H. P. Lovecraft − Leben und Werk 2. S. T. Joshi
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Das klingt zunächst nicht unbedingt nach einer Arbeit, die zu Lovecraft passte. Letztlich bedurfte es jedoch vor allem einer gewissen Geläufigkeit beim Verfassen von Texten, über die Lovecraft zweifellos verfügte. So schwer es ist, sich Lovecraft beim Schreiben von Werbetexten vorzustellen, besitzen wir doch fünf solcher – allerdings wohl unveröffentlichter – Arbeiten, die sich in seinem Nachlass fanden.18 Ein Auszug mag genügen, um sich einen Eindruck zu verschaffen:
Die Palette der Holzmöbel von Curtis Woodworks reicht von klassischen Stücken, die Räumen eine Struktur geben, bis zu überaus geschickten individuellen Lösungen für bewegliche wie auch für Einbaumöbel. Das Angebot umfasst Bücherregale, Kommoden, Anrichten und Schränke. Jedes Modell wird mit größter Kunstfertigkeit, ausgereiftestem Wissen und vollendeter Handwerkskunst entworfen und hergestellt, wobei besonderer Wert darauf gelegt wird, dass es aufs Genaueste mit der Architektur des Hauses harmoniert, für das es angefertigt wird. Zieht man die Qualität der Stücke in Betracht, dann ist das Verhältnis von Preis und Leistung sehr gut. Ein Warenzeichen auf jedem Möbel bürgt dafür, dass es nicht von achtlosen Handwerkern vertauscht wird.
Nicht anders als Lovecrafts berühmtes Bewerbungsschreiben von 1924 sind diese Texte später oft mit Spott und Geringschätzung bedacht worden. Doch muss man sich vor Augen führen, dass die Sprache der Werbung vor siebzig Jahren eine völlig andere war als heute. Zudem versuchten die Firmen, über die Lovecraft schrieb, offenbar den pseudo-aristokratischen Geschmack der damaligen Mittelklasse anzusprechen, wozu Lovecrafts hochtrabender Ton durchaus passte.
Doch leider war der Zeitschrift kein Erfolg beschieden. Schon Ende Juli berichtet Lovecraft, dass Yesleys Projekt in Schwierigkeiten steckte, und kurz darauf muss es endgültig gescheitert sein. Lovecraft erwähnt zwar, dass er und Long – der sich, wie auch Loveman, ebenfalls an dieser Arbeit versucht hatte – für ihre Artikel ein Honorar erhalten sollten, es ist jedoch zweifelhaft, ob sie jemals bezahlt wurden.
Im Februar trat Morton seine Stelle beim Paterson Museum an, wo er für den Rest seines Lebens bleiben sollte. Mitte Juli spricht Lovecraft davon, dass Morton ihn zu seinem Assistenten machen könnte, und diese vage Aussicht wird bis zu Lovecrafts Abreise aus New York im April 1926 immer wieder sporadisch erwähnt. Das Problem war dabei weniger, dass Lovecraft das fachliche Wissen fehlte, um in einem Naturkundemuseum zu arbeiten – Morton selbst musste sich viele Kenntnisse noch in letzter Minute einpauken, um das Bewerbungsgespräch zu überstehen –, sondern dass die finanzielle Situation des Museums es nicht erlaubte, weitere Mitarbeiter einzustellen. Zudem war das Museum in einem Stall in der Nähe der öffentlichen Bibliothek untergebracht, und die Errichtung eines geplanten Neubaus verzögerte sich, sodass auch aus diesem Grund an eine Erweiterung des Personals zunächst nicht zu denken war. Diese Situation hielt während Lovecrafts gesamtem New Yorker Aufenthalt an. Doch nachdem er Ende August Morton in Paterson besucht hatte, scheint Lovecrafts Bedauern darüber deutlich geringer geworden zu sein.
Natürlich erhielt Lovecraft während dieser Zeit immer wieder kleinere Honorarzahlungen von WEIRD TALES. Im Laufe des Jahres 1925 erschienen dort fünf Erzählungen aus seiner Feder (dazu seine Überarbeitung von C. M. Eddys »Deaf, Dumb, and Blind« [April 1925], für die Lovecraft jedoch vermutlich kein Geld verlangt hatte). Für »The Festival« (Januar) erhielt er 35 Dollar, für »The Unnamable« (Juli) 25 Dollar, und das Honorar für »The Temple« (September) betrug 30 Dollar. Über die Höhe des Honorars für die anderen beiden 1925 veröffentlichten Erzählungen – »The Statement of Randolph Carter« (Februar) und »The Music of Erich Zann« (Mai) – gibt es keine Angaben, aber es wird wohl ebenfalls um die 30 Dollar gelegen haben. All diese Erzählungen hatte Lovecraft natürlich schon Jahre zuvor verfasst und vermutlich Ende 1924 oder Anfang 1925 eingereicht. Das Gesamthonorar, das Lovecraft 1925 von WEIRD TALES erhielt, betrug also etwa 170 Dollar – kaum genug, um für vier Monate die Miete seines Apartments zu bezahlen.
Woher aber stammte das übrige Geld, das er für seinen Lebensunterhalt – Miete, Lebensmittel, Wäscherei, kleinere Ausflüge, Kleidung, Haushaltsgeräte – benötigte? Fraglos kam Sonia für das meiste auf, und Lovecrafts Tanten unterstützten ihn, so gut sie konnten. In einem Brief an Samuel Loveman äußert sich Sonia jedoch rückblickend mit einiger Bitterkeit zu diesem Thema:
Als wir in der Parkside Avenue 259 wohnten, schickten ihm seine Tanten jede Woche fünf Dollar. Sie erwarteten von mir, dass ich für ihn aufkam. Als er in die Clinton Street umzog, schickten sie ihm 15 Dollar pro Woche. Die Miete betrug 40 Dollar im Monat. Essen, Geld für die Untergrundbahn, Wäscherei und Schreibzeug kosteten mehr als 5 Dollar die Woche. Für dieses »mehr« kam ich auf. Und wenn ich alle zwei Wochen in die Stadt fuhr, um die Einkäufe für meine Firma zu erledigen, bestritt ich seine gesamten Ausgaben und bezahlte auch für seine Freizeitunternehmungen. Und wenn ich wieder abfuhr, ließ ich ihm immer eine großzügige Summe da …19
Auch in Sonias Erinnerungen an Lovecraft findet sich eine Passage mit ähnlichem Tenor. Mit ihr wollte sie einerseits W. Paul Cooks Darstellung korrigieren, der behauptet hatte: »Er verdiente so gut wie nichts und hatte nur zwanzig Cent pro Tag für Essen zur Verfügung, die er jedoch meistens für Briefmarken ausgab«,20 und andererseits deutlich machen, dass Lovecrafts Tanten ihrer Meinung nach den Neffen nicht ausreichend unterstützten. Allerdings scheint auch Sonia ein wenig übertrieben zu haben. Lovecraft bat seine Tante Annie im Dezember 1924 um 75 Dollar für seinen Lebensunterhalt und die Kosten des Umzugs – eine Summe, die er wahrscheinlich auch erhielt.21 Bestimmte Formulierungen in seinen Briefen lassen darauf schließen, dass dies keineswegs seine erste und einzige derartige Bitte war. Eine Bemerkung über die »stets pünktlichen Schecks«22 in einem Brief an Annie von Ende Februar deutet darauf hin, dass diese, wenn sie auch möglicherweise Lovecraft nicht direkt unterstützte, doch zumindest seine – und vielleicht auch Lillians – finanzielle Angelegenheiten regelte. Während Sonias Aufenthalt in Saratoga Springs im Frühjahr gestand Lovecraft seiner Tante Lillian: »Sie kann im Moment natürlich ihren ursprünglich vereinbarten Anteil an der Miete nicht aufbringen.« Allerdings fügt er hinzu, dass Sonia dennoch, immer wenn es ihr möglich war, kleinere Beträge – zwischen zwei und fünf Dollar – schickte.23 Öfters bedankt sich Lovecraft bei Lillian für die Übersendung nicht näher spezifizierter Geldbeträge, und Annie bezahlte sein Abonnement des PROVIDENCE EVENING BULLETIN, seiner heimatlichen Tageszeitung, die er auch in New York bezog. Mit anderen Worten: Wir haben allen Grund anzunehmen, dass Lovecrafts Tanten ihr Möglichstes taten, um ihren Neffen finanziell zu unterstützen, wenn auch Sonia zweifellos den Löwenanteil seiner Ausgaben bestritt.
Doch wie hoch waren Lovecrafts Lebenshaltungskosten konkret? Die Miete belief sich auf 40 Dollar im Monat. Im Oktober 1925 änderte Lovecrafts Vermieterin die Zahlungsweise jedoch auf 10 Dollar wöchentlich, was faktisch einer Mieterhöhung von drei Dollar pro Monat gleichkam. Angenommen, dass diese Änderung zum 1. November in Kraft trat, dann belief sich die Jahresmiete für Lovecrafts Apartment 1925 auf 490 Dollar. Etwa um diese Zeit berichtet er, dass er fünf Dollar pro Woche für Lebensmittel und andere Waren des täglichen Bedarfs ausgab,24 was etwa 260 Dollar im Jahr entspricht. Wenn wir mindestens 20 Dollar pro Monat für sonstige Ausgaben hinzurechnen (240 Dollar im Jahr), dann kommen wir für das gesamte Jahr auf eine Summe von 990 Dollar. Zu diesem Betrag kann Lovecraft aus eigenen Einkünften kaum mehr als 250 Dollar beigesteuert