Das zerbrochene Mädchen. Fabienne Siegmund

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das zerbrochene Mädchen - Fabienne Siegmund страница 3

Автор:
Серия:
Издательство:
Das zerbrochene Mädchen - Fabienne Siegmund

Скачать книгу

gerade entstiegen war.

      Wie Little Eric trug auch er die dunkle Kluft der Schornsteinfeger.

      Er betrachtete den Brownie eingehend, als wolle er prüfen, wer es gewagt hatte, seine Ruhe zu stören. Dann erst sah er Stella an, hinter sich die Rauchschwaden aus den Kaminen der Stadt, die sich zu sammeln schienen.

      »Was«, fragte er und die Worte klangen so heiser, wie der Rauch selbst schmeckte, »kann ich für dich tun, Prinzessin des Koboldkönigs?«

      Nie zuvor hatte jemand sie so angesprochen. Stella brachte kein Wort hervor.

      McWhistle war es, der ihm eine Antwort gab. »Zu Mylady Muerte wünschen wir zu gelangen.«

      Der Kaminkönig mit seiner blassen Haut zog eine Augenbraue nach oben. »Ein Brownie will Mylady beehren?«

      Der Hauskobold schüttelte schnell den Kopf. »Mitnichten, Sir, mitnichten. Stella – die Prinzessin«, verbesserte er sich, »ist auf der Suche nach ihr.«

      Der Kaminkönig neigte den Kopf zur Seite. »Es gibt einfachere Wege für die Sterblichen, den Tod zu finden. Selbst für jene, die unter eurem Schutz stehen.«

      »Ich will nicht sterben«, warf Stella ein. »Ich möchte nur Mary retten. Die Nebel haben sie mitgenommen. Ich will Mylady Muerte bitten, sie freizulassen.«

      Über die Lippen des Kaminkönigs huschte ein Lächeln, das nach einem Wimpernschlag erstarb und sich in eine spöttische Miene wandelte. »Mylady Muerte gibt niemanden frei, den die Nebel zu ihr bringen. Ich weiß es, denn mein Rauch gibt dem Nebel die Gestalt, die er dafür braucht. Mein Rauch berichtet mir.«

      Er machte eine ausladende Geste, die ganz London erfasste. »Ich weiß alles, was in den Häusern der Stadt geschieht. Der Qualm bringt es mir, und ich bringe meinen Qualm Mylady Muerte.«

      »Warum tut Ihr das?«, fragte Stella, die nicht begreifen konnte, wie jemand dem Tod bei seinem Tun helfen konnte.

      »Der Preis stimmt«, sagte der Kaminkönig nur, und als er Stellas zornfunkelnden Blick bemerkte, fügte er hinzu: »Der Tod ist wichtig.«

      »Nicht für Mary«, flüsterte Stella nur. »Nicht jetzt.«

      »Es gibt nie ein Jetzt, das richtig ist«, meinte der Kaminkönig. Stella schwieg. Sie wusste, dass er Recht hatte. Sie blickte dem Kaminkönig fest in die Augen.

      »So sei es. Ich werde dir den Weg zu Mylady Muerte weisen, auch wenn es unnütz sein wird. Niemals lässt sie gehen, was zu ihr gekommen ist. Nie.«

      Stella dachte, dass man niemals nie sagen sollte.

      Der Kaminkönig fuhr fort. »Aber du wirst keine Leistung von mir umsonst erhalten. Ich bin der Kaminkönig. Ich handle.«

      Stella nickte.

      »Ich werde dir erst sagen, was der Preis ist, wenn du eingewilligt hast. Dann gibt es kein Zurück mehr. Weder für dich, noch für mich.«

      Stella nickte wieder. Reichte dem Kaminkönig die Hand. Der Handel wurde beschlossen. McWhistle wimmerte leise und angsterfüllt.

      Der Kaminkönig lächelte erneut. Dann griff er in seine Tasche, aus der er eine Streichholzschachtel hervorholte. Er öffnete sie und sah hinein. Dann nickte er zufrieden und gab sie Stella.

      »Diese drei Streichhölzer will ich dir geben. Das erste zeigt dir, wo Mylady Muerte ihren Sitz hat. Wo sie ist, sind die Nebelkinder, in denen die Seelen wohnen. Das zweite öffnet dir die Tür der Kamine. Durch die Kamine reist man am schnellsten, denn die Kamine führen überall hin, über die Grenzen der Häuser hinaus.«

      Einen Moment zögerte er. »Das dritte bringt dich zurück, sollte es ein Zurück geben.«

      Er sah sie an. »Nimm jemanden mit. Es ist nicht gut, allein zu gehen. Und kein Elfenwesen wird Mylady Muerte beehren können.«

      Stella nahm die Schachtel und bedankte sich. Dann sah sie den Kaminkönig erwartungsvoll an. Er griff sich mit einer Hand an das Kinn und dachte nach, neigte den Kopf mal nach links und mal nach rechts.

      »Du magst Lieder«, stellte er fest.

      Stella dachte darüber nach. Als Mary noch da gewesen war, hatte sie immer gesungen. Doch mit Marys Verschwinden waren auch die Lieder fort.

      »Ich habe sie gemocht«, sagte sie schließlich, aber der Kaminkönig schüttelte den Kopf.

      »Du magst sie immer noch. Sie schweigen nur.« Er atmete tief durch, dann sagte er: »Sie sollen mein Lohn sein.«

      Stella nickte und fragte sich, was das bedeuten würde. Sie wusste es, sobald sich der Kaminkönig mit einer Verbeugung von ihr verabschiedete und in der dichten Rauchwolke verschwand, die sich bald darauf auflöste.

      McWhistle sah sie fragend an, und Stella wollte ihm sagen, dass alles in Ordnung sei, aber sie konnte nicht.

      Der Kaminkönig hatte ihre Stimme genommen.

      Erschrocken barg sie das Gesicht in den Händen und schluchzte lautlos, denn zum Weinen braucht man keine Stimme.

      »Wir können Mary retten«, sagte McWhistle nach einer Weile tröstend, auch wenn seine Stimme von Traurigkeit erstickt wurde, und Stella folgte ihm hinab in die Straßen von London.

      Sie musste jemanden finden, der mit ihr gehen würde.

      Little Eric. Niemand sonst.

      Sie fand den Schornsteinfeger am Ufer der Themse, nahe der Tower Bridge. Dort trafen sie sich immer.

      Unterwegs hatte Stella darüber nachgedacht, wie sie ihm sagen sollte, dass Mary im Reich von Mylady Muerte gefangen wäre. Sie hatte keine Stimme, und selbst wenn sie eine gehabt hätte — zu seltsam würde klingen, was sie erzählen würde.

      Nicht einmal Mary hatte sie etwas vom Kuss des Koboldkönigs erzählt. McWhistle war es, der ihr half, zumindest die Stimme wiederzufinden. Wenn auch auf ganz andere Weise. Er wühlte in einem Mülleimer und reichte ihr eine zerknitterte Ausgabe der Times. »Was immer du sagen willst, zeig es anhand der Buchstaben. Schreibe die Worte mit deinen Fingern.« Stella hatte ihm einen Kuss auf die kleine Nasenspitze gegeben und der Brownie war rot angelaufen.

      Jetzt saß sie neben Little Eric auf einer Bank und erklärte ihm, was sie ihm erklären musste. Er sah sie ungläubig an, aber am Ende nickte er.

      »Ich habe gespürt, dass etwas nicht stimmt«, meinte er. »Ich wusste nur nicht, was es war.«

      »Du liebst sie«, baute Stella die Worte auf dem Zeitungspapier, indem ihr Zeigefinger von Buchstabe zu Buchstabe flog.

      McWhistle saß auf ihrer Schulter. Unsichtbar. Er ging erst, als Little Eric sagte: »Zünde das erste Streichholz an. Wir müssen herausfinden, wo Mary ist.«

      Hoffnungsvoll fragte Stella: »Du kommst mit?« Ihre Finger huschten immer sicherer über den Artikel, als hätten sie die Position der Buchstaben auswendig gelernt.

      Little Eric nickte. »Ich liebe sie«, sagte er und Stella entzündete das erste Streichholz. Im Schein der flackernden Flamme erschien ein Bild.

      »Dort

Скачать книгу