Waldheimat. Peter Rosegger

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Waldheimat - Peter  Rosegger

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den im Walde Liegenden beunruhigen, verwirren und entmarken; aber ein Buch genießt man dort ganz aus und gedeiht dabei. Ich denke hier an das Lesebuch für die Gymnasialklassen, reich an Gedichten und Aufsätzen von deutschen Dichtern. Ich konnte es nicht einmal ganz verstehen, aber es wirkte tiefer auf mich, als alle spätere Leserei zusammen. – Als die Kirschen alle waren und die Blätter des Baumes gelb wurden, packte der Student seine Bücher zusammen und ging wieder in die „Studie“.

      Einmal ließ er mir ein Kästchen mit Wasserfarben zurück. Jetzt schnitt ich mir eine kleine Haarlocke vom Haupte, band sie an ein Stäblein und mit solchem Pinsel begann ich zu malen. Eine große Anzahl der Heiligenbildchen, die heute noch in verschiedenen Gebetbüchern der Gegend zu finden, ist mit meinem Haar gemalt worden. Die Leute haben sich hell verwundert, wenn sie mir zugeschaut und gesehen, wie man mir nichts dir nichts die Muttergottesen macht. Einmal kam der alte Schneiderjackel, Küster von Krieglach, in unser Haus, um den Pfarrerzehent abzuholen; der sah mich malen. „Na“, sagte er fortwährend, „aber da gehört was dazu! Jetzt malt so ein kleiner Schlingel da himmlische Leut’! Und daß es eine Form hat! Ein hellrotes G’wandl, ein schön’s! Ein Gesicht – wie er aber das Gesichtel macht! Die ganze Fleischfarb’ – und ’s Göscherl! Und die Augen, die blauen, wie sie auslugen! –Spitzbub, du! Freilich, den Heiligenglanz auch, na, der darf nicht fehlen. Wär’ nit ganz, wenn der fehlen tät’! – Schon eine Menge so Bildln hast da! – Bist aber ein Kreuzköpfel – du mußt schon ein Maler werden! Alles von dir selber hast gelernt? Ist viel! Ist viel das! Schau, das tät’s nit, die Bildln muß ich alle mitnehmen, ’s tät’s nit anders, die müssen ihre heilige Weih’ kriegen. Dank’ dir Gott, Schwarzkünstler, kleiner!“

      Vor meinen Augen tat er die Bildchen – es waren deren allerlei und eine große Anzahl – zusammen, schob sie in seinen Sack und ging davon. Mir blieb der Verstand stehen. Aber mir schwoll der Kamm, als ich bald darauf hörte, der Küster hätte bei seiner Wallfahrt mit der Krieglacher Kreuzschar nach Mariazell meine Heiligenbilder am Gnadenaltare weihen lassen und sie hernach an die Wallfahrer verteilt. – Unter anderen ist später auch der alte Riegelberger in den Besitz eines solchen Heiligtums gekommen. Er soll es allemal, so oft er sein Gebetbuch aufschlug, geküßt haben; als er es aber erfuhr, von wem das Bildchen herrühre, ist er schnurgerade in unser Haus gegangen und hat mich zur Rede gestellt, warum ich mit heiligen Dingen Frevel treibe? Ob ich’s vielleicht leugnen wolle? geweihte Sachen hätte ich gemalt!

      „Ja“, sagte ich, „wenn Ihr das Kalb auf den Kopf stellt, wird es freilich den Schweif in die Höhe recken.“

      „Willst mich fean (höhnen), Bub?“

      „Die Bilder sind zuerst gemalt und nachher geweiht worden.“

      Es hielt schwer, ihm die Sache begreiflich zu machen und er rief immer wieder aus, zerfetzen möchte er das schlechte Zeug, wenn’s ihm um die heilige Weih’ nicht leid täte.

      Ein andermal hatte ich mit demselben Manne eine viel gefährlichere Begegnung. Es waren zur Zeit noch die kleinen Papierzehner im Land. Ein solches Notlein habe ich wundershalber einmal nachgemacht. Dem Knecht Markus kam es zu Augen, der schmunzelte das Streifchen an und ersuchte mich, daß ich es ihm ein wenig leihe. Einen Tag später begegnete ich auf dem Feldwege dem Riegelberger. Er grinste mich schon von weitem an und lächelte mir dann freundlich zu: „Büberl, du wirst aufgehenkt.“ „Ihr meint, weil ich die heilige Magdalena gemalt hab’?“ „O, die laßt keinen henken. Aber die falschen Banknoten! Ja, lieber Freund! Einen hab’ ich von dir in der Brieftaschen und geh’ gerade, mir jetzt dafür Tabak kaufen.“

      Ich denke, daß ich über diese Mitteilung sehr erschrocken bin, aber in demselben Augenblick ist mir ein Gedanke durch den Kopf geflogen, den ich einfing, weil er mir nicht schlecht vorkam.

      „Erschrocken bin ich nur, weil Ihr den schrecklichen Frevel begehen wollt.“

      „Möcht’ wissen, wieso ich –?“

      „Das Papierzehnerl, das Ihr von mir in der Brieftasche habt, ist unter meine Heiligenbilder gekommen. Ist in Zell geweiht worden!“

      „Geh’, geh’, das Geld nimmt keine Weih’ an“, versetzte der Riegelberger.

      „Das Geld freilich nicht, das weiß ich, aber mein Zehner ist keins. Und Ihr wollt Euch für geweihte Sach’ Tabak kaufen? Ist schon recht, probiert es nur! Werdet schon sehen, wie Euch ein solcher Tabak in die Nase beißen wird!“

      „Du, Bub!“ rief er, „wenn du alleweil nur Leut’ foppen willst!“

      Er zog die Brieftasche hervor, das Papierstreifchen heraus, auch den Tabaksbeutel, und sagte: „Auf ein Pfeiferl hab’ ich noch in der Blader. Was gibst mir zu Lohn, wenn ich mir das Pfeiferl mit deinem neuen Zehner anzünde? Dir zu Gnaden tu’ ich’s, und jetzt geh’ und arbeit’ was, bist schon groß genug dazu. Ich, wenn ich dein Vater wär’, wollt’ dir deine Fabeleien und Schmierereien schon vertreiben! Arbeiten, daß die Schwarten krachen, ist gescheiter!“

      ’s ist doch der beste Rat gewesen, den er mir hätte geben können. Er ist auch gar bald befolgt worden. Aber in den Feierabendstunden habe ich meine kindischen Spiele und künstlerischen Beschäftigungen getrieben, weit über die Kindesjahre hinaus. Und wenn ich meine heutigen Taten betrachte – ’s ist alles nur Versuch und Spiel. Es war ein kleines Kind, es ist ein großes Kind – ich bin damit zufrieden.

       WIE DER MEISENSEPP GESTORBEN IST

      In meinem Vaterhause fand sich die „Lebensbeschreibung Jesu Christi, seiner Mutter Maria und vieler Heiligen Gottes. Ein geistlicher Schatz von Pater Cochem“. Das war ein altes Buch; die Blätter waren grau, die Kapitelanfänge hatten wunderlich große Buchstaben in schwarzen und roten Farben. Der hölzerne Einbanddeckel war an manchen Stellen schon wurmstichig, und eine der ledernen Klappen hatte die Maus zernagt. Seit vielen, vielen Jahren war im Hause niemand gewesen, der darin hätte lesen können; was Wunder, wenn die Tierlein Besitz nahmen von Cochems „Leben Christi“ und aus dem „geistlichen Schatz“ ihre leibliche Nahrung zogen.

      Da kam ich, der kleine Junge, verjagte die Würmer aus dem Buche und fraß mich dafür selber hinein. Täglich las ich unseren Hausleuten vor aus dem „Leben Christi“. Den jungen Knechten und Mägden gefiel der neue Brauch just nicht, denn sie durften dabei nicht scherzen und nicht jodeln; die älteren Hausgenossen aber, die schon etwas gottesfürchtiger waren, hörten mir mit Andacht zu „und das ist“, sagten sie, „als wie wenn der Pfarrer predigen tät’; so bedeut ausführen und so eine laute Stimm’!“

      Ich kam in den Ruf eines Vorlesers und wurde ein gesuchter Mann. Wenn irgendwo in der Nachbarschaft jemand krank lag oder zum Sterben, oder wenn er gar schon gestorben war, so daß man an seiner Leiche zur Nacht die Totenwache hielt, so wurde ich von meinem Vater ausgebeten, daß ich hinginge und lese. Da nahm ich das gewichtige „Leben-Christi-Buch“ unter den Arm und ging. Es war ein hartes Tragen und ich war dazumal ein kleinwinziger Knirps.

      Einmal spät abends, als ich schon in meiner kühlen und frischduftenden Futterkammer schlief, in welcher ich zur Sommerszeit bisweilen das Nachtlager hatte, wurde ich durch ein Zupfen an der Decke von unserem Knecht geweckt. – „Sollst fein geschwind aufstehen, Peter, sollst aufstehen. Der Meisensepp hat seine Tochter geschickt, er laßt bitten, du sollst zu ihm kommen und ihm was vorlesen! er wollt’ sterben. Sollst aufstehen, Peter.“ –

      So stand ich auf und zog mich eilends an. Dann nahm ich das Buch und ging mit dem Mädchen von unserem Hause aufwärts über die Heide und durch die Waldungen. Das Häuschen des Meisensepp stand einsam mitten im Wald.

      Der Meisensepp war in seinen jüngern Jahren Reuter und Waldhüter gewesen;

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