Liebesheilung: 7 Arztromane großer Autoren. A. F. Morland

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Liebesheilung: 7 Arztromane großer Autoren - A. F. Morland

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Sie bewegte nervös die Finger, suchte nach Worten.

      „Ja? Sag es.“ Er hörte zu rühren auf.

      „Ich … ich glaube, ich habe Krebs!“ Ihre Augen waren groß und weit, ihre Stimme ganz leise und voller Not und Verzweiflung.

      In die Stille tickte die Wanduhr.

      „Krebs? Sagt das Hermann? Ist er verrückt?“, brauste er etwas auf.

      Hermann hatte ihn vorgewarnt. Dennoch traf es ihn wie ein Schlag so, wie sie es sagte. Sie war felsenfest überzeugt.

      „Das ist doch ganz ausgeschlossen“, fuhr er ruhiger fort. „Wie solltest du ...?“ Er schüttelte den Kopf.

      „Ich bin mir ziemlich sicher – doch, Walter!“ Ihre Stimme war ohne Kraft.

      „Wieso bist du dir sicher? Wer hat dich untersucht?“

      „Niemand, aber die Diagnose – ich hab’s in einem Buch gefunden.“

      „Buch, Buch!“, sagte er geringschätzig. „Papier ist geduldig. Und überhaupt, wo ist eine fix und fertige Diagnose gedruckt?“

      „Die Symptome sind eindeutig.“ Ihre Stimme war kaum zu verstehen.

      Eva-Maria saß zusammengesunken auf dem Stuhl. Wie ein Häufchen Elend! Hilfsbedürftig, wie Walter sie nie zuvor sah.

      Er rückte den Stuhl herum und fasste behutsam nach ihren Händen. „Jetzt vergessen wir mal Symptome und Buch und Hermann, und du erzählst mir alles, ja? Wo gibt’s denn das, dass man ohne Untersuchung sagt, man glaubt, Krebs zu haben. Du bist kein Arzt.“

      „Aber Hermann.“

      „Der hat dich nicht untersucht, und am Telefon weißt du, ich halte ihn für einen sehr gewissenhaften Medizinmann, der seinen Beruf ernst nimmt und vor allem liebt. Er stellt doch keine telefonische Diagnose.“

      Ihr abwesender Blick kehrte zu ihm zurück. „Es ist doch alles so eindeutig.“

      „In der Medizin ist gar nichts eindeutig, so lange jedenfalls nicht, bis man umständliche Untersuchungen gemacht hat und das Ergebnis in der Hand hält. Das hat Hermann immer gesagt, wenn wir mal auf das Thema Krankheiten und Krankenhaus zu sprechen kamen, erinnere dich bitte. Wie kommst du nur auf eine derart absurde Idee?“

      Ihre Hände zuckten. Er fasste sie fester und barg sie in den seinen wie kleine verschüchterte Vögel.

      „Du bist ein sehr kritisches Mädchen, und das mag ich doch so an dir. Meinst du nicht, dass du sagen wir mal falsche Schlüsse gezogen hast? Schau, wir sind beide keine Mediziner, wir können so etwas gar nicht wissen, dazu fehlen uns alle Voraussetzungen. Du bist krank, du hast etwas, ich hab’s heute Morgen gesehen, und es wäre besser gewesen, wenn du mir gleich etwas gesagt hättest, statt dich damit herumzuquälen, aber da redet man doch nicht gleich von na ja. Du hast jetzt Angst, ich seh’ dir’s an, aber stimmst du mir nicht zu?“

      Ihr Blick tat ihm weh.

      „Du siehst das zu einfach, du hast meine Schmerzen nicht.“

      „Ich mach’ dir doch keine Vorwürfe, mein Schatz. Du gehst zu einer Untersuchung, und dann siehst du, dass deine Angst unbegründet ist, abgemacht?“

      „Morgen.“

      Himmel, er musste sich immer noch verstellen! Er fühlte sich unwohl und hielt sein Verhalten für unfair. Aber er hatte es Hermann Mittler versprochen, Ahnungslosigkeit und Unbefangenheit zu zeigen. Eine sehr anstrengende Therapie, wahrhaftig!

      „Was ist morgen?“

      „Hermann hat mir einen Termin besorgt. Um elf muss ich in Bonn sein.“

      Sein Herz klopfte zum Zerspringen. Wurde er rot, schwitzte er? Jetzt musste sie doch etwas merken!

      Er zwang sich zu einem unbekümmerten Lächeln, gerade so viel, dass sie es nicht als kränkend oder verständnislos auffassen konnte. „Da fahre ich dich rüber. Ist doch seltsam ...!“

      „Du kannst jetzt nicht aus der Firma weg. Was ist seltsam?“

      „Und ob ich kann, mein Schatz! Ich habe der guten Olga heute nämlich eröffnet, dass ich morgen durch Abwesenheit glänze. Der Kentenich hat heute nicht die Zustimmung der Abteilungen zu seinem Einsparungsplan gekriegt. Jetzt will er uns morgen wieder sehen; er meint, er könnte uns unsere Einwilligung abpressen. Als er den Termin für morgen festsetzte, hatte ich eine verrückte Idee. Ich geh’ nicht hin, ich geh’ erst gar nicht in die Firma. Das gibt einen Krach, wie wir ihn in zehn Jahren nicht hatten, und am aufgewirbelten Staub verschluckt er sich hoffentlich.“

      „Walter, das kannst du nicht machen!“, sagte sie besorgt, fast eine Spur entsetzt. „Das lässt sich die Chefetage nicht gefallen.“

      „Genau das habe ich mir auch überlegt. Entweder schlafen sie dann dort weiter, und dann ist es ziemlich egal, ob sie mich rauswerfen oder ob ich den siegreichen Untergang noch mitmachen darf. Oder sie fragen sich, was mich in Teufels Namen gebissen hat. Ich baue darauf, dass es ein ziemliches Getuschel gibt. Notfalls marschiere ich rauf und legte meine Pläne und Absichten in Kurzform dar.“

      „Bitte, tu’s nicht, Walter!“

      „Doch. Ich bin da anderer Meinung. Erinnerst du dich an den Film, den wir mal gesehen haben? Das ist schon eine Ewigkeit her, mir fällt auch der Titel nicht ein. Aber die Kernszene habe ich im Gedächtnis. Und an die dachte ich, als ich mir das Geschwafel heute anhören musste.“

      „Eine Szene aus einem Film?“, meinte sie. Es hörte sich an, als würde sie fragen, ob er noch bei Sinnen war.

      Er lachte. „Du guckst mich an wie einen Traumtänzer, wirklich! Zugegeben, Film das ist etwas hochgestochen, manchmal verkitscht und mit Schmalz dran. Aber irgendwo enthält so ein Streifen für ein paar Leute auch nützliche Hinweise, ein paar Körnchen Wahrheit oder sonst etwas. Für mich war’s diese verrückte, eigentlich sehr unrealistische Szene. Der englische Außenminister weilt zu einem Treffen mit westlichen und östlichen Kollegen in Genf, macht einen Vorschlag zur Beseitigung der weltweiten Spannungen und erntet schroffe Ablehnung. Man vertagt sich. Der gute Mann bummelt anderntags durch die Stadt, er hat Zeit, die nächste Sitzung ist auf fünf Uhr nachmittags angesetzt. Er hängt seine Leibwächter ab, klettert in ein Ruderboot und freundet sich mit dem Besitzer des Bootes an, einem Jungen, zehn oder zwölf oder vierzehn, ich weiß es nicht mehr. Man rudert auf den See, und durch ein kleines Malheur gehen die Ruder verloren. Der Außenminister lebt in tausend Nöten, der Sitzungsbeginn rückt näher, schließlich resigniert er. Es ist nicht mehr zu schaffen. Und warum soll er sich eilen? Sein Vorschlag ist ja schon abgelehnt. Die zwei Bootsinsassen fischen nach einiger Zeit die Ruder heraus und Pullen ans Ufer zurück, der Außenminister zockelt zurück zum Sitz der englischen Delegation. Dort erfährt er, dass sein Vorschlag angenommen wurde bei einer fehlenden Stimme, seiner eigenen nämlich. Was war passiert? Sein unfreiwilliges Fernbleiben von der Sitzung legte man als Verbitterung über die Ablehnung seines Vorschlages aus, man besann sich und fand, dass der Vorschlag so übel nicht war und Prestigedenken irgendwo enden muss. Ich bin nicht größenwahnsinnig und auch nicht der englische Außenminister, aber einen Versuch ist es wert, meinst du nicht?“

      „Du hast vielleicht Einfälle! Jetzt, wo du’s sagst, erinnere ich mich

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