Vor Sonnenaufgang. Gerhart Hauptmann

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Vor Sonnenaufgang - Gerhart Hauptmann Reclams Universal-Bibliothek

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Ist er schon wieder fort?

      HOFFMANN.

      Nein! Er wird mit uns zu Abend essen. – Womöglich . . . . ja, womöglich auch hier übernachten.

      HELENE.

      Oh Jeses! Da komme ich nicht zum Abendessen.

      HOFFMANN.

      Aber Helene!

      HELENE.

      Was brauche ich auch unter gebildete Menschen zu kommen, ich will nur ruhig weiter verbauern.

      HOFFMANN.

      Ach, immer diese Schrullen! Du wirst mir sogar den großen Dienst erweisen und die [25]Anordnungen für den Abendtisch treffen. Sei so gut! – Wir machen’s ’n bischen feierlich. Ich vermuthe nämlich, er führt irgend was im Schilde.

      HELENE.

      Was meinst Du, im Schilde führen?

      HOFFMANN.

      Maulwurfsarbeit – Wühlen, Wühlen. – Davon verstehst Du nun freilich nichts. – Kann mich übrigens täuschen, denn ich habe bis jetzt vermieden auf diesen Gegenstand zu kommen. Jedenfalls mach’ Alles recht einladend, auf diese Weise ist den Leuten noch am leichtesten . . . Champagner natürlich! Die Hummern von Hamburg sind angekommen?

      HELENE.

      Ich glaube, sie sind heut früh angekommen.

      HOFFMANN.

      Also, Hummern! (es klopft sehr stark) herein!

      POSTPACKETTRÄGER

      (eine Kiste unter’m Arm, eintretend, spricht er in singendem Tone). eine Kist-e.

      HELENE.

      Von wo?

      PACKETTRÄGER.

      Ber-lin.

      HOFFMANN.

      Richtig! es werden die Kindersachen von Herzog sein. (Er besieht das Packet und nimmt den Abschnitt.) Ja, ja, es sind die Sachen von Herzog.

      HELENE.

      Die-se Kiste voll? Du übertreibst.

      HOFFMANN.

      (Lohnt den Packetträger ab.)

      PACKETTRÄGER

      (ebenso halb singend). Schön’n gu’n A-bend (ab).

      HOFFMANN.

      Wieso übertreiben?

      HELENE.

      Nun, hiermit kann man doch wenigstens drei Kinder ausstatten.

      HOFFMANN.

      Bist Du mit meiner Frau spazieren gegangen?

      HELENE.

      Was soll ich machen, wenn sie immer gleich müde wird?

      [26]HOFFMANN.

      Ach was! immer gleich müde. – Sie macht mich unglücklich! Ein und eine halbe Stunde . . . sie soll doch um Gottes Willen thun was der Arzt sagt. Zu was hat man denn den Arzt, wenn . . .

      HELENE.

      Dann greife Du ein, schaff’ die Spillern fort! Was soll ich gegen so ’n altes Weib machen, die ihr immer nach dem Munde geht.

      HOFFMANN.

      Was denn? . . . ich als Mann . . . was soll ich als Mann? . . . und außerdem, Du kennst doch die Schwiegermama.

      HELENE

      (bitter). Allerdings.

      HOFFMANN.

      Wo ist sie denn jetzt?

      HELENE.

      Die Spillern stutzt sie heraus, seit Herr Loth hier ist; sie wird wahrscheinlich zum Abendbrod wieder ihr Rad schlagen.

      HOFFMANN

      (schon wieder in eigenen Gedanken, macht einen Gang durch’s Zimmer; heftig). Es ist das letzte Mal, auf Ehre! daß ich so etwas hier in diesem Hause abwarte. – Auf Ehre!

      HELENE.

      Ja, Du hast es eben gut. Du kannst gehen, wohin Du willst.

      HOFFMANN.

      Bei mir zu Hause wäre der unglückliche Rückfall in dies schauderhafte Laster auch sicher nicht vorgekommen.

      HELENE.

      Mich mache dafür nicht verantwortlich! Von mir hat sie den Branntwein nicht bekommen. Schaff’ Du nur die Spillern fort, ich sollte bloß ’n Mann sein.

      HOFFMANN

      (seufzend). Ach, wenn es nur erst wieder vorüber wär’! – (in der Thür rechts) also Schwägerin, Du thust mir den Gefallen: einen recht apetitlichen Abendtisch! Ich erledige schnell noch eine Kleinigkeit.

      [27]HELENE

      (drückt auf den Klingelknopf. Miele kommt). Miele, decken Sie den Tisch! Eduard soll Sekt kalt stellen und vier Dutzend Austern öffnen.

      MIELE

      (unterdrückt, batzig). Sie kinn’n ’s ’m salber sagen, a nimmt nischt oa vu mir, a meent immer: a wär ok beim Inschinnär gemit’t.

      HELENE.

      Dann schick’ ihn wenigstens rein.

      (Miele ab. Helene tritt vor den Spiegel, ordnet dies und das an ihrer Toilette; währenddeß tritt Eduard ein.)

      HELENE

      (immer noch vor dem Spiegel). Eduard, stellen Sie Sekt kalt und öffnen Sie Austern! Herr Hoffmann hat es befohlen.

      EDUARD.

      Sehr wohl, Fräulein. (Eduard ab. Gleich darauf klopft es an die Mittelthür.)

      HELENE

      (fährt zusammen). Großer Gott! – (zaghaft:) Herein! – (lauter und fester:) herein!

      LOTH

      (tritt ein ohne Verbeugung). Ach, um Verzeihung! – ich wollte nicht stören, – mein Name ist Loth.

      HELENE

      (verbeugt sich tanzstundenmäßig).

      STIMME HOFFMANN’S

      (durch die geschlossene Zimmerthür). Kinder!

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