YOLO. Paul Sanker
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Aus Tulsadooms Gesicht entwich die Farbe. Sein Blick war nun hasserfüllt. Er ballte die Hände zu Fäusten. Doch schnell hatte er seine Beherrschung wiedergewonnen. Ohne ein weiteres Wort stand er auf und schritt zum Ausgang. Bevor er den Raum verließ, drehte er sich noch einmal um.
Tulsadoom: Wir sehen uns wieder, Pala. Und zwar schneller als du glaubst. Vielleicht nimmst du dein Maul dann nicht mehr so voll wie jetzt.
Dann war er verschwunden.
Bald darauf verließ auch Hard2drive den Gasthof und ritt weiter durch den Elbenwald. Doch die Lust am Spiel war ihm vergangen. Schon nach kurzer Zeit loggte er sich aus.
Henrik Wanker hatte schlechte Laune. Zuerst der Reinfall mit dieser Ratte von Pfandleiher und dann im Game die Begegnung mit Tulsadoom, die ihn im Nachhinein mehr beunruhigte, als er sich eingestehen wollte. Es war offensichtlich kein Zufall gewesen, dass er den Druiden getroffen hatte. Vielmehr schien der auf ihn gewartet zu haben. Was sollte das bedeuten?
Als er sich gedankenverloren am Hinterkopf kratzte, fiel etwas aus seinen ungekämmten, fettigen Haaren auf den Flokati. Er bückte sich und hielt ratlos ein gelbbraunes, vertrocknetes Buchenblatt in der Hand.
3 | Franks Bar
Henrik hatte sich mit Tobi für abends um acht zum Kino verabredet. Eigentlich wollte er den vierten Teil von Rambo sehen, doch da der Film erst ab sechzehn Jahren freigegeben war und man Tobi nicht reinlassen wollte, gingen sie stattdessen in eine Komödie mit Til Schweiger in der Hauptrolle.
Wie Henrik erwartet hatte, war der Film zum Gähnen langweilig und seine Laune daher entsprechend schlecht, als sie gegen halb elf das Kino verließen. Zu allem Übel kamen sie draußen in einen Nieselregen. Henrik hatte einen Fußmarsch von etwa einer halben Stunde vor sich. Mit dem Bus fahren wollte er nicht, da ihm das Geld dafür zu schade war. Im letzten Monat hatte man ihn bereits zweimal beim Schwarzfahren erwischt.
»Was machen wir jetzt, Keule? Der Abend ist noch lang und morgen ist Sonntag.« Tobi war bester Laune wie immer. Er hatte den Til-Schweiger-Film zum Brüllen komisch gefunden und war unternehmungslustig bis unter die Halskrause.
»Was soll’n wir schon machen?«, raunzte Henrik missmutig, den Kopf mit den nassen Haaren in den hochgeschlagenen Kragen seiner Cordjacke eingezogen. Die Hände hatte er in den Taschen seiner Jeans vergraben. »Wir machen, dass wir bei dem Mistwetter auf schnellstem Wege nach Hause kommen. Ich habe keine Lust, morgen früh mit Grippe im Bett zu liegen.« Während er sprach, beschleunigte er seinen Schritt, den Blick stur auf den Bürgersteig gerichtet.
»Ach, sei kein Spielverderber!« Tobi knuffte Henrik gegen den Arm und lachte. Er war mit seinen hundertsiebzig Zentimetern Körpergröße nicht viel kleiner als der Freund, wog aber nur fünfzig Kilo. Henrik zog ihn oft auf, indem er ihn mit Livingdeads Skelettkriegern verglich.
Tobi nahm es mit Humor. Nichts konnte ihm die Laune verderben. Mit der rostrot gefärbten Igelfrisur, dem Piercing im rechten Nasenflügel und der Lücke im Frontzahnbereich wirkte er auf seine Umgebung nicht sehr vertrauenerweckend. Insbesondere, wenn er – wie heute – das T-Shirt trug, auf dem der Schriftzug Schluck, du Luder! stand.
In Wahrheit war der Junge gutmütig und völlig harmlos. Allerdings fand Henrik, dass er für sein Alter die Klappe viel zu weit aufriss. Er hatte Tobi vor zwei Jahren kennengelernt, natürlich im KoF. Dort hatte er ihm bei einer schwierigen Quest geholfen. Seitdem verabredeten sie sich regelmäßig im Game. Eines Tages war Tobi auf die Idee gekommen, sich im Real Life zu treffen. Henrik wusste bis heute nicht, warum er darauf eingegangen war. Auf jeden Fall verabredeten sie sich zum Kinobesuch.
Obwohl Tobi ständig redete, nur Unsinn quatschte und Henrik darauf meist genervt und unfreundlich reagierte, gewöhnten sie sich schnell aneinander. Tobi lieferte immer Ideen zu irgendwelchen Unternehmungen. Egal, ob Kino, Freibad, Pizzaessen oder einfach nur in der Stadt rumhängen – Henrik ging mit. Das hielt ihn nicht davon ab, ständig an allem herumzunörgeln, doch Tobi blieb immer bester Laune und machte unermüdlich Witze.
»Komm, wir gehen ins Molocco.« Tobi zwinkerte Henrik aufmunternd zu und zog ihm am Ärmel. »Es ist gleich um die nächste Ecke. Da können wir abwarten, bis der Regen vorbei ist und uns eine Kola genehmigen.«
Henrik zögerte kurz, dann seufzte er ergeben. »Na gut. Aber nur, wenn es die Kola gratis gibt.«
Die Chancen dafür standen gut. Im Molocco arbeitete nämlich Tobis Bruder Frank als Barkeeper, weshalb auch die Türsteher Tobi gut kannten und ihn – wenn es keiner mitbekam – heimlich einließen.
So lief es auch diesmal. Das Innere des Schuppens war einer Gruft nachempfunden und daher ziemlich dunkel. Die Fackelattrappen warfen indirektes rotviolettes Licht an die schwarz gestrichenen Wände. Die Tische glichen Särgen mit Totenköpfen als Aschenbechern. Von der kuppelförmigen Decke hing ein riesiges, auf den Kopf gestelltes Holzkreuz, an dem Spots montiert waren, die im Rhythmus der Musik Lichteffekte auf die Tanzfläche projizierten.
Das Publikum war zumeist zwischen achtzehn und dreißig Jahren alt und kam überwiegend aus der Gothicszene: Nach Henriks Meinung harmlose Irre, die in gruseligen, schwarzen Klamotten umherrannten und mit den schwarz gefärbten Haaren und blassen Gesichtern wie der leibhaftige Tod aussahen.
Das Molocco war als Umschlagsplatz diverser weicher und harter Drogen bekannt. Einmal gerieten die beiden dort in eine Polizeirazzia. Tobi konnte in letzter Sekunde über ein Klofenster entkommen. Henrik dagegen wurde mit einem Joint erwischt, den Tobi ihm gedreht hatte, und musste mit aufs Revier. Die halbe Nacht hatte er dort zugebracht. Danach war Henrik stinksauer auf den Freund und beschimpfte ihn auf übelste Weise. Tobi hatte getan, was er immer tat: Er lachte sich kringelig und fand die Geschichte urkomisch.
Die Freunde wühlten sich durch die Menge und arbeiteten sich in Richtung Bartresen vor. Tobi grüßte seinen Bruder Frank mit einem kurzen »Hallo!« und bestellte dann zwei Kola.
Frank mixte einem der Gäste gerade einen »Zombie«, einen hochprozentigen, rumhaltigen Cocktail von giftig-grüner Farbe. Er bedachte die beiden mit einem spöttischen Grinsen, während er das fertige Getränk dem Kerl hinschob, der es bestellt hatte. »Na, ihr beiden Schnorrer! Ihr seid wohl ein bisschen nass geworden, was?«, stichelte er.
Tatsächlich sahen Henrik und Tobi aus wie zwei durchweichte Vogelscheuchen. Henrik blinzelte mit halbgeöffnetem Mund nervös durch seine von innen beschlagenen und von außen mit Regentropfen bedeckten Brillengläser, was ihn nicht gerade intelligent aussehen ließ, während Tobi fröhlich grinste und Grimassen schnitt. Dazu rann ihm das Wasser vom Kopf und tropfte über das Nasenpiercing auf den Boden. »Spricht man so mit seinem Lieblingsbruder und seinen treuesten Stammgästen in dieser traurigen Freakshow?«, witzelte er.
»Wer solche Stammgäste hat, braucht Bullen, Ordnungsamt und Pestilenz nicht mehr zu fürchten.« Frank zog seine buschigen Augenbrauen verärgert zusammen. Das schulterlange, schwarze Haar fiel ihm über das blasse, hohlwangige Gesicht, das nun recht bedrohlich wirkte. Doch dann grinste er versöhnlich und wies mit seinem knochigen Zeigefinger, an dem ein gigantischer Silberring in Form einer zusammengerollten Schlange steckte, in die hinterste Ecke des Etablissements. »Setzt euch da hinten hin und macht keinen Ärger. Und wenn mein Boss kommt, verpisst euch unauffällig aufs Klo! Habt ihr verstanden, ihr Spaßvögel?«
Henrik starrte weiter missmutig und schweigend mit offenem Mund Tobis Bruder