Des Todes langer Schatten. Jost Baum
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»Gibt es Probleme? Kann ich helfen?«, fragte er, als er sich den Streithähnen näherte. Erst jetzt entdeckte Duncan, dass ein ziemlich hübsches Mädchen in der Fliegermontur steckte.
»Oh ja gerne, sprechen Sie außer Deutsch auch Portugiesisch?«
»Gelegentlich«, erwiderte er bescheiden.
»Können Sie Major Fontanelle bitten, dass er uns einen Hangar für unsere drei Segelflugzeuge und eine Motorwinde zur Verfügung stellt?«, fragte das Mädchen und lächelte ihn an.
»Warum nicht?«, sagte er und grinste verlegen zurück.
Nach einigem Hin und Her und nachdem ein paar brasilianische Real den Besitzer gewechselt hatten, war Major Fontanelle bereit, einen der leer stehenden Hangars am südlichen Rand des Flughafens für die deutsche Segelfliegercrew aus seinem Immobilienfundus herauszurücken, den er Kraft seines selbst geschaffenen Amtes verwaltete. Ein Gebäude, das von einer inzwischen bankrotten Fluglinie gebaut wurde, die Expeditionsflüge in den Busch angeboten hatte. Duncan erklärte dem Mädchen, dass man die Seilwinde stundenweise mieten konnte, was in der Regel einen Haufen Geld kostete. Er schlug ihr deshalb vor, das Gerät für den nächsten Morgen zu reservieren und sie dann gemeinsam zu nutzen, denn er wolle die angekündigte gute Thermik nutzen.
»Nennen Sie mich Hanna und Ihren Vorschlag nehme ich gerne an.«
»Peter Duncan«, stellte er sich vor. »Meine Mutter ist Deutsche, lebt aber schon seit Jahren in London«, erklärte er seine Sprachkenntnisse.
»Ich weiß, was Sie jetzt denken. Sie halten mich bestimmt für ein BDM-Mädel auf einem KdF-Ausflug, oder?«, erwiderte Hanna gereizt.
»Oh, nein, nein …«, murmelte er, bevor er sich schnell abwandte. Im Prinzip hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Botschaft hatte den »Völkischen Beobachter« abonniert, der über mehrere Stationen per Luftfracht durch die Condor, ein Tochterunternehmen der deutschen Lufthansa, mit Dornier-Wal-Flugbooten nach Rio de Janeiro gelangte. Er las gelegentlich eines der Exemplare und konnte deshalb die Begriffe zuordnen. Die Organisation von Jugendlichen in solchen Verbänden waren ihm zutiefst zuwider. Er selbst wäre als kleiner Junge nie auf die Idee gekommen, sich als Pimpf einem älteren Jugendlichen unterzuordnen. Eine Gruppenreise mit Arbeitskollegen an einen Ort, den die Firma für die Belegschaft reserviert hatte, war ebenfalls undenkbar für ihn. Er liebte seine Freiheit und die Vorstellung, dorthin reisen zu können, wo es ihm gefiel. Im Alter von zwölf Jahren war er mit seinen Kameraden auf die Gipfel der schottischen Berge geklettert und hatte dort die selbst gebauten Segelflugzeuge ausprobiert, wobei es keine Anführer gab, oder ältere Jugendliche, die bestimmten, was getan werden sollte.
»Nun gut, ich glaube Ihnen. Ich möchte mich sowieso nur auf das Segelfliegen konzentrieren. Ist das möglich?«, fragte sie leise, mit einem vernichtenden Seitenblick auf die SS-Männer, die die Köpfe zusammengesteckt hatten und wahrscheinlich beratschlagten, wie sie die Flugzeuge in den Hangar bugsieren konnten.
»Das wäre schön«, erwiderte er, von sich selbst überrascht. Die junge Frau begann ihn zu interessieren.
»Haben Sie heute Abend schon etwas vor?«, fragte er sie nach einer Weile unsicher.
»Kommt darauf an«, lächelte sie.
»So gegen acht, Bar Tropical im gleichnamigen Hotel. Ich lade Sie zu einem Schlummertrunk ein und Sie erzählen mir, was eine junge Deutsche im fernen Brasilien macht«, erwiderte er schnell, bevor sie es sich anders überlegen konnte.
»Oh ja, gerne!«, antwortete Hanna erfreut.
»Also abgemacht, heute Abend um acht?«
Sie nickte unmerklich, bevor sie sich umdrehte und hastig zu ihrer Crew zurückkehrte.
»Gott steh Ihnen bei, mein Freund«, grinste Major Fontanelle, der das Gespräch belauscht hatte. »Die hat so viele Haare auf den Zähnen, wie mein Schätzchen zwischen den Beinen.« Zur Bekräftigung zog er an einem stinkenden Zigarrenstumpen und nahm einen Lungenzug, als gäbe es kein Morgen.
»Also ich weiß nicht … Ich glaube, wir sollten das Thema wechseln«, erwiderte Duncan schnell, denn er merkte, dass er rot wurde. »Also bei meiner Juanita bin ich mir sicher«, lachte Major Fontanelle, verschluckte sich an dem Rauch und begann zu husten. Er hustete so lange, bis nur noch das pfeifende Geräusch seiner Bronchien zu hören war.
Den Rest des Tages verbrachte Duncan damit, den lästigen Papierkram zu erledigen, der nötig war, damit einem die brasilianische Regierung erlaubte, über den Zuckerhut zu schweben. Duncan checkte sein Flugzeug, einen deutschen Kranich, den er sich von seinen ersten Gehältern gekauft hatte, und legte neben seinen Fallschirm eine Schwimmweste. Vorsicht war angebracht, denn als Segelflieger wusste man nie, ob einen die Thermik, die von den Granitfelsen aufstieg, die die Hafeneinfahrt säumten, nicht aufs offene Meer trieb. Der zweisitzige Segelflieger war erst vor wenigen Wochen per Schiff eingetroffen und Duncan hatte die Kaufentscheidung bisher nicht bereut. Die Krauts waren die besten Segelflugzeugkonstrukteure der Welt. Niemand ahnte, dass sich die Nazis damit einen entscheidenden Vorteil im Wettrüsten um die gefährlichsten Kriegsflugzeuge verschafften. Als Assistent des britischen Handelsattachés, Sir Reginald Donovan, hatte Duncan es sich in Rio de Janeiro bequem gemacht. Er galt bei seinen Vorgesetzten als unpolitisch, aber pflichtbewusst, schnell und effizient. Seine Freizeit verbrachte er in Begleitung eines britischen Offiziers der »Glasgow«, ein Zerstörer, der in Rio vor Anker lag und die Handelsflotte – gegen wen auch immer – schützen sollte. Duncan hatte in Cambridge Jura studiert und dort als Jahrgangsbester abgeschlossen. Während er darüber nachdachte, sich bei der angesehenen Londoner Anwaltskanzlei »Brooks, Barneby & Sons« zu bewerben, erhielt er von seinem Professor das Angebot, als Jurist in die Handelsabteilung des diplomatischen Dienstes nach Rio zu gehen. Professor Higgins war ein Duzfreund von Sir Reginald Donovan und hatte seinen Namen bei einer gemeinsamen Cocktailparty fallen gelassen. Donovan hatte ihn sich gemerkt und ihn zwei Tage später nach Rio eingeladen. Duncan war von seinem Angebot sofort begeistert und trat die Stelle umgehend an.
Dokumenteneinschub 1/ Auszug aus einem von der Gestapo beschlagnahmten Feldpostbrief von Heinrich Liebesam/ Funker der Brasilienexpedition/ Gestapokarte:
Mein lieber Schatz,
nun sind wir nach einer langen Schiffsreise endlich in Rio de Janeiro angekommen, aber meine Vorgesetzten machen mir das Leben zur Hölle.
Leutnant Kaltenbrunner ist der Schlimmste von allen. Er ist wie ein Reptil, das uns beobachtet, als wären wir ein willkommenes Festessen.
Nicht nur, dass er keine Gelegenheit auslässt, Hanna Reitsch anzufassen, nein, auch die Tatsache, dass er an allem etwas auszusetzen hat, lässt meine Laune auf den Nullpunkt sinken. Kaltenbrunner