Coaching. Sonja Becker

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„der erste erfolgreiche Versuch in der Wissenschaft, die kartesianische Trennung von Geist und Körper zu überwinden.“ (Capra 1996:71) Oder die Kommunikationstheorie seines Schülers Paul Watzlawick, die sich endlich nicht mehr auf einen Sender und einen Empfänger beschränkt, sondern auch auf die Botschaft, das Verstehen, das Feedback, den Inhalt des Gesagten und die Herstellung einer Beziehung in einer Kommunikation. Um nur einige Beispiele zu nennen, auf die wir in der Praxis an entsprechender Stelle ausführlicher zu sprechen kommen. Flugs erkannte man rückblickend mehrere solcher selbstorganisierender Modelle in Systemen der Wirtschaft, der Ethik, der Politik: Neben erwähnter „unsichtbarer Hand“ Adam Smiths, die die Wirtschaft regelt, auch dessen Ethik in der Allegorie des „unparteiischen Zuschauers“, der für eine gesunde Moral allein dadurch sorgt, dass er in unserem Kopf sitzt und die öffentliche Meinung über unser Tun und Lassen repräsentiert – so dass wir immer sehr genau wissen, ob es gut oder schlecht ist, was wir gerade tun. Auch Hegels Dialektik funktioniert wunderbar von selbst, auch wenn er in seiner „Phänomenologie des Geistes“ mit der Zeit dabei etwas abdreht. Hegel war der Coach von zwei Herren, die ein paar Jahre später daraus ein neues, selbstorganisierendes Weltmodell erstellten. Marx’ und Engels’ Modell von These und Antithese stammt aus dieser Technik, das sich 150 Jahre nach ihrer gesellschaftlichen Realisierung als Trugschluss herausstellt: Denn wer die Dialektik beherrscht, beherrscht alles. Nach dem Fall der Sowjetunion und der Berliner Mauer geisterte das typische Karl Marx-Gesicht mit Rauschebart und einer Sprechblase umher: „Sorry, war nur so eine Idee“. Die geschickte Organisation der Ausgleichung der gesellschaftlichen Mächte gelang wesentlich besser in dem System der „checks and balances“ in der Amerikanischen Verfassung. Kurzum: Alles ist System – wenn es funktioniert. Und wenn es denn funktioniert, ist das nicht einem einzelnen zu verdanken, der die Hebel immer wieder in Gang setzt (wie Gott einmal am Anfang), sondern ihrer Selbstorganisation. In dem Wort „Organisation“ steckt ja das Wort „Organ“, und wir überlassen es gerne den Systemtheoretikern, herauszufinden, wie es um die Rückkopplungsschleifen und die interaktiven Beziehungen bestellt ist, die diese Selbstorganisation auf Trab bringen. Wir kümmern uns besser ums Coaching und überlegen, wie im modernen Unternehmertum Coaching funktioniert. Speziell um die Frage: Wie bringt ein Coach es fertig, ein menschliches System wie ein Individuum, ein Team oder ein Unternehmen von selbst ins Laufen zu bringen (also auch ohne Antreiben, Drohen, künstlich Motivieren)?

      Die Praxis: Geschichte des Coaching

      DIE PRAXIS: GESCHICHTE DES COACHING

      Gott blieb während der ganzen Zeit im Hintergrund und beobachtete, wie man sich da unten die Welt erklärte, sei es nun auf der Agora im antiken Athen oder in einem Hotel in Manhattan im 20. Jahrhundert. Man sollte sich ja auch kein Bild von ihm machen. Aber man kann ihn jederzeit anrufen. Er ist ein hervorragender Gesprächspartner. Er hört geduldig zu und hat immer die richtige Antwort. Die Telefonzelle mit dem heißen Draht nach oben steht in Ihrem Kopf: Das „Denken“. Plato den nannte das Denken den „schweigenden Dialog der Seele mit sich selbst“. Das ist eine Art Selbst-Coaching, das besonders in der Moral Karriere machte. Wir alle kennen unsere innere Stimme, die uns ab und zu ein Gespräch aufzwingt. Vor allem, wenn wir etwas entscheiden müssen, oder wenn wir drauf und dran sind, Mist zu bauen, meldet sie sich. Irgendwie scheint sie sehr vertraulich, wenn auch sehr bestimmend zu sein. Sie duzt uns sogar. Wenn wir dann richtig Mist gebaut haben, kommt sie mit mächtiger Stimme. In der Aufklärung nannte man sie „Gewissen“, der „innere Gerichtshof“ (Kant) und im Prinzip der Grundstein der Religion. So lange die Sache persönlich bleibt, ist das Denken oder diese Art des Denkens ein gutes Instrument zur moralischen Menschwerdung.

      Dass Denken jede Menge Licht in eine Sache bringen kann, bewies Platon mit seiner berühmtesten Geschichte: Dem Höhlengleichnis. Da sitzen mehrere Menschen in einer Höhle und sehen im Feuerschein ständig Schatten von Menschen an der Wand entlanglaufen – die sie allerdings für richtige Menschen halten. Als dann mal jemand das Gatter auflässt und diese Menschen ans Tageslicht stolpern, merken sie, von der Sonne geblendet, dass sie immer einer Illusion aufgesessen sind. Diese Menschen sind wir, der Prozess heißt „Bildung der Idee“. Und ganz schlimm wird es, wenn diese Menschen Durst bekommen und auf dem Wasserspiegel eines Sees ihr eigenes Gesicht sehen – das heißt „Selbsterkenntnis“, ist aber heilsam. Platon, der alte Geschichtenerzähler, hatte noch weit mehr auf dem Kasten. Im Prinzip hat er seine ganze Philosophie als Coaching begriffen, denn er notiert nur Dialoge von einem berühmten Zeitgenossen. His master’s voice: Der große Sokrates. Dieser rauschbärtige Mann, der sich ständig auf dem Marktplatz oder bei Knaben herumtrieb, wenn er sich nicht gerade zum Stimmtraining am Meer das Maul mit Steinen vollstopfte und gegen die Brandung anbrüllte oder sich von seiner Frau Xantippe nerven ließ, kann ohne weiteres als erster Coach der Menschheitsgeschichte durchgehen (Ach herrje! Der erste Coach gleich ein Homosexueller!). Sokrates hatte eine furchtbare Angewohnheit: Reden und Fragen, im Prinzip also der nach außen gekehrte „schweigende Dialog mit sich selbst“. Dann behauptete er auch noch, dass er eigentlich nichts wisse, so dass er sich alles Mögliche von anderen erklären ließ – vor allen Leuten. Das war peinlich. Vor allem, weil seine Gesprächspartner dann oft Dinge sagten, die sie gar nicht sagen wollten – aber die mit der Zeit einfach aus ihnen herauskamen. Sokrates nannte diese Methode „Mäeutik“ – Hebammenkunst. Er brachte die Gedanken und Ideen über alle möglichen Erscheinungen im Kosmos einfach aus den anderen heraus – durch Reden, Reden, Reden. Seitdem ist die Philosophie ein Angebot zum Gespräch, eine Art Geburtshilfe, die das eigene Denken hervorbringt, eine Möglichkeit, das Leben besser zu verstehen: Coaching. Platon selbst war übrigens ein brillanter Schreiber, aber ein mieser Coach. Seine Kriegsbegeisterung übertrug er dummerweise auf den Machthaber Athens in seiner Funktion als dessen Berater. Dann kam er auf den originellen Gedanken, dass eigentlich nur Philosophen als Könige in Frage kämen, und dachte da mit Sicherheit an sich selbst. Als erstes hätte er dann die Künstler aus der Stadt getrieben, weil sie nach seiner Ansicht dort gar nichts zu suchen hätten. Aber dazu ist es glücklicherweise gar nicht gekommen. Sokrates wurde allerdings auf Dauer so nervig, dass man ihm den Schierlingsbecher überreichte, was eine besondere Ehre war. Ein ehrenhafter Grieche sah so aus, dass er nicht umgebracht wurde, sondern selbst die Gelegenheit bekam, sich zu vergiften, um damit seine Schuld einzugestehen. Das ist großes Coaching: Jemanden zu stimulieren, an sich selbst zu arbeiten. In der Weltgeschichte des Abendlandes gab es statt Coaching meistens Krieg. Das Modell von Herrschern und Heldentaten ist jedoch wenig geeignet für Coache. Es birgt den gleichen Trugschluss wie im Modell „Vision und Motivation“: Ist das Leitbild einmal geschaffen, müssen alle hinterher rennen. Und, tut uns leid, da wären wir eigentlich auch schon wieder bei Immanuel Kant. Schließlich können frei urteilende und selbst denkende Menschen nicht auf so etwas hereinfallen. Und genau, wie er schon als junger Mann seine Weltentstehungslehre in der „Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels“ (1755) frech behauptet, die Welt wäre auch ohne das Wirken Gottes entstanden – wenn auch nicht ohne seine Weisheit – stellt er dann auch noch klar, dass eigentlich alles um einen herum nur „Ding an sich“ ist und gar nicht interessant, solange es keine denkenden Wesen gibt, um die sich diese Dinge kreisen und die sie erkennen. Das klingt ein wenig anders als all die mechanistischen Weltbilder, die seit Descartes’ Leib-Seele-Trennung herumschwirren. Seit den Fortschrittstheorien von Francis Bacon und Condorcet ist das Denken nämlich in den Dienst der Wissenschaften gerückt, und hat selbst sozusagen nichts mehr zu sagen. Kant dagegen, ganz forsch, zermalmt diese ganzen Weltbilder mit einem allmächtigen Coaching-Tool: der Vernunft. Den Rationalismus und alle auf Erfahrung basierenden Erkenntnisse macht er mit einem Schlag fertig, als er zeigt, dass schon die menschliche sinnliche Anschauung eine eigene, ursprüngliche Erkenntnisquelle darstellt. Das ist praktisch. Durch das eigene Denken muss man nicht jeden Morgen erneut beweisen, dass die Sonne aufgeht – sondern durch die spontane, verknüpfende Leistung des Verstandes ist es möglich, dahinter eine gewisse Kausalität zu erkennen, die solche Dinge in Raum und Zeit anordnen. Das ist eine „Revolution“ des Denkens! Nicht die Natur schreibt uns die Gesetze vor, sondern umgekehrt – wir beschreiben sie! Damit sind wir der Mittelpunkt, und das Licht der Aufklärung erstrahlt. Kant coachte uns alle.

      Das Schönste von der Welt

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