Das Mündel des Apothekers. Stefan Thomma
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das Mündel des Apothekers - Stefan Thomma страница 15
Nach längerem Schweigen brach Katharina die Stille.
»Warum hast du bis jetzt nicht geheiratet?«
Nachdem Simon seinen Bissen hinuntergeschluckt hatte, erklärte er:
»Es ist mir nicht nur einmal im Leben passiert, dass ich mich in eine Frau verguckt habe, die später zwangsverheiratet wurde. Ich bin es leid geworden. Da bleibe ich lieber allein.«
»Ich wünschte, mir wäre das damals alles erspart geblieben.« Katharina stocherte mit einem kleinen Ast im moosigen Waldboden.
»Wir sollten weiter«, unterbrach Simon ihre Gedanken. »Es ist noch ein gutes Stück bis Donauwörth.«
Nach einem langen Ritt rief Simon zu Katharina:
»Siehst du den Turm vor uns? Das ist das Kloster Heilig Kreuz von Donauwörth. Dort werden wir versuchen, ein Nachtlager zu bekommen.«
»Das sieht ja nicht besonders einladend aus!«
»Dafür kostet es nichts!«
Als sich nach mehrmaligem Klopfen eine kleine Luke in der Klosterpforte öffnete, schaute ein Augenpaar mit getrübten Linsen verwundert auf die Reisenden.
»Was wollt ihr? Wir nehmen keine Fremden auf!«
»Wir würden euch nur für diese Nacht belästigen und sind mit der einfachsten Kammer zufrieden«, beschwichtigte ihn Katharina. »Wir kommen aus Nördlingen und haben wichtige Erledigungen in Augsburg zu tätigen.«
»Meinetwegen, aber Ansprüche braucht ihr nicht zu stellen. Seit dem Krieg sind große Teile des Klosters zerstört und zu essen habe ich für euch auch nichts«, murrte der Mönch, während er die Klosterpforte einen Spalt öffnete. Beim Durchschreiten des verwilderten Klostergartens erzählte er weiter:
»Seit dem Tod von Bruder Jakobus letztes Jahr bin ich allein hier. Man muss aufpassen, es ist viel Gesindel unterwegs. Ich bin übrigens Bruder Antonius.
Hier könnt ihr schlafen. Wenn ihr noch etwas braucht, findet ihr mich in der Kirche beim Abendgebet.« Dankend schloss Katharina die schwere Türe hinter dem Mönch.
»Da sind wir mal keine Minute zu früh hier angekommen«, bemerkte Simon, als er durch das Fenster blickte. Mit Blitz und Donner entlud sich ein heftiges Gewitter. Wasser rann über das Glas der Fenster. Im dämmrigen Abendlicht sah Simon eine Gestalt in Mönchskutte über den Klosterhof eilen. Sagte Bruder Antonius nicht, er sei alleine hier? Er konnte das ja unmöglich sein. Er hat das Zimmer ja gerade erst verlassen. Um Katharina nicht zu beunruhigen, wendete sich Simon seinem Nachtlager zu.
Seine Begleiterin hatte inzwischen einen Kienspan11 aus ihrem Leinenbeutel hervorgeholt und entzündet. Im Schein der rußenden Flamme lagen sie wortlos unter ihren Decken.
»Simon?«, unterbrach Katharina die Stille. »Hältst du mich fest? Ich hasse Gewitter.« Dann lag Katharina in Simons Armen. Ihre Hand strich zärtlich über seine Brust. Als sich ihre Blicke trafen, lächelten sie sich kurz an, schauten dann aber beide verlegen weg.
»Ist schon ein komisches Gefühl, wenn man sich schon so lange kennt wie wir«, flüsterte Katharina.
»Ja, das stimmt.« Einen Moment sagte keiner von beiden etwas.
»Mein Gott, du bist ja immer noch so schüchtern wie zur Schulzeit!«, lachte Katharina. Sie drehte sich zu ihm und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf den Mund. Es dauerte eine Weile, bis Simon realisierte, was eben geschehen war. Als sich ihre Blicke trafen, mussten beide herzhaft lachen. Danach wurden ihre Mienen wieder ernst. Vorsichtig reckte Simon seinen Kopf. Katharina befeuchtete ihren Mund mit der Zunge und kam ihm entgegen. Dann fanden sich ihre Lippen zu einem Kuss. Erst ganz vorsichtig, dann immer wilder und fordernder. Hände erkundeten fremde Haut, Kleidung wurde achtlos abgestreift.
Katharinas Atem beschleunigte sich. So hatte sie das noch nie gefühlt. Ihre Zungen tanzten und umkreisten sich, während sie zu einer einzigen Einheit verschmolzen. Ein Gefühl von Wärme und Glück durchströmte die Liebenden.
Sie glitten hinüber in einen zufriedenen Schlaf.
Aufgeweckt von Schritten auf dem Flur, löste sich Simon von Katharina. Seine Gedanken waren wieder bei dem unbekannten Mönch, den er im Klosterhof gesehen hatte.
Neugierig öffnete er die Türe zum Flur, um zu sehen, was dort mitten in der Nacht vor sich ging. Doch es war stockfinster und auch nichts mehr zu hören. Plötzlich spürte er ein Brennen. Als er sich an den Bauch fasste, musste er feststellen, dass ein Messer in ihm steckte. Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen, dann verlor er das Bewusstsein.
*
Als Katharina erwachte, war es immer noch dunkel und ihr Schädel dröhnte, als hätte sie gestern mehrere Krüge Wein getrunken. Schnell begriff sie, dass sie nicht mehr mit Simon im Nachtlager des Klosters lag, sondern in einer Holzkiste auf einem Fuhrwerk unterwegs war.
»Wer seid ihr? Und was wollt ihr von mir?«, rief sie panisch. Aber alles, was sie hörte, war das monotone Rumpeln der eisenbeschlagenen Räder.
Was war nur passiert? Jemand musste sie niedergeschlagen haben. Und wo um Himmels willen war Simon, dachte sie sich.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, als ihre Schmerzen in den Knochen schon fast unerträglich wurden, stoppte das Gefährt. Als die Kiste geöffnet wurde, kniff Katharina ihre geblendeten Augen zusammen.
»Wer seid ihr? Und wo bin ich hier?«
»Willkommen in Augsburg. Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Reise«, sagte einer der beiden unbekannten Männer übertrieben vornehm. Ohne ein weiteres Wort führten sie die junge Frau in ein großes Gebäude.
»Ihr hattet ein schönes Zimmer im Eisenhaus12 bestellt«, machte sich der andere der beiden über sie nun lustig. Entsetzt hörte sie qualvolle Schmerzensschreie einer Frau und wurde in eine Zelle gestoßen. Krachend flog die Gittertüre hinter ihr ins Schloss.
»Was wird mir vorgeworfen?«, schrie Katharina verzweifelt. Doch sie bekam keine Antwort. Ihre Zelle war gerade so groß, dass sie sich nach allen Seiten ausstrecken konnte. Auf dem kalten Steinboden war Stroh ausgelegt. Außer dem Eimer für die Notdurft war die Zelle leer. Katharina kauerte sich in eine Ecke, umschlang ihre Beine mit den Armen und konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten.
»Flieht von hier, wenn Ihr könnt. Der Herrgott wacht und der Pfaffe lacht«, hörte sie einen alten Mann sprechen, der in der Zelle gegenüber angekettet war. Er schien nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen. Sein graues langes Haar und sein Bart waren Zeugen eines wohl schon längeren Aufenthalts. Dennoch hat er seinen Humor nicht verloren, dachte sich Katharina.
»Pfaffentrug und Weiberlist geht über alles, was ihr wisst«, wieder lachte der Alte.
»Wenn die Hexe stirbt, möchte ich nicht in deiner Haut stecken, Henker. Wir brechen die Befragung für heute ab. Sperrt sie wieder in die Zelle!« Zwei Männer schleiften eine bewusstlose Frau in Katharinas Zelle und ließen sie zu Boden fallen wie einen Mehlsack. Die Apothekerin hielt vor Entsetzen die Hand vor