Waldheimat. Peter Rosegger

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Waldheimat - Peter  Rosegger

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hin. Nur einmal flüsterte das Mädchen: „Laß her, Peter, ich will dir das Buch tragen.“

      „Das kannst nicht“, antwortete ich, „du bist ja noch kleiner wie ich.“

      Nach einem zweistündigen Gang sagte das Mädchen: „Dort ist schon das Licht.“

      Wir sahen einen matten Schein, der aus dem Fenster des Meisenhauses kam. Als wir diesem schon sehr nahe waren, begegnete uns unser Pfarrer, der dem Kranken die heiligen Sakramente gereicht hatte.

      „Der Vater – wird er wieder gesund?“ fragte das Mädchen kleinlaut.

      „Ist noch nicht so alt“, sagte der Priester; „wie Gott will, Kinder, wie Gott will.“

      Dann ging er davon. Wir traten in das Haus.

      Das war klein und nach der Art der Waldhütten standen die Familienstube und die Schlafkammer gleich in der Küche. Am Herd in einem Eisenhaken stak ein brennender Kienspan, von dem die Stubendecke in einen Rauchschleier gehüllt war. Neben dem Herde auf Stroh lagen zwei kleine Knaben und schlummerten. Sie waren mir bekannt vom Walde her, wo wir oft mitsammen Schwämme und Beeren suchten und dabei unsere Herden verloren; sie waren noch um etliche Jahre jünger als ich. An der Ofenmauer saß das Weib des Sepp, hatte ein Kind an der Brust und sah mit großen Augen in die flackernde Flamme des Kienspans hinein. Und hinter dem Ofen, in der einzigen Bettstatt, die im Hause war, lag der Kranke. Er schlief; sein Gesicht war recht eingefallen, das grauende Haar und der Bart ums Kinn waren kurz geschnitten, so daß mir der ganze Kopf kleiner vorkam als sonst, da ich den Sepp auf dem Kirchweg gesehen hatte. Die Lippen waren halb offen und blaß, durch dieselben zog ein lebhaftes Atmen.

      Bei unserem Eintritt erhob sich das Weib leise, sagte eine Entschuldigung, daß sie mich aus dem Bette geplagt habe, und lud ein, daß ich mich an den Tisch setzen und die Eierspeise essen möge, die der Herr Pfarrer übrig gelassen hatte, und die noch auf dem Tische stand.

      Bald saß ich auf dem Fleck, und jetzt aß ich mit derselben Gabel, die er hatte in den Mund geführt!

      „Jetzt schläft er passabel“, flüsterte das Weib nach dem Kranken deutend. „Vorhin hat er allweg Fäden aus der Decke gezupft.“

      Ich wußte, daß man es für ein übles Zeichen auslegt, wenn ein Schwerkranker an der Decke zupft und kratzt; „da kratzt er sich sein Grab“. Ich entgegnete daher: „Ja, das hat mein Vater auch getan, als er im Nervenfieber ist gelegen. Ist wieder gesund worden.“

      „Das mein’ ich wohl auch“, sagte sie, „und der Herr Pfarrer hat dasselbe gesagt. – Bin doch froh, die Beicht’ hat der Seppel recht fleißig verrichten mögen und ich hab’ jetzt wieder rechtschaffen Trost, daß er mir noch einmal gesund wird. – Nur“, setzte sie ganz leise bei, „das Spanlicht leckt alleweil so hin und her.“

      Wenn in einem Hause das Licht unruhig flackert, so deutet das der Glaube des Volkes: es werde in demselben Hause bald ein Lebenslicht auslöschen. Ich selbst glaubte daran, doch um die Häuslerin zu beruhigen, sagte ich: „Es streicht die Luft alles zuviel durch die Fensterfugen, ich verspür’s auch.“ Sie legte das schlummernde Kind auf das Stroh; auch das Mädchen, welches mich geholt, war schon zur Ruh’ gegangen. Wir verstopften hierauf die Fensterfugen mit Werg.

      Dann sagte das Weib: „Gelt, Peter, du bleibst mir da über die heutige Nacht; ich wüßt’ mir aus Zeitlang nicht zu helfen. Wenn er munter wird, so liest uns was vor. Gelt, du bist so gut?“

      Ich schlug das Buch auf und suchte nach einem geeigneten Lesestück. Allein, Pater Cochem hat nicht viel geschrieben, was armen weltlichen Menschen zum Troste sein könnte. Pater Cochem meint, Gott wäre gerecht und die Leute wären sündig, und die meisten Menschen liefen schnurgerade der Hölle zu.

      Es mag ja wohl sein, dachte ich mir, daß es so ist; aber dann darf man’s nicht sagen, die Leute täten sich nur grämen und des weiteren blieben sie so sündig wie früher. Wenn sie sich bessern hätten können, so hätten sie’s längst schon getan.

      Die schreckhaften Gedanken gingen durch das ganze Cochemsche Buch. Fürwitzigen Leuten gegenüber, die mich nur anhörten, der „lauten Predigerstimm“ wegen, donnerte ich die Greuel und Menschenverdammung recht mit Vergnügen heraus; wenn ich aber an Krankenbetten aus dem Buche las, da mußte ich meine Erfindungsgabe oft sehr anstrengen, daß ich während des Lesens die harten Ausdrücke milderte, die schaudererregende Darstellung der vier letzten Dinge mäßigte und den grellen Gedanken des eifernden Paters eine freundlichere Färbung geben konnte.

      So plante ich auch heute, wie ich, scheinbar aus dem Buche lesend, dem Meisensepp aus einem anderen Buche her Worte sagen wollte von der Armut, von der Geduld, von der Liebe zu den Seinen und wie darin die wahre Nachfolge Jesu bestehe, die uns – wenn die Stunde schlüge – durch ein sanftes Entschlummern hinüberführe in den Himmel.

      Endlich erwachte der Sepp. Er wendete den Kopf, sah sein Weib und seine ruhenden Kinder an; dann erblickte er mich und sagte mit lauter, ganz deutlicher Stimme: „Bist doch gekommen, Peter. So dank’ dir Gott, aber zum Vorlesen werden wir heut’ wohl keine Zeit haben. Anna, sei so gut und weck’ die Kinder auf.“

      Das Weib zuckte zusammen, fuhr mit der Hand zu ihrem Herzen, sagte aber dann in ruhigem Tone: „Bist wieder schlechter, Seppel? Hast ja recht gut geschlafen.“

      Er merkte es gleich, daß ihre Ruhe nicht echt war.

      „Tu dich nicht gar so grämen, Weib“, sprach er, „auf der Welt ist’s schon nicht anders. Weck’ mir schön die Kinder auf, aber friedsam, daß sie nicht erschrecken.“

      Die Häuslerin ging zum Strohlager, rüttelte mit bebender Hand am Schaub, und die Kleinen fuhren halb bewußtlos empor.

      „Ich bitt’ dich gar schön, Anna, reiß’ mir die Kinder nicht so herum“, verwies der Kranke mit schwächerer Stimme, „und die kleine Martha laß schlafen, die versteht noch nichts.“

      Ich blieb abseits am Tisch sitzen und mir war heiß in der Brust. Die Angehörigen versammelten sich um den Kranken und schluchzten.

      „Seid ihr nur ruhig“, sagte der Sepp zu seinen Kindern, „die Mutter wird euch schon morgen länger schlafen lassen. Josefa, tu’ dir das Hemd über die Brust zusammen, sonst wird dir kalt. Und jetzt – seid all weg schön brav und folgt der Mutter, und wenn ihr groß seid, so steht ihr bei und verlaßt sie nicht. – Ich hab’ gearbeitet meiner Tag’ mit Fleiß und Müh’; gleichwohl kann ich euch weiter nichts hinterlassen, als dieses Haus und den kleinen Garten, und den Reinacker und den Schachen dazu. Wollt’ euch’s teilen, so tut es brüderlich, aber besser ist’s, ihr haltet die Wirtschaft zusammen und tut hausen und bauen. Weiters mach’ ich kein Testament, ich hab’ euch alle gleich lieb. Tut nicht ganz vergessen auf mich und schickt mir dann und wann ein Vaterunser nach. – Und euch, die zwei Buben, bitt’ ich von Herzen: Hebt mir mit dem Wildern nicht an; das nimmt’ kein gutes End’. Gebt mir die Hand darauf. So. – Wenn halt einer von euch das Sägefeilen wollt’ lernen; ich hab’ mir damit viel Kreuzer dermacht; Werkzeug dazu ist da. Und sonst wißt ihr schon, wenn ihr am Reinacker die Erdäpfel anbaut, so setzt sie erst im Mai ein; ’s ist wohl wahr, was mein Vater fort gesagt hat, bei den Erdäpfeln heißt’s: baut mich an im April, komm’ ich, wann ich will; baut mich an im Mai, komm’ ich glei (gleich). – Tut euch so Sprüchlein nur merken. – So, und jetzt geht wieder schlafen, Kinder, daß euch nicht kalt wird, und gebt allzeit Obacht auf eure Gesundheit. Gesundheit und gutes Gewissen, das ist das beste. Geht nur schlafen, Kinder.“

      Der Kranke schwieg und zerrte an der Decke.

      „Frei

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