situation meines Lebens“ wieder.

      Schon früh in ihrer Laufbahn tritt uns das verwirrte Mädchen entgegen, das bereits mit 14 ihre ersten Songs schrieb. Das gestylte „Chamäleon“, das sich die Haare grün färbte und rückwärts aus dem Klassenzimmer ging, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, schien in der einen Minute Gospel in einem Kirchenchor zu singen und schon einen Augenblick später als „weißes Mädchen“ mit einer R’n’B-Truppe aufzutreten. Doch sie tanzte auch in den Nachtclubs von Philadelphia, sang die Backing-Vocals für die Hiphop-Band School Of Thought oder schrie sich die Seele in einer der zahlreichen lokalen Punkbands aus dem Leib.

      Wenn man mit Pink spricht, ist die Rede meist auch von Sex. Klar, denn wenn jemand einen Song wie etwa „Fingers“ (über Masturbation) schreibt, sollte man sich nicht wundern, wenn bohrende Fragen zu den privaten Vorlieben gestellt werden. Auch auf ihren Platten beschreibt sie die vielfältigen Formen des Sexlebens, von ihren lesbischen Tendenzen bis hin zur Größe der „Schlange“ ihres Ehemanns – typisch Pink eben.

      Wenn bei einem Gespräch Drogen erwähnt werden, dauert es nicht lange, bis sie von ihren ehemals bizarren Gewohnheiten berichtet: „Verdammte Scheiße“, knurrte sie in einem Interview, sich an ihren ersten Amsterdam-Besuch erinnernd. „Ich war 19 und fuhr direkt vom Flughafen zum Bulldog Café, kaufte mir Tausende Tütchen Gras, zog sie alle durch und ging danach auf die Bühne. Es war eine Fernsehsendung und ich stand bei der Aufzeichnung kurz vor dem Kollaps. Die Produzentin kam zu mir und meinte ganz freundlich: ‚Könnten Sie das bitte wiederholen, denn es war der schlechteste Auftritt, den ich während meines ganzen Arbeitslebens gesehen habe.‘ Ich starrte sie an und fragte: ‚Was wiederholen?‘ Erst beim Essen nach der Show wachte ich aus meinem Halbkoma auf.“

      Auch bei der Selbstreflexion geht Pink schonungslos aufs Ganze: Niemand versucht sich seine Defizite, seine Widersprüchlichkeiten und seine Wut intensiver auszutreiben als sie, sowohl in Interviews als auch in Songs. Sie hat eine höchst erfolgreiche Karriere auf ihrer schlimmen Kindheit aufgebaut, ist sich aber bewusst, nicht die einzige zu sein, die solche Traumata erleben musste. „Ich habe meinen Dad vier Mal im Leben weinen gesehen, darunter das eine Mal, als ich ihm [meinen Song] ‚Family Portrait‘ vorspielte. Meine Mutter weinte tagelang und machte daraus eine große Sache: ‚Ich wusste nicht, dass dich das so mitgenommen hat – lass uns reden.‘ Ich beruhigte sie: ‚Hey, es war doch nur ein Song. Mir geht es gut!‘“

      Meistens schlägt Pink aber härtere Töne an. Nachdem sie sich bei den MTV Awards geweigert hatte, die Queen of Pop – Madonna – zu küssen, giftete sie: „Ich bin doch nicht Madonnas Schlampe.“ Die Seiten der Gay-Bibel Attitude hingegen wurden für sie zu einer Plattform, um feministische Themen in aller Deutlichkeit anzusprechen. Wenn Pink angegriffen wird, kann sie schnell parieren. Als sie ihre Nacktheit (in Videos oder bei Foto-Shootings) künstlerisch einsetzte und danach auf heuchlerische Anschuldigungen reagieren musste, da eine Feministin nach landläufiger Meinung so etwas nicht darf, erwiderte sie, in der für sie so typisch unterhaltsamen Art: „Entertainment wird manchmal nur wegen des Entertainments gemacht – und das ist okay.“ In diesem Buch wird Pink Sie hoffentlich gut unterhalten und gleichzeitig einen Eindruck ihrer Bedeutung nicht nur als Entertainerin, sondern auch als komplexe, facettenreiche, oft verwirrende Persönlichkeit vermitteln. Als einer Künstlerin, deren reale Erfahrungen oft in die Musik einfließen und deren Musik das chaotische Durcheinander ihres Lebens widerspiegelt.

      Paul Lester, März 2010

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      „Für mich ist das witzig. Die Leute dokumentieren alles, was ich jetzt anstelle, und denken, dass ich eine abgedrehte, verrückte und durchgeknallte … was auch immer bin. Im Vergleich zu früher bin ich aber wirklich zahm.“

      Pink war nicht immer Pink, oder genauer gesagt: P!nk, die frühreife, elektrisierende R’n’B-Diva, die sich in eine provozierende, sexuell aggressive, weltweit berühmte Shock-Pop-Rockerin mit unnachgiebiger Haltung verwandelte. Eine Frau, die ihre Wut über dümmliche Girlies und George W. Bushs unrühmliche Kriegstreiberei herausschreit und über Masturbation singt. Ein Star, dessen Gesicht von den Medien stets mit einem mysteriösen, angedeuteten Lächeln gezeigt wird oder deren Lippen sich zum Schreien, Knurren oder zu einem mürrischen Ausdruck verzerren.

      Die zweifache Grammy-Gewinnerin, die Millionen Platten verkauft, singt, Songs schreibt (und manchmal auch schauspielert), wurde als Alecia Beth Moore am 8. September 1979 in Doylestown, Pennsylvania, geboren. Ihren Spitznamen bekam sie schon früh, obwohl die Berichte zu seinem Ursprung variieren. Möglicherweise lässt sich der Name auf einen krassen Zwischenfall in ihrer Kindheit zurückführen, bei dem sie sich in einem Ferienlager nackt auszog und dann vor Scham „pink“ anlief. Die Sängerin deutete auch an, dass der Name auf Mr. Pink zurückgeht, einer Figur aus Reservoir Dogs von Quentin Tarantino, einem ihrer Lieblingsfilme. Vielleicht bezieht sich Pink aber auch nur auf die Tönung, mit der sie sich, seitdem sie zehn war, regelmäßig die Haare färbt.

      Was auch immer der Wahrheit entsprechen mag – P!nk hat sich durchgesetzt und niemand spricht sie heute noch mit ihrem bürgerlichen Namen an. Wenn dann doch Fremde einmal den Namen fallen lassen, schreckt sie zurück, fast so, als wolle sie nicht mehr an das Mädchen erinnert werden, das sie einmal gewesen ist.

      Doylestown, wo die Familie Moore – Pink, ihre Mutter Judy Moore (geborene Kugel), ihr Vater James Moore Jr. und ihr älterer Bruder Jason – lebte, war ein kleines Städtchen, 35 Meilen nördlich von Philadelphia gelegen, das nur knapp 10.000 Einwohner hatte, von denen ein Großteil zur Arbeiterklasse gehörte. Dort besuchte Pink die Kutz Elementary School, die Lenape Middle School und schließlich die Central Bucks West High School. Sie fiel immer auf, stach aus der Menge hervor. Die burschikose Musikerin, die auf Guns N’ Roses stand, erinnert sich daran, dass sie schon von frühester Jugend an provozierte: „[Ich] hatte mein Haar grün gefärbt und meine Klamotten verkehrt herum angezogen, nur um beim Betreten eines Raumes die Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.“ Sie beschreibt ihre „Sippe“ als „die normale, durchschnittliche, absolut fertige und kaputte Familie“. Ein bezeichnender Hinweis auf ihre Kindheit und Jugend findet sich in dem vernichtenden Text der sicherlich auf autobiografischen Erlebnissen beruhenden Hit-Single „Family Portrait“ (2002). Sie singt darüber, dass ihre Mutter immer weinte und der Vater immer schrie – ein Szenario, das ihr das Gefühl gab, als würde sie „während des Dritten Weltkriegs aufwachsen“. Ihre Eltern bekämpften sich unbarmherzig – ohne jegliche Nachsicht. Obwohl ihre Kindheit, so wie sie auf dem Album M!ssundaztood (2001)

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