Tschefuren raus!. Goran Vojnović

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Tschefuren raus! - Goran Vojnović Transfer Bibliothek

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Fužine, um dich zu sehen! Du Depp du! Dann geh doch … geh doch nach Ježica, zu den Frauen, wenn du so einer bist!“

      „Und was macht dieser Ćućić! Er ist da Physiotherapeut!“

      „Kennt er Sagadin? Kennt er ihn? Ja, er kennt ihn! Und wer ist der Oberste? Sagadin!“

      Nur Ranka hat uns noch gefehlt.

      „Was habt ihr um diese Zeit hier zu diskutieren. Ihr weckt die ganze Siedlung auf.“

      „Und wenn schon! Wann hast du das nächste Training?“

      „Morgen.“

      Radovan schnappt wieder nach Luft, Ranka leidet, und ich habe von all dem die Schnauze voll. Und überhaupt von seinen Krkovićs und Ćućićs. Das ganze Leben habe ich nur Troubles von diesen Krkovićs und Ćućićs und sonstigen Stümpern. Ständig kennt Radovan wen, der irgendwas richten wird, weil der wieder jemanden kennt, und das sind lauter Tschefuren, die sich kennen, und alle richten irgendwas, und am Schluss setzen sie sowieso alles in den Sand. Wenn jemand glaubt, der Kommunismus ist ausgestorben, hat er sich schwer getäuscht. Radovan ist noch immer auf diesem Trip mit seinen Krkovićs und Ćućićs. Bei ihnen ist alles hilfst du mir, helf ich dir. Du kannst nicht mal in den Laden gehn Brot kaufen, ohne dass Radovan zu dir sagt: „Warte, ich rufe Ćućić an, dass er nachsieht, ob in der Bäckerei bei Krković noch ein Laib über ist!“ Für jeden Scheiß wird nach einer Verbindung gesucht, man fragt nur, wo jemand auf -ić ist und wer ihn kennt, denn wenn er auf -ić ist, dann ist er ein Tschefur, und ein Tschefur kennt doch einen anderen Tschefur. Und dasselbe, wenn eine Waschmaschine kaputtgeht, dann kaufst du keine neue oder bringst sie zum Service, sondern rufst Krković an, der kennt einen Ćućić, der das umsonst repariert. Und so. Alles umsonst. Ein Tschefur ist für den anderen da. Und dann ist die Waschmaschine nach zwei Tagen wieder im Arsch. Der Kommunismus ist im Arsch, weil die Leute für wenig Geld gearbeitet haben. Nur Radovan und seine Krkovićs und Ćućićs haben das noch nicht geschnallt. Die werden immer mehr und sind überall. Alle kennen sich und alle tun sich einen Gefallen, in Wirklichkeit machen sich die einen auf Kosten der anderen einen Lenz. Als ich anfing, Basket zu trainieren, ging das nicht ohne Krković. Nein, er musste bei Slovan einen gewissen Ćućić kontaktieren und irgendwas fix machen. Alle anderen kamen schön zum Training und fingen an zu trainieren. Was weiß ich, das ist wahrscheinlich deshalb, weil damals in Jugoland alle in eine fremde Republik gekommen sind und keinen blassen Schimmer hatten und sich alle angeschissen und nach ihren Leuten gesucht haben, die ihnen helfen würden, sich leichter zurechtzufinden, weil sie weder die Sprache konnten noch sonst was. Aber nach dreißig Jahren könnte man auf dieser Welt doch mal was ohne Krković und Ćućić machen, verdammter Tito, verdammter.

      9. Warum die Tschefuren nicht über Sex reden

      Heute Morgen bin ich im Aufzug mit der Moderatorin aus dem achten Stock gefahren. O Mann, was würde ich mit ihr machen. Die ist echt steil. Real ist sie noch besser als im Fernsehen. Und immer maximal aufgebrezelt. Hochhackige plus enge Hose, dass der Arsch nur so wackelt und es dir den Atem verschlägt, wenn du hinter ihr gehst. Mir war es immer zu dumm, ihr was nachzurufen und so. Das ist mir immer auf den Sack gegangen. „Hallo Kleine, lass mi mol eine!“, „Mädchen, hast du stramme Bäckchen!“ und ähnliche Meldungen mehr. Ich würde zu ihr sonst was sagen, ich bin aber ein zu großer Loser. Ich bin wirklich zu doof für solche Sachen. Sie kommt in den Aufzug und alles duftet nach ihrem Parfüm, und ich starre auf den Boden und dann, wenn sie aussteigt, geh ich ihr langsam nach und sehe auf ihren Arsch, wie er in den engen Hosen hin und her hüpft. Das ist mein Liebesleben. Eine ausgemachte Kacke. Dass ich etwas zu ihr sage oder so, keine Chance. Ich erinnere mich überhaupt nicht, wann ich ihr zum letzten Mal ins Gesicht gesehen habe. Ich weiß ja, sie hätte mich abblitzen lassen, aber es geht mir doch gegen den Strich, dass ich nicht die Eier habe, um was zu probieren. Ich habe richtig Angst vor ihr. Ich scheiß mich voll an, wenn ich sie sehe.

      Auch Adi und Dejan sind solche Loser, obendrein sehen die beiden auch noch so aus, dass sowieso nicht daran zu rütteln ist, weil Adi erst noch wachsen muss und Dejan seine Pickel in Ordnung bringen muss und so. Aco ist der Einzige, der Tussen anbaggert, aber nur solche kleinen Tschefurken aus der Grundschule, die ihn sowieso nicht lassen, und dann kriegt er die Wut und lässt sie stehen und sie rufen ihn dann noch ein halbes Jahr lang an. Wir drei sind einfach eine Katastrophe. Adi zieht sich nur Pornos rein, und meiner Schätzung nach wird es ihn davon noch zerlegen, weil er komplett durchdreht. Sowieso kennt er alle Schauspieler aus den Pornos, was an sich schon krank ist, und dann redet er noch dauernd von denen, von wegen wie und was, eine Nervensäge, nur manchmal kannst du ihn nicht stoppen. Am schlimmsten ist es, wenn er anfängt zu erzählen, wie Mirsad Samira fickt. Für mich ist das wirklich krank, aber Adi erzählt und erzählt. Sowieso kommt er immer mit denselben Behauptungen, nur dass mir schlecht wird, wenn ich an Mirsad und Samira denke. Wenn ich die beiden hören würde, wie sie es treiben, würde ich im Leben keinen mehr hochkriegen. Und dann erzählt er noch, wie Mirsad irgendwelche Kellnerinnen nagelt, und ich weiß nicht, was noch alles. Schmerz lass nach. Weiß der Teufel, warum er das erzählen muss, aber seine Familie ist sowieso am Sand.

      Dejan ruft ihnen ständig was hinterher, die allervulgärsten Meldungen, dass dann alle Tussen, wenn sie uns nur von Weitem sehen, machen, dass sie wegkommen. Einmal, als er der Moderatorin was nachgerufen hat, hätte ich ihm fast eine gescheuert, weil er wirklich grauenhaft war. Und dann das Hinterherpfeifen. Ständig. Bei jeder, die vorbeigeht. Das ist das Tschefurischste auf der Welt. Keine Ahnung, wo sie sich das ausgedacht haben.

      Je mehr ich darüber nachdenke, scheint mir, dass ich mit dem, mit Sex und so, meine Schwierigkeiten habe. Denn wenn ich normal wäre, hätte ich schon mal eine gepoppt. Aber dann denke ich, das ist deshalb, weil bei uns zu Hause Sex ein Tabu ist. Über Sex wird bei den Tschefuren nicht gesprochen. Der existiert nicht. Meiner Schätzung nach haben Radovan und Ranka sowieso schon hundert Jahre nicht mehr. Wo sollen sie auch, wenn ich im Nebenzimmer bin und die Wände in Fužine so dünn sind, dass ich Radovan höre, wenn er schnarcht. Und wenn ein Film im Fernsehen läuft und da zwei anfangen, miteinander rumzumachen und so, wechselt Radovan sofort das Programm. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich Radovan frage, wann er zum ersten Mal hat, oder Ranka. Das Einzige, wo mal ein Fick erwähnt wird, ist, wenn irgendwelche schweinischen Witze erzählt werden, wenn Mujo Fata pempert und so. Sonst keine Chance.

      Mit Adi, Dejan und Aco rede ich auch nicht darüber. Ich meine, ernsthaft. Klar sind wir ständig am Flachsen, Adi erklärt, dass er Tanja Ribič und Rebeka Dremelj nageln würde, Dejan Jelena Karleuša, und Aco Nataša Bekvalac. Ich sage dann meistens Severina, und dann heißen sie mich einen Ustascha, diese Wichser. Gute Möpse sind aber eine supranationale Kategorie. Aber ernsthaft reden wir nie darüber. Weil jeder Angst hat, dass ihm die anderen auf den Kopf scheißen, wenn er sagte, was ihn anmacht. Und wie sie das täten. Wenn ich sagen würde, dass ich auf die Moderatorin stehe, würde ihr Dejan jedes Mal, wenn sie vorbeigeht, nachrufen: „He, Moderatorin! Moderatorin! Marko würde dich gern in deinen Arsch pempern!“

      Deshalb starre ich wieder auf den Boden. Wieder trägt sie Heels, und wieder riecht der Aufzug nach ihrem Parfüm. Und wieder geht die Tür vom Aufzug auf und wieder warte ich, dass sie sich etwas entfernt, und gehe hinter ihr her. Wieder hat sie die eng anliegenden Hosen an, und wieder schaukeln die Bäckchen links, rechts, rauf, runter. Was für ein Arsch! Und wieder gehe ich hinter ihr her bis zur Haltestelle, und sie steigt in den Bus, und ich tue, als würde ich auf den nächsten warten, und gehe, wenn der Bus weg ist, zurück vor den Block.

      Aber auf sie kann ich nicht wichsen. Geht nicht. Komisch ist das, aber es geht nicht. Auf andere Nachbarinnen geht es, und auch auf Mitschülerinnen und so, aber auf sie kann ich einfach nicht. Ob das Verliebtheit ist oder sonst ein Fotzenrauch, weiß ich nicht, ich weiß nur, dass mein sogenanntes Liebesleben total im Arsch ist und dass ich total im Arsch bin und dass ich auch das nächste Mal, wenn wir allein im Aufzug fahren, keinen Ton rausbringen,

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