Die Mineralwasser- & Getränke-Mafia. Marion Schimmelpfennig

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Kerala erklärte dieses Vorgehen 2005 allerdings für unwirksam und begründete seine Entscheidung mit den Ergebnissen eines „Expertenberichts“. Es stellte sich heraus, dass ein Mitglied dieser Expertengruppe ein Vertreter von Coca-Cola war. Letztlich haben die Bürger der Gemeinde aber doch noch einen Sieg davontragen, denn nach weiteren Protesten und einer langen gerichtlichen Auseinandersetzung musste Coca-Cola die Fabrik schließen, berichtete die BBC im Februar 2011. Die Bürger hätten darüber hinaus ein Anrecht auf Entschädigung.

      Auch der Konzern Danone lässt sich nicht lumpen: In einer Kleinstadt in der Nähe von Solo in Zentral-Java stellt der französische Multi Aqua-Danone Flaschenwasser her. Um an die unterirdischen Wasservorräte zu gelangen, musste das Unternehmen nur wenig Land erwerben. Schätzungsweise 64 Liter in der Sekunde Wasser fördert das Unternehmen. Das scheint Auswirkungen zu haben, denn es kommt immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den Bauern in der Umgebung. Sie sind verzweifelt und erbost, weil sie ihre Nassreis-Felder aufgrund des stark gesunkenen Grundwasserspiegels nicht mehr ausreichend bewässern können.

      Es gibt genügend Wasser auf der Welt. Theoretisch jedenfalls, denn das Wasser ist sehr ungleich verteilt. Doch häufig ausgerechnet dort, wo dieser wichtige Rohstoff knapp ist, beuten Konzerne wie Nestlé, Danone, PepsiCo oder Coca-Cola die bestehenden Vorkommen aus und verkaufen sie für viel Geld in Flaschen weiter. Nicht selten direkt in der Nachbarschaft, und immer mit riesigen Gewinnen. Kein anderes Lebensmittel ist billiger zu haben und verspricht üppigere Margen, und die Märkte sind noch lange nicht gesättigt. Die Konzerne reiben sich bereits die Hände … Das Ganze erinnert an den Ölboom der 1930er Jahre. Banken locken in ihren Hochglanzbroschüren mit Sprüchen wie „Wasser, das Öl des 21. Jahrhunderts“. Willem Buiter, Chefökonom von Citigroup:

      „Wasser als Anlagekategorie wird zur wichtigsten physischen rohstoff-basierten Anlageklasse überhaupt werden und Öl, Kupfer, Agrarrohstoffe und Edelmetalle in den Schatten stellen.“

      Wasser muss etwas kosten. Und wenn es das Leben von Menschen ist.

      Lesen Sie dazu bitte auch das Interview mit dem Soziologen und Globalisierungskritiker Jean Ziegler im Anhang des Buches: „Wir lassen sie verhungern.“

      Dass Regierungen an Konzerne Wasserlizenzen vergeben, hat Strategie, denn es geht um viel mehr als um die Produktion von Flaschenwasser: Man kann davon ausgehen, dass auch die Wasser- und Abwasserversorgung vieler Länder künftig an Privatunternehmen verkauft wird. Verkauft werden muss, denn die Länder sind hoffnungslos verschuldet. Zahlreiche Schwellen- und Entwicklungsländer lassen sich dazu übrigens von der 2030 Water Resources Group (WRG) beraten. Deren Präsident? Peter Brabeck-Letmathe, Firmenboss von Nestlé.

      Der Startschuss für den Ausverkauf des Wassers fiel schon vor vielen Jahren. Die Weltbank hatte 1992 damit begonnen, die Wasserprivatisierung in Entwicklungsländern zu fördern und zu unterstützen. 1998 empfahl die UN Kommission für nachhaltige Entwicklung diesen Regierungen, sich an große multinationale Unternehmen zu wenden, um deren Wissen und Expertise zu nutzen. Die meisten Entwicklungsländer haben übrigens überhaupt keine Wahl, ob sie Gelder von der Weltbank annehmen wollen oder nicht. Doch jedes Land, das die Weltbank hereinlässt, lässt damit natürlich auch Konzerne wie Coca-Cola, PepsiCo, Nestlé, SUEZ oder Veolia in den inneren Kreis der Regierung hinein …

      Die Finanzmärkte bereiteten sich zur selben Zeit vor. Der weltweit tätige Finanzdienstleister Goldman Sachs war eine treibende Kraft bei der Gründung des World Resources Institute (WRI) und etablierte einen Finanz-Index, der „wasserbezogene Risiken bei Unternehmen und ihren Investoren misst und absichert“. Der Index berücksichtigt Daten wie Wasserknappheit und Wasserqualität. Die Wasserbranche profitiert seit vielen Jahren von einem hohen und weitgehend krisensicheren Wachstum. An der Börse sind für Anleger dadurch überdurchschnittliche Kursgewinne von bis zu 60 Prozent möglich (wieviel Prozent Zinsen bekommen Sie nochmal für Ihr Sparguthaben?). Wasser ist seit langem ein Spekulationsobjekt. Dies führt häufig zu grotesken Situationen, zum Beispiel in Australien. Die Regierung hatte in den 1990er Jahren ihr größtes Wasservorkommen – eine Region im Murray Darling Basin – an Investoren verkauft. Im darauffolgenden Jahrzehnt wurde Australien von einer furchtbaren Dürre heimgesucht, und der spekulative Markt explodierte daraufhin. Australien musste Land bzw. Wasserrechte zu horrenden Preisen zurückkaufen. Der Gewinn für die Spekulanten betrug mehrere Milliarden Dollar.

      Die Situation in Europa ist übrigens noch lange nicht ausgestanden: Das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA dient den Interessen der Konzerne – und nicht den Bürgern. Zum einen öffnet es Privatisierungen Tür und Tor. Das Abkommen soll es Konzernen nämlich erleichtern, auf Kosten der Allgemeinheit Profite bei Wasserversorgung, Gesundheit oder Bildung zu machen. Zum anderen kann der Schuss auch finanziell in die Hose gehen. Ausländische Konzerne können Staaten auf hohe Schadensersatzzahlungen verklagen, wenn sie sich – zum Beispiel durch „unfaire“ Gesetze – benachteiligt fühlen. Dies kann man am Beispiel NAFTA (Nordamerikanisches Freihandelskommen) bereits jetzt schon sehr schön in der Praxis beobachten: 2001 belegte Mexiko alle Produkte, die den besonders gesundheitsschädlichen Zuckersirup Isoglukose enthielten, mit einer Steuer. Ein Konzern klagte auf entgangene Gewinne. Die Rechtsgrundlage der Klage: Der Investorenschutz der NAFTA. Mexiko verlor und musste 58 Millionen Dollar Schadensersatz zahlen. Unter www.state.gov/s/l/c3439.htm können Sie selbst einsehen, wie viele Klagen von wem gegen wen eingereicht wurden und welches Land bisher am meisten „bluten“ musste. Ein T(t)ip: Die USA sind es nicht.

      Übrigens: Wenn TTIP erst einmal da ist, werden wir es auch nicht wieder los, denn Vertragsänderungen müssten von allen Vertragspartnern genehmigt werden. Da die EU den Vertrag abschließt, könnte Deutschland den Vertrag auch nicht kündigen. Mitgehangen, mitgefangen.

      Lesen Sie dazu auch bitte den Beitrag des Juristen Axel Fischer im Anhang des Buches: TTIP – die schleichende Entstaatlichung der „Alten Welt“.

      Dass Nestlé-Chef Brabeck auch Präsident der 2030 Water Resources Group (WRG) ist, war für mich Grund genug, dieser ominösen Gesellschaft ein bisschen nachzuschnüffeln. Sie gibt sich den Anschein von Neutralität, wird aber von Unternehmen wie Barilla, Coca-Cola, The International Finance Corporation, McKinsey, Nestlé oder Syngenta finanziert und gesteuert. 2009 veröffentlichte die WRG ein umfangreiches Dokument mit dem Titel „Charting Our Water Future. Economic frameworks to inform decision-making“ (Die Gestaltung unserer Wasserzukunft. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen für fundierte Entscheidungsfindung). Im Vorwort kommt (der damalige) Prinz Willem-Alexander von Oranien-Nassau in seiner Funktion als Vorsitzender im Bereich Wassernutzung der Vereinten Nationen zu Wort. Er sagt:

      „Wenn Wasser jeden angehen soll, dann müssen die Beteiligten in Ländern mit Wasserknappheit zusammenkommen und einige schwierige Zugeständnisse auf dem Weg zu sicheren Wasserressourcen machen. Einige Lösungen könnten unpopuläre politische Veränderungen und die Einführung von wassersparenden Technologien bei Millionen von Farmern erfordern. Die Gespräche unter den Beteiligten müssen sich also auf wirtschaftliche und soziale Prioritäten konzentrieren, wie viel Wasser benötigt wird, damit diesen Prioritäten entsprochen werden kann, und bei welchen der schwierigen Herausforderungen es sich lohnt, dieses Wasser zu beschaffen.“

      Was sagt der Holländer wirklich? Er sagt, dass sich Schwellen- und Entwicklungsländer auf harte Zeiten einstellen dürfen. Politisch dürfte es schwierig werden, soziale Unruhen liegen deshalb durchaus im Bereich des Möglichen. Die Bauern müssen irgendwie überredet werden, viel Geld für Wassertechnologie auszugeben. Sollte sich etwas wirtschaftlich oder sozial (!) nicht rechnen, sollte es gar nicht erst versucht werden.

      Auch viele andere Ausführungen in diesem Dossier sind äußerst vielsagend. Und nicht minder erschreckend und kaltschnäuzig:

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