Waldheimat. Peter Rosegger

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Waldheimat - Peter  Rosegger

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DIE ZERSTÖRUNG VON PARIS UND ANDERE MISSETATEN

      Ich habe als Kind mir meine Welt, die von Natur höllisch klein war, auseinandergedehnt wie mein Vetter Simmerl den Katzenbalg, aus dem er sich einen Tabaksbeutel machen wollte. Und es ist, bigott, ein Sack draus worden, in welchem all die unglaublichen Phantastereien einer ungezogenen Bauernbubenseele vollauf Platz gehabt haben.

      Wie ich mir später die Bücher, die ich nicht kaufen konnte, selber machte, so habe ich mir auch die größten Städte der Welt, die ich nicht aufsuchen konnte, selber gebaut.

      Die jahrelange Kränklichkeit meines Vaters verschaffte mir das Baumaterial. Die Hustenpulver vom Doktor, der spanische Brusttee vom Kaufmann, die Medizinflaschen vom Bader waren stets in gutes, oft sogar schneeweißes Papier eingeschlagen; aus diesem Papier schnitzte ich mit der Nähschere meiner Mutter, oder, wenn ich diese schon zerbrochen oder verloren hatte, mit jener der Magd, allerlei Häuser, Kirchen, Paläste, Türme, Brücken, bog sie geschickt zur passenden Form und stellte sie in Reihen und Gruppen auf den Tisch. Das gesuchteste Material hierfür waren wohl die alten Steuerbücheln mit ihren steifen Blättern; und kam es freilich vor, daß über der ganzen Hauptfronte eines Herrenpalastes das „Datum der Schuldigkeit“ stand oder ein Kirchturm anstatt Fenster und Uhren nichts als lauter Posten der „Abstattung“ hatte. Als es aber ruchbar worden war, daß ich meine Prachtbauten mit den blutigen Steuersummen der Bauern aufführe, da gab’s eine kleine Revolution, indem mein Vater einmal mit der flachen Hand mir einige öffentliche Gebäude unter den Tisch hinabwischte.

      Eines Tages ging ich einer Hirtenangelegenheit wegen ins Ebenholz hinaus. Ich hatte die Magd ersucht, ob sie mir nicht ihre heilige Monika mit in den Wald leihen möchte.

      „Du lieber Närrisch!“ hatte die Magd geantwortet, „wenn sie nur ganz wär’, aber es ist mir die Maus dazugekommen. Was übriggeblieben ist, das magst haben.“

      So nahm ich das Büchlein von der heiligen Monika mit in das Ebenholz. Aber als ich in demselben zu lesen begonnen hatte, hub im Sacke die Nähschere meiner Mutter zu sticheln an: ob ich die Geschichte von dieser Heiligen denn nicht schon längst auswendig wisse? Ob die Maus nicht etwa schon das Beste weggenagt hätte? Ob ich mir für diese grauen und angefressenen Blätter eine bravere Verwendung denken könne, als daraus die schöne Weltstadt Paris zu bauen? – Ich wollte der alten Nähscheere meiner Mutter nicht widersprechen.

      Nun stand zur selben Zeit im Ebenholz noch die alte Schlagerhütte, die einst ein Bauernhäuschen gewesen und zwischen dem jungen Fichtenanwuchs verlassen und öde hocken geblieben war. Die Fenster waren ohne Gläser, die Tür war aus den Angeln gehoben und auf der Schwelle wucherten Brennesseln. Die Luft in der Hütte roch ganz moderig und jedes Geräusch widerhallte grell an den Wänden, als wollte das alte Zimmerholz mit dem Eintretenden alsogleich ein Gespräch führen. Mir war dieser Bau unheimlich gewesen bis zu jenem Tage, da mich und unseren Knecht Markus im Wald ein scharfer Wetterregen überraschte und wir uns in die Hütte flüchteten.

      Seither war mir die Hütte heimlich. Und nun ging ich ihr zu, setzte mich an den großen, wurmstichigen Tisch und schnitzte aus den Blättern der „heiligen Monika“ die große Weltstadt Paris. Ich stellte die geschnitzten und zurechtgebogenen Häuser in langen Gassenreihen auf, und die Gassen und Plätze bevölkerte ich mit blauen Heidelbeeren und roten Preiselbeeren – erstere waren die Männer, letztere die Frauen. Um das Königsschloß postierte ich Reihen von Stachelbeeren, das waren die Soldaten.

      Als der Tisch voll geworden war und ich trunkenen Blickes hinschaute auf die vieltürmige Stadt und ihre belebten Gassen, die ich gegründet und wie ein Schutzgeist beschirmte, dachte ich: Die Männlein und Weiblein tun zuviel miteinander um. So soll über diese Stadt einmal eine Straf Gottes kommen. Ein Sturmwind? – Ich blies drein – hei, purzelten ganze Häuserfronten über und über. Sie wurden wieder erbaut. Da endlich aber der Abend kam und meines Bleibens in der Hütte nicht mehr länger sein konnte, sann ich nach, wie ich die Stadt Paris am großartigsten zugrunde gehen lassen könnte. – Eine Feuersbrunst? – Es waren gerade die Streichhölzer aufgekommen und ich trug ein Päckchen im Säckel.

      Das Feuer entstand mitten in der Stadt und nach wenigen Sekunden standen ganze Viertel in Flammen. Die Bevölkerung war starr vor Schreck, das Feuer wogte hin und die Mauern zitterten und die kahlen Ruinen ringelten sich. Da der Königspalast verschont bleiben zu wollen schien, so blies ich die Flamme gegen denselben hin – wehe, da flogen die brennenden Häuser über den Tisch und auf den Fußboden, wo in der Ecke noch ein Bund Bettstroh lag. Jetzt wurde der Spaß Ernst. Das Papier hatte so still gebrannt, das Stroh knisterte schon vernehmlicher und ein greller Schein erhellte die Hütte.

      Ich wollte eben davonstürzen, als unser Knecht Markus zur Tür hereinsprang und mit einem buschigen Baumwipfel das Feuer totschlug.

      Knecht Markus war verschwiegen, war ein Ehrenmann, aber das sagte er mir, wenn ich mich mit Sengen und Brennen auf den Etzel hinausspielen wolle, so täte er es dem Kaiser schreiben, daß er mich rechtzeitig köpfen lasse.

      Von diesem Tage an habe ich keine Stadt mehr gegründet und keine mehr zerstört. Ich ging von der Baukunst zur Musik und Malerei über.

      Ich hatte bei herumziehenden Musikanten, die vor unserer Haustür uns das Leben schön machten, allerlei Saiteninstrumente kennen gelernt. Ich hatte einen alten Harfenisten nach Beendigung seines Ständchens sogar einmal angesprochen, ob er es für einen Sechser erlauben könne, daß ich mit ihm zum nächsten Nachbar gehe, um sein Spiel dort noch einmal zu hören; worauf der Künstler antwortete, für einen Sechser bleibe er an unserer Tür stehen und spiele, solange ich wolle. Damals ist mir der ganze Wert unserer legierten Silbersechser zum Bewußtsein gekommen. Nun hatten wir aber an jenem Tage in unserer Stube einen alten, brummigen Schuster und der hatte gerade seinen Kopfwehtag. Als ich denn vor dem spielenden Musiker die Hände in den Hosentaschen dastand, die Zehen in den Sand bohrte, gleichsam, als wollte ich mich einwurzeln, sprang plötzlich der Schuster mit grüngelbem Gesichte zur Tür heraus und ließ einen tollen Fluch fahren über das verteufelte Geklimper.

      Mitten in der Herrlichkeit brach der Harfner das Spiel ab. Für einen solchen Baß sei sein Instrument zu fein, meinte er, rückte die Harfe auf den Buckel und ging davon. Seit jenem Tage schreibt sich mein Haß gegen die Schuster, die ihren Kopfwehtag haben.

      Die Harfe ging mir nicht aus dem Kopfe. In unserem Rübenkeller stand ein altes, säuerlndes Fäßchen, das mein Vater beim Stockerwirt allemal für die drei Faschingstage mit Apfelmost füllen ließ. Nun war es längst leer und diese Leere kam mir zustatten. Ich stülpte das Fäßchen auf, zog über den Boden Zwirnsfäden wie Saiten, so daß diese je nach ihrer Länge einen verschiedenen Ton gaben, wenn ich sie mit dem Finger berührte. Da hatte ich ein Saiteninstrument mit dem respektabelsten Resonanzboden. Doch erinnere ich mich nicht mehr, inwiefern ich damit meinen musikalischen Hang ausgebildet habe – ich weiß nur, daß zum nächsten Fasching, als ich unseren tanzlustigen Mägden auf meiner „Harfe“ was aufspielen wollte, wieder frischer Most in dem Fäßchen war.

      In denselben Jahren hatte ich mit einem jungen Studenten Bekanntschaft gemacht, mit dem Söhnlein eines Nachbars, welches in Graz auf Geistlich studierte, auf die Vakanzen stets nach Hause kam und Reichtümer mitbrachte. Ich erwarb mir des Studenten Gunst, indem ich ihn öfters auf unseren Schwarzkirschbaum lud, wo es zu schnabulieren gab. Der Student riß zwar ein um das andere Ästlein ab, um zur süßen Frucht zu gelangen, aber mein Vater, der sonst solcherlei Verstümmelungen scharf ahndete, war der Meinung, einem angehenden Priester dürfe man nichts verwehren, er würde dereinst den Kirschbaum schon in sein Meßopfer einschließen, daß er gedeihe und immerwährend fruchtbar sei. Der Student war für solche Rücksichten erkenntlich und stellte mir all seine Bücher, Landkarten, Schreib- und Zeichensachen zur Verfügung. Als sich der angehende Theologe mit den Büchern auf sein Hirtenamt vorbereiten sollte, übte ich mit ihnen das meine bereits aus. Doch ließ ich

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