YOLO. Paul Sanker
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Als sie um den nächsten Felsvorsprung bogen, tauchten plötzlich drei Trolle vor ihnen auf. Sie sahen mit ihren klobigen, schwarz behaarten Körpern und Gesichtern furchterregend aus. Die winzigen roten Augen starrten die Kämpfer böse und heimtückisch an.
Die Trolle waren mit Kurzschwertern bewaffnet, deren Klingen grünlich glänzten, ein untrügliches Zeichen, dass die Waffen mit Gift bestrichen waren. Zähnefletschend, mit Fäden ziehendem Schaum vor den Mäulern, griffen sie an.
Hard2drive und Donnergott erwarteten den Angriff Seite an Seite stehend. Der Paladin schwang sein Schwert und der Waffenarm des vordersten Trolls flog abgetrennt durch die Luft. Eine Blutfontäne spritzte pulsierend aus der klaffenden Wunde am Rumpf des Ungeheuers, das zu Boden stürzte und grässliche Kreischlaute ausstieß.
Den zweiten Gegner erledigte Donnergott durch einen Hieb mit der Axt, der den Schädel des Feindes mit einem kurzen Knirschen zertrümmerte.
Troll Nummer drei fiel über den Körper seines niedergestreckten Kameraden und wurde durch einen Schwertstreich des Paladins erlegt.
Ohne die drei Leichen zu beachten, lief der Trupp weiter. Kurz darauf standen die Kämpfer auch schon am Eingang des Talkessels, in dem sich das Dorf der Trolle ausbreitete.
Nun sahen sie auch Shiva-Warrior, der sich augenscheinlich in Schwierigkeiten befand. Er stand wie zur Salzsäule erstarrt inmitten einer Gruppe von fünf Trollen, die unablässig mit Knüppeln und Schwertern auf ihn einschlugen.
Shiva musste seinen Abwehrschirm aktiviert haben, sonst wäre er schon längst tot gewesen. Doch das bläuliche Schimmern um den bewegungslosen Körper des Schurken zeigte, dass etwas nicht stimmte.
Deadlysorc: Shiva wurde von einer Frostaura getroffen. Einer der Trolle muss Magier sein.
Hard2drive: Schon klar. Da hinten zwischen den Pinien sehe ich das Bürschchen.
Etwa fünfzig Meter rechts von ihnen stand ein großer Troll mit einer schwarzen Robe und einem violetten Umhang bekleidet, während seine Artgenossen nur braune, speckige Lederhosen und Wämser trugen.
Das war der Magier. Er starrte Shiva unentwegt an und rührte sich nicht.
Hard2drive: Livingdead, dein Auftritt! Schick deine magersüchtigen Freunde zu dem Bürschchen rüber. Und du, Sorc, heiz' den übrigen Typen ein bisschen ein!
Plötzlich schien die Erde zu beben und zu brodeln. Aus immer breiter werdenden Rissen zu Füßen der Gildenmitglieder erhoben sich wie aus Gräbern fünf Skelette und schritten mit Messern bewaffnet auf den Magiertroll zu. Donnergott schloss sich ihnen an.
Währenddessen ergoss sich ein Regen aus glühender Lava auf die fünf Trolle, die auf Shiva einschlugen. Erschreckt versuchten sie, zu fliehen. Der Paladin stürmte zwischen sie und schlug zweien von ihnen die Köpfe ab. Die Übrigen machten sich Richtung Dorf davon.
Inzwischen hatten die Skelette den Trollmagier erreicht. Diesem gelang es, mit dem Schwert zwei der Gerippe zu zerschlagen, doch dann wurde er von Donnergotts Keule mit einem einzigen Hieb ins Jenseits befördert.
Shiva-Warrior hatte sich aus seiner Erstarrung gelöst und torkelte benommen auf seine Gefährten zu. Ohne Wisemans Heilungszauber hätte er den heimtückischen Überfall der Trolle nicht überlebt.
In der Ferne war zu erkennen, dass sich etwa sechzig Trolle im Dorf um das Lagerfeuer versammelt hatten und die Kämpfer mit lautem Heulen und Kreischen erwarteten.
Hard2drive: Also los! Showtime, Freunde! Sorc, mach sie fertig! Alles Weitere erledigen wir.
Der Himmel über dem Dorf verdunkelte sich und ein tosender Sturm entlud sich über den Köpfen der Ungeheuer. Ein Feuerregen prasselte auf sie herab. Im Nu brannten die Hütten nieder. In Panik versuchten die Trolle zu entkommen, sofern sie nicht lebendigen Leibes verbrannten.
Doch nun setzten sich die Gildenmitglieder in Begleitung von zwanzig Skelettkriegern in Bewegung, um den Feind endgültig zu vernichten. Minuten später war das Gemetzel vorbei.
Nicht nur die Waffen der Gildenmitglieder waren danach blutbesudelt, sondern auch deren Rüstungen und die Kleidung. Die Quest war beendet.
Um Hard2drives Rüstung bildete sich eine gleißende, goldgelbe Aureole als Zeichen dafür, dass er das nächste Level erreicht hatte – Level fünfundneunzig. Zufrieden stieß er das blutige Schwert in den Boden.
Die Schatztruhe mit den verzauberten Gegenständen fanden sie in der niedergebrannten Hütte des Magiertrolls. Für jeden Spielcharakter war ein passendes Item dabei.
Deadlysorc bekam einen Ring, durch dessen Zauberkraft Feinde die Orientierung verloren und hilflos umherirrten. Donnergott erhielt ein Amulett, das ihn für zehn Sekunden unsichtbar machte. Wiseman passte ein Paar Stiefel, mit dem er doppelt so schnell laufen konnte wie gewöhnlich. Livingdead nahm sich einen Umhang, der ihn vor Fernangriffen mit Pfeilen und Speeren schützte. Für Shiva-Warrior erwies sich ein Wams als geeignet, das die Angriffsgeschwindigkeit des Schurken verdoppelte.
Schließlich blieb ein schwerer, edelsteinbesetzter schwarzer Armreif aus einem unbekannten Metall übrig. Die Gefährten betrachteten ehrfürchtig den seltsamen Gegenstand.
Donnergott: Da ist was eingraviert. Was steht da?
Wiseman: Es ist schwer zu entziffern. Die eingravierte Schrift ist ziemlich verschnörkelt und fast verblasst. Aber … Augenblick. Gleich hab ich's! Da steht: Armreif des schwarzen Schattenmagiers.
Livingdead: Wer ist denn der schwarze Schattenmagier?
Hard2drive: Völlig egal, wer der Kerl ist oder war. Jetzt gehört das Ding mir.
Damit nahm der Paladin Wiseman den Armreif aus der Hand und streifte ihn sich übers Handgelenk.
Donnergott: Was kann das Teil denn?
Deadlysorc: Ja, genau. Welche Eigenschaften hat es? Feuerzauber? Blitze? Naturzauber?
Wiseman: Oder gibt das Item einen Schutzzauber?
Hard2drive betrachtete den Armreif nachdenklich und schüttelte den Kopf. Keine Ahnung. Aber ich werde schon rauskriegen, was damit los ist.
Die Gruppe säuberte ihre Waffen und machte sich bereit für den Abmarsch.
Hard2drive: So, Feierabend für heute. Ich muss jetzt weg und noch ein paar Videos zurückbringen. Macht's gut, Leute.
Sie verabschiedeten sich voneinander.
Save game und Log-out.
Henrik Wanker fühlte sich todmüde. Ihm war übel – vermutlich von der zu hastig verschlungenen Pizza. Und Kopfschmerzen hatte er auch. Er ging ins Bad, um sich vielleicht doch die Zähne zu putzen und den schlechten Geschmack loszuwerden.
Als er in den Spiegel sah, stieß er ein erstauntes Hä? hervor. An seiner linken Wange klebte ein dünner Streifen angetrockneten Blutes. Hatte er sich beim Rasieren geschnitten? Doch ihm fiel ein, dass er das schon seit zwei Tagen nicht mehr getan hatte. Er wischte sich das Zeug aus dem Gesicht. Da zeigte sich, dass die Haut darunter unversehrt war. Es handelte sich also eindeutig nicht um sein eigenes Blut. Aber wo sollte es sonst hergekommen sein? Seltsam.