Ressentiment. Robert Müller

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Ressentiment - Robert Müller

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geradezu paralysierenden Erlebnissen und Erinnerungen Frieden zu machen und Leben zu lernen, ist auch für den modernen und erst recht für den ressentimentalen Menschen eine Herausforderung. Die besondere Zeitlichkeit des Ressentiments baut ja auf genau diesen Bruchlinien auf. Paradoxerweise scheint aber gerade für den Ressentimentmenschen – dessen Kennzeichen ein hoch problematischer Vergangenheitsbezug ist, der immer wieder durchlebend und durchleidend um das Vergangene kreist – die entgegengesetzte Problematik zu gelten: er verfügt aufgrund seines Nicht-Vergessen-Könnens nicht über zu viel Bewusstheit seiner gescheiterten Vergangenheit – sondern zu wenig.

      Das Ressentiment ähnelt in seiner repetitiven Struktur, den immer gleichen immer neu in Gang gesetzten Affektabfolgen, den immer wiederholten Gedankengängen und Handlungsmustern, einem psychologischen Programm, das, wenn initiiert, wie automatisch abläuft. Die Ressentimentpersönlichkeit ist in vielen Aspekten wie ferngesteuert. Das Programm spult seine Algorithmen ab, ohne dass sie ihr im Einzelnen zu Bewusstsein kommen – und selbst wenn sie ihr bewusst werden, sind seine Zwänge so stark, dass sie sich ihrer nicht erwehren kann: »Im Ressentiment sind wir eben nicht Handelnde, sondern gezwungenermaßen Objekte von Handlungen«.71 Sie sind scheinbar alternativlos und mit unhinterfragbarer Selbstverständlichkeit zum einzigen und alleinigen Wahrnehmungs-, Empfindungs-, Denk- und Handlungsmuster geworden. Der Ressentimentmensch ist ein passivischer Gefangener seiner Kränkungen und seines Scheiterns, ein Spielball der von ihnen ausgehenden Psychodynamiken. Mit seiner schleifenförmigen Struktur macht das Ressentiment seinen Träger regelrecht besinnungslos. Den genannten Mustern gegenüber kennt er kein Innehalten mehr, kein Reflektieren und Hinterfragen, keine kritische Distanz.

      Dass der Ressentimentale ein Gefangener seiner Vergangenheit ist, dass er sie unaufhörlich wiederkäut und zergrübelt, unaufhörlich im Spiegelkabinett seiner Erinnerungen umherirrt, hat nichts mit Besinnung, mit reflexiver Bewusstmachung und gedanklicher Zergliederung zu tun. Der im Zuge der Ressentimentbildung zwangsläufig einsetzende Verdrängungsprozess, die Entrealisierung der Ressentimentaffekte, vor allem aber die darauf aufbauenden multiplen selbstbildstabilisierenden Mechanismen, haben die dezidierte Wirkung, das Bewusstsein zu vernebeln, es zu modifizieren und zu manipulieren – bis das eigens konstruierte Narrativ die Deutungshoheit erlangt hat, bis die eigentliche Natur der eigenen prekären Lage übertüncht, bis die eigene Schuld und Verantwortlichkeit auf den Anderen abgewälzt ist. Jede Form des Sich-Besinnens, des Zu-sich-Kommens, würde dieser Wirkung diametral entgegenstehen. Demgegenüber gleicht das Umlenken der Affekte auf die konstruierten Feindbilder und das imaginative Ausleben derselben in Hass- und Rachephantasien vielmehr einem gedankenlosen Rauschzustand. Nietzsche etwa beschreibt die »Betäubung von Schmerz durch Affekt« – man will »einen quälenden, heimlichen, unerträglich-werdenden Schmerz durch eine heftigere Emotion irgend welcher Art betäuben und für den Augenblick wenigstens aus dem Bewusstsein schaffen, – dazu braucht man einen Affekt, einen möglichst wilden Affekt und, zu dessen Erregung, den ersten besten Vorwand«.72 Der Ressentimentmensch findet ein Narkotikum seiner Qualen in einer Art Überbelichtung oder Überblendung eben dieser Qualen und seines geschundenen Gefühlshaushalts. Seinen Träger bewusst- und besinnungslos zu machen, ist ein elementarer Bestandteil der ressentimentalen Logik.

      An den Strategien, die die Ressentimentpersönlichkeit zum Umgang mit den selbstbildbedrohenden Verwerfungen entwickelt, ergibt sich zuletzt auch, dass das Ressentiment ein ausschließlich negatives Phänomen ist: ihm fehlt jede konstruktive Kapazität, jede positive, hervorbringende, lösungsorientierte Dynamik. Es führt nicht zur Diagnose der eigentlichen, sehr realen Probleme und zur Analyse der ihnen zugrundeliegenden Ursachen hin zu möglichen Lösungsansätzen – es ist ein Grundzug des Ressentiments, genau diesen Vorgang zu unterbrechen. Was es stattdessen ›hervorbringt‹, sind Scheinprobleme und -ursachen sowie deren scheinbare Lösungen. Doch an diesen Konstruktionen ist schlechterdings nichts konstruktiv.

      Die realen, zumeist tief im eigenen Selbst grundgelegten, ursächlichen Problemlagen und Urkonflikte werden oft als derart überwältigend empfunden, ebenso die eigene Ohnmacht – sodass es aussichtslos scheint, real an ihnen etwas ändern zu können. Auf die Scheinprobleme des Ressentiments lassen sich demgegenüber meistens die leichteren Antworten finden und die bequemeren Lösungen; sie bestätigen den Ressentimentalen in seinem Grundgefühl und in seinen grundlegenden Bedürfnissen, und fordern ihn gerade nicht heraus, sich darin kritisch selbst zu hinterfragen und womöglich zu korrigieren; sie folgen der überzeugenderen, weil primär emotiven inneren Logik, und erzeugen den deutlich effektvolleren Rausch der wilden Affektabfuhr. Die wesentlich nicht auflösbare Spannung zwischen den Ressentimentaffekten auf der einen Seite und der Ohnmacht, diese auszuagieren auf der anderen, lässt den psychischen Druck schließlich so sehr ansteigen, dass er sich jenseits der konstruktiven Arbeit an den ursächlichen Problemen Wege des Druckabbaus sucht. Das Ressentiment ist wesentlich eine Fehlfunktion der psychischen Bewältigungsstrategien und -mechanismen. Es ist die Antithese zu einem konstruktiven Umgang mit den eigenen Aporien. Seine rein negative Potenz richtet sich nicht gegen die Krankheit selbst, sondern gegen deren Symptome, und zielt nicht auf Heilung, sondern auf (zeitweilige) Linderung. Damit bewirkt es aber letztlich die Eskalation der eigentlichen Probleme und Konflikte und die Chronifizierung der eigenen Leiden – die wiederum, als dessen Ursache und Ursprung, das Ressentiment stärken. Das Ressentiment befreit nicht von der Wirklichkeit – es ist vielmehr ein Vorgang, in welchem zwar »Wirklichkeit negiert ist, aber entstellt, unkenntlich wiederkehrt und sich folglich umso hartnäckiger unbewußt durchsetzt«.73 So potenzieren sich dessen transformative Kräfte und beschleunigt sich die ressentimentale Überformung der Persönlichkeit – bis der Kreis des selbstzündenden Ressentimentmechanismus schließlich geschlossen ist. Es gehört zur Perfidität des Phänomens, das als Kur auszugeben, was die Krankheit erst in ihr Endstadium hinein steigert. Der restlos negative, restlos unkonstruktive Zug des Ressentiments erweist sich so als integraler Bestandteil der Ressentimentbildung und -stabilisierung.

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