Zukunftsbildung. Dietmar Hansch

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Zukunftsbildung - Dietmar Hansch

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und begrenzbar ist („Allmende-Problem“): Überfischung der Meere, Wilderei, Vernichtung der Regenwälder, Umweltverschmutzung, Trinkwasserverknappung, CO2-Anstieg etc.

      Im nationalen und internationalen Rahmen treibt die Gier dazu, räumlich und zeitlich viel mehr Ressourcen zu verbrauchen, als statthaft wäre, würde nach dem Maßstab von Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit gemessen. Das trägt entscheidend zu Elend und Hunger in der „Dritten Welt“, das heißt auf der Südhalbkugel, bei und es wird mit größter Wahrscheinlichkeit auch zu massenhaftem Elend und Tod in naher Zukunft führen, und zwar weit über die menschliche Art hinaus, nämlich in der gesamten Biosphäre.

      Es ist eine leider unleugbare Tatsache: Lässt man Giermenschen in Giergesellschaften unter der so oft beschworenen Ägide maximaler Freiheit leben und wirtschaften, so führt auch das zu Opfern – freilich vor allem in beruhigender räumlicher und zeitlicher Entfernung. Es ist ein bequemer Selbstbetrug oder ein zynisches, wählerfreundliches Machtkalkül, die Illusion zu propagieren, es könnten internationale Regelsysteme installiert werden, die es allen erlauben, sich in unbeschränkter Freiheit und ungebremster Gier zu entfalten und zu wirtschaften, weil diese Regeln ähnlich der unsichtbaren (weil in Wahrheit gar nicht existenten) Hand des Adam Smith die Folgen so kanalisieren, dass kein Schaden am Gemeinwohl entsteht oder dieses sogar gefördert würde.

      So müssen wir ein Dilemma konstatieren: Diktatur, das hat die Geschichte erwiesen, funktioniert nicht – Freiheit aufs Ganze gesehen aber auch nicht! Wir kommen auf dieses Dilemma zurück.

      2 Gefangen im G-Attraktor: Gier-Gesellschaften

      Es gibt viele Möglichkeiten und Kriterien, die unterschiedlichen Gesellschaftsformen zu klassifizieren. Diktatur vs. Demokratie, Planwirtschaft vs. Marktwirtschaft, Volkseigentum vs. Privateigentum – um nur die bekanntesten Begriffe zu nennen. Aber offenbar haben die auf diesen begrifflichen Konzepten basierenden Theorien bisher nicht zu wirkungsvollen Durchbrüchen hin zu einer gerechten und nachhaltigen Gesellschaft geführt. Fangen wir deshalb einfach noch einmal von vorne an. Für den gesunden Hausverstand ist die Art des Antriebs ein ganz zentrales Klassifikationskriterium. Beim Auto etwa unterscheiden wir zwischen einem Diesel, einem Benziner oder einem Elektrofahrzeug. In Bezug auf die Entwicklung menschlicher Gesellschaften hatten wir gesagt, ihre Triebkraft sei die Wechselwirkung zwischen Gier und Innovation. Wir wollen deshalb künftig ein wenig plakativ, aber sicher treffend von „Gier-Gesellschaften“ sprechen. Haupttriebkraft dieser Gesellschaften sind die oben skizzierten Formen der Gier bzw. ihre „Rückseite“ – die Angst, dass Zusammengeraffte wieder zu verlieren. Doch wenn alle bisherigen und gegenwärtigen Gesellschaften Giergesellschaften sind – dann wäre eine solche Begriffsbildung doch eigentlich nur dann sinnvoll, wenn es noch andere Gesellschaftsformen gäbe, die sich aus anderen Triebkräften speisen. Dieser Einwand ist berechtigt, und mit ihm berühren wir das Gebiet der Psychologie. Wie wir noch ausführlicher besprechen werden, hat die menschliche Psyche durchaus das Potenzial, auch kulturellen Inhalten den Zauber motivationaler Kraft zu verleihen. Die Ausbildung solcher „Kulturantriebe“ kann man gezielt fördern. Wenn das bei einer ausreichend großen Zahl von Menschen gelingt, wäre es durchaus denkbar, dass die Gesamtgesellschaft auf ein höheres Antriebsniveau springt, dass also eine kulturgetriebene Gesellschaft oder – in begrifflicher Kurzformel – eine „Kulturgesellschaft“ als Gegenmodell zur giergetriebenen Gegenwartsgesellschaft entsteht. Doch noch sind wir mit der Analyse dieser Giergesellschaft nicht am Ende.

      Wenn wir oben einen möglichen Übergang in eine neue Gesellschaftsformation als einen „Sprung“ bezeichnet haben, so sollte das auf das Denkmodell der komplexen, nichtlinear-dynamischen Systeme verweisen. Zumindest in Teilbereichen lassen sich menschliche Gesellschaften als solche Systeme beschreiben und auch in ihrem Gesamtverhalten sind sie ihnen jedenfalls in bestimmten Aspekten durchaus ähnlich.

      Keine Angst, unsere sich jetzt anschließenden Überlegungen sind nicht allzu kompliziert! Wir möchten lediglich auf den Aspekt der Attraktordynamik verweisen. Damit sind Musterbildungen aus dynamischen Interaktionen gemeint, die eine Art elastischer Rückstellkraft in Richtung auf bestimmte, exakt definierbare Zustände aufweisen. Wann immer sie durch Störeinwirkungen durcheinander gebracht werden, kehren sie wie durch eine geheimnisvolle Kraft angezogen in ihren Ursprungszustand zurück. Ein gängiges Bild hierfür ist eine Mulde, in der eine Kugel hin und her rollt. Wie oft auch immer die Kugel durch Störimpulse die Muldenwände hinaufgetrieben werden mag – am Ende rollt sie doch immer wieder an die tiefste Stelle der Mulde zurück und bleibt dort liegen.

      Vielleicht kennen Sie Ähnliches aus ihren Beziehungen: Wiederholte Auseinandersetzungen über bestimmte kontroverser Reizthemen enden immer wieder im selben Argumentations-Patt: Jetzt das wieder! Das musste ja kommen! Es ist immer Dasselbe! Manchmal, wenn alle gut geschlafen haben oder man im Urlaub ist, gelingt es, das Muldentief zu umschiffen. Aber unter Druck schlägt die Kugel immer mit Wucht ganz unten ein, immer an derselben Stelle.

      Und im Großen gilt in ähnlicher Weise: Werden in einer Gesellschaft die meisten Menschen von den Formen der Gier und der Angst angetrieben, und verbindet sich dieser Antrieb mit der metakognitiven Inkompetenz der Mehrheit, dann werden sich am Ende immer Muster nach Art der folgenden durchsetzen: Ausbeutung, Unterdrückung/Unterwerfung, Betrug, Intrige und Korruption, Gewaltanwendung und Raubbau, Expansion bis an die Grenzen des möglichen, Beschleunigung, Überdifferenzierung, exponentielles Wachstum, Erschöpfung der Ressourcen und schließlich Kollaps. Kollaps – am Ende immer. Und überall.

      Aufgrund der Tendenzen in Richtung auf Konzentration und Ungleichverteilung gibt es immer wieder räumliche und/oder zeitliche Zwischenbereiche des Systems, in denen sich große Mengen an Wohlstand aufhäufen. Dort finden dann auch Luxusbildungen wie Ökologie, Nachhaltigkeit, Moral, Wirtschaftsethik und sozialer Ausgleich zwischenzeitlich Entwicklungsnischen. Doch das schädliche Wirken der Gier kommt dennoch nie zur Ruhe und treibt immer wieder zu Um- und Neuverteilungen rund um den Globus. Und außerdem gibt es essentielle Ressourcen, die sich unweigerlich und unwiederbringlich irgendwann erschöpfen. So müssen sich die Konkurrenzkämpfe zwangsläufig immer weiter verschärfen. Und dann wird es eng: es muss gespart werden – was in der Praxis meistens heißt, es wird weggenommen. Das allerdings nicht bei den Reichen und Mächtigen, sondern dort, wo der wenigste Widerstand zu erwarten ist. Von allem, was mit kulturellen Werten zu tun hat, wird zuerst weggenommen. Und dann müssen die Gier-Güter weggenommen werden. Was folgt, sind brutale Verteilungskämpfe und die Giergesellschaft entblößt aufs Neue jene hässliche Fratze, die sie in Europa zu Zeiten des Manchester-Kapitalismus zur Genüge gezeigt und die sie in anderen Teilen der Welt niemals abgelegt hat.

      Vor der Erfindung des Brandbeschleunigers „Innovation“ gab es noch relativ stabile und lineare Phasen der Gesellschaftsentwicklung, in denen sich Veränderungen nur sehr langsam vollzogen haben. Aber seit der Institutionalisierung der Innovation in Gestalt von Wissenschaft und Technik im 18. Jahrhundert herrschen Nichtlinearität und Oszillation: exponentielles Wachstum bis zur Erschöpfung bestimmter Ressourcen oder bis zum kriegerischen Eskalieren zentraler Konflikte, dann der Kollaps, und schließlich der Neustart des exponentiellen Wachstums. Mit zunehmender Vernetzung und Beschleunigung infolge von IT-Technologie und Globalisierung wächst nun gemäß den Potenzgesetzen die Wahrscheinlichkeit immer größerer Crashs.

      Die Finanzkrise der Jahre 2008-???? war und ist da wohl nur ein Vorbote, nur eine Ouvertüre.

      Exponentielles Wachstum in Räumen mit begrenzten Ressourcen muss immer zu einer finalen Verschärfung der Konkurrenzkämpfe führen. Und die Verschärfung solcher Konkurrenzkämpfe wird, mit Ideologie aufgeladen, irgendwann mit Zwangsläufigkeit brutal und unmenschlich (sie „bestialisch“ zu nennen, wäre allerdings eine Beleidigung der Tiere, die weder Kreuzzüge noch Konzentrationslager kennen!). An einem bestimmten Punkt des Entwicklungsganges sind dann auch Basisressourcen wie fruchtbarer Boden, Öl, Süßwasser etc. erschöpft und es kommt zum finalen Kollaps, auf den nun keine Oszillationen mehr folgen: das Leben stirbt oder es kriecht über Jahrhunderte

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