Gretge. „mit Hexen verwandt, als Hexe verbrannt“. Jürgen Hoops von Scheeßel

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Gretge. „mit Hexen verwandt, als Hexe verbrannt“ - Jürgen Hoops von Scheeßel

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kleine Lache bildete. Der Leutnant lachte dabei und forderte seinen Schergen auf, recht heftig auf den protestantischen Tropf dreinzuschlagen.

      Nach laut vorgezählten dreißig Hieben unter Gejohle der umstehenden Söldner wurde Tietke losgelassen. Ohnmächtig fiel er vornüber auf den Boden. Seine Füße waren gebrochen und blutig zerfetzt, die Schmerzen raubten ihm die Sinne. „So wird es allen ergehen, die das Maul zu weit aufreißen. Es lebe der Kaiser.“ Mit diesen Worten verschwand der Leutnant mit seiner Truppe und ließ die Menschen im Dorf zurück.

      Zwei Stunden später rückten die ersten schwedischen Reiter in das Dorf ein. Auch sie hatten keine Verpflegung übrig. Einige Tage später wurde veranlasst, dass über den Herrn von Schulten und das Amt Rotenburg alle Dörfer ebenda für den bevorstehenden Winter Vorräte erhielten. Dass sie es dem Leutnant und den ausweichenden katholischen Truppen nach einem kurzen Gefecht südlich von Rotenburg abgenommen hatten, wussten die Menschen nicht. Der böhmische Leutnant war dabei von einer Kugel in die Brust getroffen worden. Er stürzte von seinem Pferd und brach sich das Genick.

      Die Menschen im Dorf hielten in diesen schweren Zeiten einiges an Vieh in den Wäldern versteckt, hatten Lebens-mittel in geheime Erdbunker vergraben und holten nur das heraus, was sie eben brauchten. Sie mussten in diesen harten Jahren zusammenhalten. Hätte auch nur einer den fremden Truppen, welcher Partei sie auch angehörten, diese Verstecke verraten, wäre es schlecht um sie bestellt gewesen. Dieser Zusammenhalt zerbrach in den besseren Zeiten, wie wir noch erfahren werden.

      Es dauerte Monate, bis Tietke wieder auf eigenen Füßen stehen konnte, was er der Pflege seiner Frau und den Kräutern ihrer Verwandten zu verdanken hatte. Niemand im Dorf glaubte noch, er würde jemals wieder richtig gehen können. Seinen Hof konnte er aber nie wieder mit voller Kraft führen. Da seine Väter schon seit Generationen dem Amt auf diesem Hof dienten, er selbst stets seine Abgaben bis dato pünktlich entrichtete hatte, gestattete ihm der Amtmann, den Hof weiterzuführen. Zur Unter-stützung wurde Tietkes jüngerer Bruder Johann als Interimswirt eingesetzt.

      Tietkes Sohn Claus und sein Großknecht Lewerenz bekamen mehr Aufgaben zugewiesen. Daneben waren noch ein Knecht und eine Magd auf dem Hof beschäftigt. Claus wurde als Hoferbe angelernt, würde er doch bei der eigenen Heirat den Hof des Vaters übernehmen. Claus lernte dabei die Tochter der Anverwandten von Tietkes Frau kennen. Sie hieß Mette, und sie machte Tietke heute zum Großvater. Darüber war der alte Tietke sehr froh, zog an seiner Pfeife, schaute ins offene Flettfeuer, atmete tief ein, als sei ihm ein Stein vom Herzen gefallen. Dann sah er auf und schaute seine Frau Margarethe mit einem zufriedenen Lächeln an.

      III

      Die alte Margarethe, Claus’ Mutter, war noch gut beieinander und bereitete schon alles für die Arbeit der Bademutter mit der Dienstmagd Anne vor. Anne war Jungmagd und erst 15 Jahre alt. Sie war ein fröhliches, aber sehr zurückhaltendes Mädchen. Für sie war es die erste Geburt, die sie als Magd miterleben durfte. Es war ihre erste Anstellung. Sicherlich hatte sie schon daheim mitbekommen, dass die eigene Mutter Kinder bekam, aber dabei mitgeholfen hatte sie noch nie. Sie war erst seit diesem Jahr auf dem Hof und stammte aus einem nahen Nachbardorf. Sie war eines von elf Kindern ihrer Eltern. Schon ihr älterer Bruder Lütke war als Jungknecht hier bei Meinken gewesen. Ihre Mutter war eine Nichte des alten Tietke. Sie passte auf, das ihr Aufgetragene stets richtig zu machen. Selbstverständlich wollte sie später auch einmal heiraten und Mutter werden. Bademutter aber wollte sie nicht werden, denn diese waren ihr unheimlich. Die Großeltern und die Alten in ihrem Dorf erzählten sich die sonderlichsten Dinge über diese Frauen, die sich mit Kräutern auskannten.

      Sie hatte auch Gespräche der katholischen Soldaten mitgehört, dass Frauen, welche sich mit Kräutern auskannten und Bademütter waren, als „Hexen“, die man verbrennen müsse, bezeichnet wurden. Das hatte ihr große Angst und einige schlaflose Nächte bereitet, denn sie kannte ja Bademütter und Kräuterfrauen. Da die fremden Soldaten auch darüber sprachen, dass, wer mit diesen Weibern verkehre, sich ebenso der Zauberei schuldig machen und verbrannt werden würde, hatte sie Angst um das eigene Leben bekommen. Sie wurde jäh aus ihren Gedanken gerissen, denn Bademutter Hibbel verlangte lautstark nach heißem Wasser.

      IV

      Es war ein bitterkalter, aber trockener und schöner Wintermorgen, von dem die Menschen im Hause der Familie Meinken nichts mitbekamen. Die Bäume, Felder und Häuser des Dorfes waren mit einer glatten, fast kniehohen Schneedecke überzogen. Von den Strohdächern hingen große und kleine Eiszapfen herunter, die im Licht der Sonne blinkten.

      Der Schneefall hatte schon am Vortag aufgehört. Dennoch würden der Knecht Lewerenz und die Bademutter einige Stunden benötigen, um hierher zu kommen.

      In der zweiten Stunde nach Mittag traf der Knecht mit der alten und erfahrenen Bademutter Hibbel ein. Er hatte sie nicht bei ihr zu Hause angetroffen. Sie war am Abend zuvor zu einer anderen Geburt gerufen worden und dort über Nacht geblieben. Sie half einem Knaben, das Licht der Welt zu erblicken. Von dort holte sie der Knecht ab und brachte sie mit dem alten Leiterwagen zum Hof in Westeresch. Hibbel schaute sehr müde drein, als sie ins Haus trat, ging sogleich zu Mette in die Kammer und kam nach einigen Minuten wieder heraus, um die Vorbereitungen im Hause zu prüfen. Sie beruhigte die Anwesenden mit einer knappen Handbewegung und teilte ihre Einschätzung mit, dass es noch zwei bis drei Stunden dauern würde, bis das Kind zur Welt käme. Es würde also heute am Weihnachtstag geboren werden, das konnte sie aus ihrer Jahre währenden Erfahrung beurteilen.

      Sie bekam erst einmal eine heiße Suppe und wärmte sich am offenen Feuer im Flett auf, während Mette in der kleinen ungeheizten Kammer im Bett lag und Angst hatte, denn sie wusste, dass die erste Geburt für eine Frau stets ein Risiko war. Eine von Mettes Schwestern war unter der Geburt gestorben, ohne das Kind herauszubringen. Sie hatte drei ganze Tage und Nächte gelitten, bis der Herr sie endlich von ihren Qualen erlöst hatte.

      Die Menschen im Heimatdorf redeten von der Strafe Gottes gegen die Hexenbrut. Mettes Mutter und Großmutter waren nicht gut angesehen, denn der Hof der Eltern und Großeltern warf stets gute Erträge ab, während die anderen Bauern Hunger leiden mussten. Das ging für die Nachbarn nicht mit rechten Dingen zu.

      V

      Hibbel dagegen war zufrieden, denn als alte Witwe hatte sie als Bademutter noch eine wichtige und geachtete Aufgabe in den Dörfern und ein kleines Zubrot in den schlechten Zeiten. Sie wusste aber auch, dass sie in ihrer Tätigkeit vorsichtig sein musste, denn der Aberglaube, ihr Berufsstand habe etwas Mystisches an sich, hatte schon manch andere Frau in arge Bedrängnis mit der Gerichts-barkeit gebracht.

      So war es auch Mettes Mutter und Schwiegermutter ergangen, die sie beide noch gekannt hatte. Sie waren, wie Hibbel heute, Bademütter gewesen und wurden der Zauberei verdächtigt und beschuldigt.

      Hibbel heiratete einst, wie Mette, in dieses Kirchspiel ein. Ursprünglich stammte sie aus einem Nachbardorf von Mettes Eltern. Hibbel hatte als junge Dienstmagd noch bei der alten Hoops in Höperhöfen, das Handwerk der Hebamme erlernt, es aber für sich behalten.

      Nach dem frühen Tod ihres Mannes Hans fing sie an, es auszuüben, weil sie eine Aufgabe brauchte. Sie hatte keine eigenen überlebenden Kinder, obwohl sie so gerne welche gehabt hätte. Vier mal gebar sie tote Kinder, drei Mädchen und einen Knaben. Nun führte der Neffe ihres Mannes den Hof, und sie fühlte sich fremd im eigenen Haus. Sicherlich durfte sie dort bis zu ihrem Lebensende wohnen bleiben, dennoch war sie stets froh, wenn sie aus dem Haus konnte.

      Die Aufgabe als Bademutter gab ihrem Leben noch einen Sinn. In ihrer Tätigkeit kam sie sehr viel herum und die Menschen sprachen offen und vertraulich mit ihr. Dadurch wusste sie vieles, kannte aber auch die Gerüchte und Lügen, wusste auch um die Falschheit einiger. Sie hielt sich stets neutral, soweit

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