Drei Zimmer, Küche, Sarg. Heinz von Wilk
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Читать онлайн книгу Drei Zimmer, Küche, Sarg - Heinz von Wilk страница 3
»Auer, du hast mich schon verstanden, das waren zwei junge schwarze Frauen, und die waren schon vorher tot. Der Josef ist zwar ein diplomierter Volldepp, aber mit so was hat er garantiert nichts zu tun, glaub mir das.«
Die Biere kamen, der Auer und der Schiermeier lehnten sich zurück und lächelten die Frau an.
»Wo ist der Josef jetzt?«
Schiermeier hob die Schultern: »Frag mich was Leichteres. Er muss abtauchen, hat er mir erzählt. Wahrscheinlich ist er nach Salzburg gefahren, da kennt er ein paar Leute. Vermutlich Zocker-Idioten, genau wie er einer ist. Ich will es auch gar nicht wissen. Was ich will, das ist, dass du dich um die Sache kümmerst.«
»Genau dafür gibt es eine Firma, die nennt sich Polizei. Die haben so was schon öfters gemacht, glaube ich.« Der Auer Max schlürfte den dicken Schaum von seinem Bier, schaute in die Runde und sagte dann: »Was ich nicht kapiere: Was hat die tote Polizistin damit zu tun?«
»Die? Die wollte dem Josef helfen, aus der Sache mit den Jamaikanern rauszukommen. Sie hat ihre Beziehungen spielen lassen und sich umgehört. Dabei ist sie wohl auf was gestoßen, was besser unter der Decke geblieben wäre. Anscheinend war bei den Partys mit Drogen und Mädels auch der eine oder andere Stadtrat oder ein örtlicher Promi dabei.«
»Hast du Namen?«
»Nein.«
Der Auer fischte einen Zwanziger aus seiner Brusttasche und legte ihn auf den Tisch: »Das Bier geht auf mich. Deine Breze auch. Und mit der Sache will ich nichts zu tun haben. Mein Tipp: Geh zur Polizei. Zuerst muss der Josef wieder her. Der sollte auspacken. Nur so kann man meiner Meinung nach die Sache aufdröseln. Vielleicht hat die Frau aus Endorf dem Josef noch was erzählt. Wie hieß die überhaupt?«
»Susanne St., so stand es in der Zeitung. Mehr weiß ich auch nicht. Warte noch schnell einen Moment, Max.«
Schiermeier nahm sich einen Bierdeckel, zog einen Kuli aus der Jacke und schrieb eine Nummer auf den runden Filz, daneben noch eine Zahl. Dann schob er den Deckel neben Auers Hand: »Das hier ist meine private Handynummer. Da kriegst du mich rund um die Uhr. Und die Zahl daneben ist ein Vorschlag für dein Tageshonorar. Plus Spesen natürlich. Wenn du mehr Geld haben willst, sag es mir einfach. Aber du musst dich um die Sache kümmern, ob du willst oder nicht.«
Der Schiermeier ist einer, der kein Nein gelten lässt. Das Wort kennt der gar nicht, außer es kommt von ihm. So war schon sein Vater. Der alte Schiermeier hat als Maurer-Hilfsarbeiter angefangen, war dann aber schnell der Polier auf jeder Baustelle und mit 30 oder so hatte er seine eigene Firma. Besonders klug war er nicht, aber er hatte diese Bauernschläue, du weißt schon, und er konnte gut mit Menschen umgehen. In den 50er-Jahren hat er spottbillig eine Almhütte gekauft, irgendwo oben auf dem Samerberg. Ich habe gehört, er hat nicht mal Geld dafür hingelegt, sondern dem Viehbauern, dem die ganzen Wiesen und Wälder da oben gehörten, einfach einen neuen Stall gebaut. Für 80 Rindviecher und mit einem automatischen Gülle-Abfluss, so was war damals eine Sensation, kann ich dir sagen.
Ja, und dann hat er an vielen Wochenenden zusammen mit ein paar von seinen kroatischen Muskelpaketen die Hütte ausgebaut. Sauna, Wasseraufbereiter, Whirlpool, gescheite Toiletten, weil, mit dem, was er mit der Hütte vorhatte, da brauchst du mit einem Plumpsklo gar nicht erst anfangen.
Warum ich dir das erzähle? Pass auf: Der alte Schiermeier und seine Frau sind mit ihrem VW-Käfer im Jahre des Herrn 1948 oder so nach Italien an die Riviera gefahren. Das haben damals alle gemacht, die sich das leisten konnten.
Und wie der Schiermeier senior auf dem Weg nach Manarola an ein paar potthässlichen Hochhaus-Baustellen vorbeigefahren ist, direkt an der Autobahn standen die, sagt er zu seiner Frau: »Wie machen die das? Vor allen Rohbauten steht ein Schild mit dem Namen ein und derselben Firma, hast du das gesehen?« Und sie verneint das natürlich sofort, weil sie ja immer das Gegenteil von dem gesagt hat, was sie meinte. Obwohl in ihrem hübschen Kopf schon der eine oder andere Gedanke zu der Sache aufkam.
Ich mache es kurz: In Manarola saß der Schiermeier an der Theke von dem damals teuersten und einzigen Fischrestaurant und fragt den Wirt wegen den hässlichen Baustellen, du weißt schon, oben an der Autostrada.
Und der Wirt meint lachend: »Amigo, so machen die das hier. Du brauchst eine Jacht, aber schon was Gescheites, capische? Darauf lädst du die örtlichen Bürgermeister oder Lokalpolitiker und natürlich die Bänker ein. Und ein paar willige, heiße Mädels. So, und nach so einer Nacht auf dem Schiff wird hier in der Trattoria gefrühstückt, mit Schampus und Hummer und was du willst. Und ein paar Wochen später wird der wunderschöne kleine Wald oben an der Straße plötzlich zu Bauland. Oder er brennt ab. Einfach so. Die Herren Bürgermeister oder Politiker bekommen einen neuen Fiat oder auch mal einen Alfa Romeo, und um etwaigen Tripper oder so, den sich der eine oder andere unweigerlich auf der Jacht eingefangen hat, kümmert sich unser Dorfarzt, ganz diskret. Ist das bei euch in Germania anders? Echt jetzt? Wie wollt ihr da zu was kommen, eh?«
Der Schiermeier senior ist in den nächsten Tagen unter seinem Sonnenschirm gesessen und hat seiner Frau beim Schwimmen zugesehen. Aber mit dem Kopf war er natürlich ganz woanders, ja, was glaubst du wohl?
Auf der Rückreise sprach er seinen Plan mit ihr durch, sie meinte: »Vergiss das ganz schnell wieder, das funktioniert nie. Willst du auf dem Samerberg vielleicht eine Jacht hinstellen? Mit Blick auf die Kampenwand?« Dabei blickte sie ihn ganz verliebt an. Und der Schiermeier sah sich ob ihrer verschlüsselten Zustimmung voll auf Kurs.
Als der Alfons Schiermeier die Firma übernahm, erbte er natürlich auch die Almhütte. Die war mittlerweile sehr luxuriös, weil in jedem Jahr was Neues ein- oder angebaut wurde.
Und ich muss sagen, als hiesiger Bauunternehmer bist du heutzutage ohne eine Almhütte oder eine eigene Jagd hier im Süden gar nicht geschäftsfähig. Mit Golfen alleine und ein paar Sado-Maso-Ladys kriegst du heute keine Unterschrift für ein Bürohaus mehr aufs Papier, die Zeiten sind vorbei, das kannst du ruhig glauben.
So viel zum Schiermeier Alfons und seinen Geschäftsmethoden.
Jetzt noch schnell was zum Auer, und dann geht’s flüssig weiter: Wenn du den Auer kennen würdest, so wie ich zum Beispiel, dann wüsstest du, warum er so reagiert hat. Der Auer Max hat prinzipiell vor nichts Angst. In München, bei der Sitte, da haben sie ihn deswegen Mäd Mäx genannt.
Ich weiß noch, dass der Auer mal einen illegalen Puff in Obermenzing im Alleingang hochgenommen hat. Die fünf Mann vom SEK wollten mit einem Rammbock durch die Wohnungstür. Hinter dem Kerl mit dem Türöffner-Gerät standen seine Kollegen. Zwei sicherten das Treppenhaus mit gezogenen Pistolen nach oben und unten. Einer stand hinter dem Rammer und hatte ebenfalls eine Pistole in Kopfhöhe. Damit zielte er auf die geschlossene Tür. Der Max hat sich zwischen die Truppe geschlichen, den Tür-Mann leise zur Seite geschoben und geflüstert: »Ich kenne die dadrinnen. Ihr erschreckt mir die mit dem ganzen Theater bloß unnötig. Solche Leute sind sensibel. Lass mich mal vor.«
Er hat dann, ohne eine Antwort abzuwarten, mit dem Fuß heftig gegen die Stelle unter dem Schloss getreten. Ein knallharter Kick genau da hin, wo die Schließtechnik am empfindlichsten ist. Dann sang, nein, schrie er: »Hier kommt Kurt, ohne Helm und ohne Gurt!«
Drinnen im Wohnzimmer, da waren alle zu Eis erstarrt, was denkst du denn? Drei Frauen und ein nackter Kerl. Die Blonde, die vor dem dicklichen Mann mit den schütteren Haaren kniete, muss sich wohl vor Schreck in seinen Pimmel verbissen haben, denn der Bursche quiekte laut auf wie ein Schwein, verdrehte die Augen und fiel in Ohnmacht. Eins der Mädels, die eigentlich ein Mann war, fauchte mit tiefer Stimme: »Der Mäd Mäx. Ja leck mich doch am Arsch.