H. P. Lovecraft − Leben und Werk 2. S. T. Joshi

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H. P. Lovecraft − Leben und Werk 2 - S. T. Joshi

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Unsinn! Ich esse genug! Nehmen wir ein mittelgroßes Brot, teilen es in vier gleiche Teile & fügen diesen jeweils ¼ Dose (ebenfalls mittelgroß) Heinz-Bohnen & ein großzügig bemessenes Stück Käse hinzu. Wenn das Resultat nicht eine reichliche, gesunde Tagesration für einen alten Gentleman ist, dann trete ich von meinem Posten im Ernährungsausschuss des Völkerbunds zurück! Die Kosten belaufen sich auf nur 8 Cent – aber lass Dich davon nicht in die Irre führen! Es ist gutes, gesundes Essen & mancher kräftige Chinese lebt von weitaus weniger. Natürlich wechsle ich beim »Fleischgang« von Zeit zu Zeit ab, indem ich etwas anderes als Bohnen kaufe – Spaghetti aus der Dose, Rindereintopf, Corned Beef usw. usw. usw. – & gelegentlich füge ich Kekse zum Dessert oder etwas in der Art hinzu. Obst kommt ebenfalls infrage.31

      Diese Passage ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Sie wirft ein grelles Licht auf die verheerende Armut, in der Lovecraft damals lebte und die ihn, wenn auch nicht in derart extremer Form, für den Rest seines Lebens begleiten sollte. Es wird deutlich, dass er sich Restaurantbesuche, selbst in Automatenrestaurants, nicht mehr leisten konnte. Auffällig ist auch der schuljungenhafte Ton, den Lovecraft anschlägt, als wäre er ein Teenager, der versucht, sich seinen Eltern gegenüber zu rechtfertigen. Später im selben Brief greift Lovecraft das Thema noch einmal auf, offenbar nachdem er einen weiteren Brief von Lillian erhalten hatte:

      Großer Gott! Wenn Du den erdrückenden Überfluss nutzloser Nahrungsmittel sehen könntest, mit denen mich S. H. während ihres Aufenthalts hier gemästet hat! Zwei Mal am Tag bis an die Grenzen meiner Aufnahmefähigkeit & darüber hinaus. Rindfleischsülze, Schinken, Brot, amerikanischer & Schweizer Käse, Kuchen, Limonade, Brötchen, gestürzten Pudding (selbst gemacht …) usw. usw. usw. – wie in Pegānas Namen soll ich jetzt noch meine neuen Kragen anziehen!

      Doch selbst unter diesen verschärften Bedingungen fuhr Lovecraft fort, seinen kulinarischen Horizont zu erweitern, sowohl bei gemeinsamen Restaurantbesuchen mit Sonia als auch bei einsamen Erkundungen. Anfang Juli lud Sonia ihn in ein chinesisches Restaurant ein, wo sie jedoch nur das enttäuschende Chow Mein, ein dem amerikanischen Geschmack angepasstes Nudelgericht mit Fleisch und Gemüse, aßen.32 Ende August probierte Lovecraft zum ersten Mal Minestrone, die ihm so gut schmeckte, dass er in der Folgezeit oftmals ins Milan in Manhattan ging und dort eine große Terrine Minestrone für 15 Cent bestellte, die ihm als komplette Mahlzeit genügte.33 Um diese Zeit verkündete Lovecraft seiner Tante Lillian, dass seine Ernährungsgewohnheiten sich »weitgehend italienisiert« hätten, beeilte sich jedoch, zu versichern, dass dies vom Standpunkt der Gesundheit unbedenklich sei: »… ich bestelle stets Spaghetti & Minestrone, außer wenn sie nicht auf der Karte stehen. Diese Gerichte enthalten eine fast ideale Balance von aktiven nahrhaften Bestandteilen: das Getreide, aus dem die Spaghetti bestehen, die Fülle von Vitaminen, die in der Tomatensauce enthalten sind, die Gemüsemischung in der Minestrone & der reichliche geriebene Käse, der beiden Gerichten gemeinsam ist.«34

      Ein Detail wirft jedoch ein bedrückendes Licht auf Lovecrafts Ernährungsgewohnheiten: Im Oktober sah er sich gezwungen, einen Ölheizer für den Winter zu kaufen, da sein Apartment von Seiten seiner Vermieterin, Mrs. Burns, nur unzureichend beheizt wurde – was nicht zuletzt an einem landesweiten Streik der Kohlearbeiter lag.35 Der Ölheizer, den Lovecraft anschaffte, besaß einen Kochaufsatz, sodass er sich von nun an den Luxus erlauben konnte, »warme Mahlzeiten zuzubereiten. Keine kalten Bohnen & Spaghetti mehr …«36 Heißt das, dass Lovecraft sich in den ersten neun Monaten des Jahres hauptsächlich von kalten Konserven ernährt hatte? Auch wenn Lovecraft zu einem früheren Zeitpunkt einmal davon spricht, dass er sich Bohnen auf einem »Sterno« – einem aus einer Dose mit Brennpaste bestehenden Notkocher – zubereitet hat,37 scheint dies die triste Realität gewesen zu sein.

      Auch Lovecrafts Apartment in der Clinton Street 169 war letztlich eine recht trostlose Bleibe. Es lag in einer heruntergekommenen Gegend mit zwielichtigen Bewohnern und wurde von einer Mäuseplage heimgesucht. Um letzterer Herr zu werden, kaufte Lovecraft, auf Anraten von Kirk, Einweg-Mausefallen für fünf Cent pro Stück – »da ich diese wegwerfen kann, ohne das corpus delicti aus ihnen entfernen zu müssen, was bei einem kostspieligeren Mechanismus notwendig wäre«.38 (Später entdeckte Lovecraft sogar noch billigere Fallen, die fünf Cent für zwei Stück kosteten.) Man hat sich aufgrund dieser Episode über Lovecrafts Zimperlichkeit lustig gemacht, aber ich bin überzeugt, dass kaum jemand gern mit den Kadavern toter Mäuse oder anderem Ungeziefer hantiert. In seinem Tagebuch bezeichnet Lovecraft die Mäuse als »Invasoren« oder abgekürzt »Inv.«. Im September musste die Deckenlampe in dem Alkoven, den er als Badezimmer benutzte, repariert werden, aber seine Vermieterin weigerte sich, einen Handwerker zu beauftragen. Lovecraft zeigte sich darüber äußerst irritiert und schrieb an seine Tante Lillian: »Es ist mir unmöglich, einigermaßen bequem ein Bad zu nehmen, das Geschirr zu spülen oder meine Schuhe zu polieren, wenn ich auf die paar schwachen Strahlen Tageslicht angewiesen bin, die von draußen hereinfallen.«39 Diese Situation zog sich bis zum Januar 1926 hin, als – während eines Besuchs von Sonia – ein Elektriker aus einem nahe gelegenen Haushaltswarengeschäft die Reparatur schließlich vornahm. Möglicherweise können wir in dieser Episode einen weiteren Hinweis auf Lovecrafts Unfähigkeit sehen, mit den praktischen Anforderungen des täglichen Lebens zurechtzukommen. Doch die Vermieterin, Mrs. Burns, hatte ihm offenbar gesagt, dass ein Elektriker der Edison Company allein für die Inspektion der Deckenbeleuchtung eine astronomische Summe berechnen würde, sodass Lovecraft aus diesem Grund abwartete, bis Sonia die Angelegenheit regeln konnte.

      Der entscheidende Schlag traf Lovecraft jedoch am Sonntag, dem 24. Mai 1925. Während er auf der Couch schlief, nachdem er die ganze Nacht geschrieben hatte, wurde in den Alkoven, den er als Kleiderschrank und Ankleidezimmer nutzte, eingebrochen. Fast alle seine Anzüge und eine Reihe weiterer Gegenstände wurden entwendet. Die Diebe hatten das Nachbarapartment gemietet, von dem aus eine unverriegelte Tür zu Lovecrafts Alkoven führte, und waren durch diese in seine Wohnung eingedrungen, Sie entwendeten drei Anzüge (von 1914, 1921 und 1923), den Mantel, den Sonia 1924 für ihn gekauft hatte, einen Weidenkoffer aus Sonias Besitz – dessen Inhalt jedoch später im Apartment der Diebe gefunden wurde, das sie verlassen hatten, ohne ihre Miete zu begleichen – und ein teures Radio im Wert von 100 Dollar, das Loveman in Lovecrafts Alkoven gelagert hatte. Nach dem Diebstahl blieb Lovecraft nur noch ein leichter blauer Anzug aus dem Jahr 1918, der über einem Stuhl in seinem Wohnzimmer hing, das die Diebe nicht betreten hatten. Lovecraft entdeckte den Einbruch erst um ein Uhr dreißig nachts am 26. Mai, da er vorher keinen Anlass gehabt hatte, den Alkoven zu betreten. Er war am Boden zerstört:

      Ich kann mich noch nicht mit dem Schock abfinden – mit der unerbittlichen Wahrheit, dass ich keinen Anzug mehr besitze, außer dem dünnen blauen Sommeranzug. Was ich machen soll, wenn die Sachen nicht wieder auftauchen, das weiß der Himmel!

      … am liebsten würde ich fluchen wie ein Rohrspatz. Gerade als ich mich dazu entschlossen hatte, mir einen etwas respektableren Anstrich zu verleihen, indem ich meine Kleidung in Ordnung halte, trifft mich dieser verfluchte, höllische Donnerschlag und bringt mich um meine vier Anzüge und den einzigen wirklich ordentlichen Mantel, den ich besitze, also um das Minimum dessen, was nötig ist, um anständig auszusehen! Zum Hades mit allem!40

      Natürlich tauchte das Diebesgut nicht wieder auf, obwohl Lovecraft Besuch von einem Polizeibeamten bekam, der versprach, sein Bestes zu tun. Doch letztlich gelang es Lovecraft, auf die ganze Situation mit erstaunlichem Humor zu reagieren. Nur zwei Tage später macht er sich in einem langen Brief an seine Tante Lillian über seine missliche Lage lustig:

      Weh über die Gewänder meiner Kindheit in ihrem immerwährenden Glanz, die in der Blüte ihrer ersten paar Jahrzehnte dahingerafft wurden – nicht vom Sensenmann, sondern von räuberischen Händen! Sie kannten den schlanken jungen Knaben früherer Tage & wuchsen, um den beleibten Bürger der Lebensmitte zu kleiden & schrumpften wieder zusammen, um die weise gewordenen Glieder des Alters zu bergen! Und jetzt sind sie dahin – dahin & der graue, gramgebeugte Träger lebt weiter, um seine Blöße zu

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