Bitcoin, Blockchain & Co. — Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit (überarbeitete Ausgabe 2021/22). Joe Martin
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Mehr Miner, mehr Rechenpower
Mehr Rechenpower kommt ins Netzwerk, wenn zum Beispiel mehr Miner angeschlossen werden oder wenn sich die Rechenleistung per se erhöht. Als zum Beispiel der erste Spezialist eine GPU, also eine Grafikkarte, genutzt hat, um die Blockwerte zu errechnen, hat er natürlich, weil er viel schneller rechnen konnte als alle anderen, die Blocks viel schneller als nur alle zehn Minuten errechnet. Damit ist er wahrscheinlich damals nicht nur zu schnell gewesen, sondern hat auch fast jeden Block nacheinander gelöst und die damals noch 50 BTC als Belohnung erhalten. Während die anderen noch die Rechenaufgabe am Block 5 zu lösen versuchten, hatte der GPU-Miner das schon längst hinter sich und arbeitete schon an Block 6. Die anderen, die deutlich langsamer rechnen können, mussten also immer wieder abbrechen und dann neu starten. Bis sie so weit waren, hatte der GPU Miner schon Block 6 fertig und so weiter.
Das ist natürlich nicht der Sinn des Ganzen, denn das System ist dadurch auch extrem anfällig für Manipulationen. So hätte dieser GPU-Miner Daten verändern und dem Netzwerk zuliefern können, weil er ja so schnell ist, dass die anderen gar keine Blocks mehr an die Nodes hätten liefern können. Sie erhalten dann mitten im jeweiligen Rechenvorgang schon nach kurzer Zeit eine Meldung, dass ein neuer Block errechnet wurde und dass sie nun mit den nächsten anfangen sollen. Nachdem sie also an Block 7 „herum-rechnen“, kommt nach ein paar Minuten die Meldung, dass der 7er gefunden wurde und sie an Block 8 weitermachen sollen. Aber auch dort kommen sie nicht weit, denn der wird auch bald als gefunden gemeldet, also dann ran an den Block 9 und so weiter.
Durch einen solchen massiven Rechenvorteil würde das System dann plötzlich doch zentralisiert und der eine Miner, der anstelle eines normalen Prozessors, also zum Beispiel einem Pentium, mit einer GPU rechnet, würde alles dominieren und kann Änderungen an den Daten nach Belieben vornehmen und einstellen.
Es gibt keine Kontrolle mehr — Diktatur pur
Nicht mit Nakamoto, der einen solchen Fall vorhergesehen hat und als Gegenmaßnahme die Difficulty eingeführt hat. Nach zwei Wochen ist Schluss mit der Diktatur, denn nach 2016 Blocks wird die Difficulty so hochgeschraubt, dass der GPU-Miner im Schnitt auch wieder zehn Minuten benötigt, um einen Block zu berechnen. Das bedeutet, dass das System nicht mehr hyperventiliert, sondern der Herzschlag wieder stabilisiert ist.
Allerdings findet nun auch nur der GPU-Miner die Blocks, weil er einfach genug Rechenpower hat diese zu berechnen. Die anderen Miner können quasi gar keinen Block mehr lösen, weil die Difficulty nun erst recht viel zu hoch für deren Rechenleistung ist. Der ein oder andere kann unter Umständen mal einen Treffer landen, denn im Grunde genommen raten die Miner ja eh nur, genau wie ein Lottospieler, der tatsächlich nur einen einzelnen Tipp abgegeben hat und damit die 6 Richtigen mit Zusatzzahl getroffen hat. Aber das ist die Ausnahme. Der GPU-Miner gewinnt die meisten Blocks, aber eben nicht mehr so schnell, sondern nur alle zehn Minuten. Aber er löst dennoch fast alle, was also ist gewonnen? Wozu das Ganze?
Wenn die Difficulty plötzlich so hochspringt, werden natürlich jede Menge Spezialisten auf diesen Umstand aufmerksam. Viele kluge Köpfe beobachten das System, nehmen Daten auf, lassen eigene Applikationen auf der Bitcoin-Blockchain laufen oder betreuen Miner, die seit einigen Tagen nichts mehr einnehmen und jetzt plötzlich gar nicht mehr mitkommen. Eine solche Änderung wird dann von vielen Teilnehmern wahrgenommen und zwar zuerst von den technischen Experten, die relativ schnell herausfinden können, was passiert ist.
Bitcoin ist ja keine Blackbox, zu der nur eine vorher definierte Gruppe Zugang hat, sondern ein offenes System. Die Program-mierung ist offen einsehbar als sogenannter „open source“. Die Blocks selbst sind offen einsehbar und können von jedem analysiert werden. Im Grund ist alles offen einsehbar und niemand kann irgendeine Funktion verstecken. Wenn ein solch neues Verhalten auffällt, werden sofort eine Vielzahl von Experten sofort reagieren. Sie nutzen dann auch einfach GPU-Miner und nach und nach wird die gesamte Rechenpower zwar massiv erhöht, aber dann auch von vielen, dass das System wieder dezentralisiert im Wettbewerb betrieben wird. Der Herzschlag ist synchronisiert bei zehn Minuten, die Hash-Power ist wieder ausgeglichen und das System ist stabil wie eh und je.
Der Vorteil des ersten Ingenieurs hat ihm zwar im Idealfall 14 Tage lang die überwiegende Mehrheit der Belohnung eingebracht, aber hat der Ingenieur, der das ausgetüftelt hat, nicht auch eine Belohnung verdient? Über die Höhe kann man trefflich streiten. Bei zum Beispiel 1.800 von 2.016 Blocks waren das mal damals 50 BTC pro Block, immerhin 90.000 BTC und damit, bei 1 Dollar immerhin 90.000 Dollar oder 90.000.000 Dollar bei 1.000 Dollar pro BTC und 900 Millionen bei 10.000 Dollar pro Bitcoin. Zu viel?
Das kann man sehen wie man will. Auf jeden Fall wurde damit das gesamte System weiterentwickelt, es wurde sicherer. Seitdem braucht man sehr viel mehr Rechenpower, um Änderungen zu veranlassen. Damit wurde das gesamte System doch viel wertvoller. Wenn man es mit einer Erfindung wie dem Dübel oder dem MP3-Dateiformat vergleicht, dann liegt die Entlohnung im vertretbaren, wenn auch im sehr hohen Bereich, besonders seit der Bitcoin die 10.000er Marke durchbrochen hat. Das setzt aber auch voraus, dass der Experte die Bitcoin auch aufgehoben hat und nicht den Private Key verloren hat, weil er als begeisterter Technikfans immer die neuesten Festplatten einbaut und die mit den Privat Keys irgendwie verschollen ist. Man weiß es eben nicht.
Das System kann Ausnahmesituationen ausgleichen — schwarze Schwäne haben keine Chance
Die zuvor genannten Beispiele sind natürlich Ausnahmesituationen, die auch nur ganz selten vorkamen, nämlich beim Umstieg auf die GPU und dann wieder bei den ersten ASICs, also den speziell fürs Mining hergestellten Chips mit ihren speziellen Baugruppen.
In der Regel sind die Schwankungen nur marginal und entstehen durch die Anzahl der angeschlossene Miner. Steigt der Bitcoin-Preis, wie zum Beispiel im ersten Halbjahr 2017 von 1.000 Dollar pro Bitcoin auf fast 3.000 Dollar pro Bitcoin, dann springen mehr Leute auf den Zug auf und betreiben Miner — auch zu höheren Stromkosten — weil es trotz des hohen Strompreises wirtschaftlich wird.
Mehr Miner bedeuten mehr Rechenpower im gesamten System, das bedeutet mehr Hash-Power im gesamten Netzwerk, was wiederum bedeutet, dass die Blocks schneller gefunden werden können. Das führt zu einer höheren Difficulty nach 2016 Blocks, also nach circa zwei Wochen und dann wird das System eingebremst, sodass die höhere Gesamtleistung sich wieder auf die durchschnittlichen zehn Minuten einpendelt, nur eben auf einem höheren Niveau.
Das ist somit ein positiver Aspekt, denn dadurch wird es für einen Angreifer, der Daten manipulieren möchte, wieder sehr viel schwieriger und sehr viel teurer, weil er noch mehr Rechenpower aufbringen muss, um diese Änderungen durchzusetzen.
Das alles ist dann im Grunde ein ökonomisches Problem, denn wenn eine Manipulation weniger einbringt als es kostet, diese vorzunehmen, wenn man also 100.000 Dollar einnehmen kann, aber 150.000 Dollar ausgeben muss, dann macht es einfach keinen Sinn. Wie viel man einnehmen kann, hängt wieder vom Preis der Bitcoins ab und da das System immer mehr Teilnehmer gewinnt, je höher der Preis ist, desto höher wird die Hash-Power und desto teurer wird ein Angriff. Das alles in einem System mit einer limitierten Anzahl von Coins muss zwangsläufig zu höheren Preisen pro BTC führen. Bei näherer Betrachtung also ein geniales System.
Bliebe noch die Problematik, dass sich die Anzahl der Miner verringert, sobald die Preise sinken. In diesem Fall werden Miner möglicherweise deaktiviert, weil zu wenig durch die Belohnung erzielt werden kann und die Stromkosten zu hoch werden. Dann sinkt die gesamte Hash-Power