Film- und Fernsehanalyse. Lothar Mikos

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Film- und Fernsehanalyse - Lothar Mikos

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»deren ultimatives Ziel es ist, den gleichen Markeninhalt über verschiedene Medien zu verbreiten« (ebd.). Auf der Seite der Mediennutzer kommt dem das Bedürfnis entgegen, beliebte Inhalte auf verschiedenen Medienplattformen zu suchen. Das gilt offenbar besonders für Angebote, die der Unterhaltung dienen, wie Henry Jenkins bemerkt:

      »Unter Konvergenz verstehe ich die Ausbreitung von Inhalten über verschiedene Medienplattformen, die Kooperation zwischen verschiedenen Medienindustrien und das nomadische Verhalten von Medienpublika, die auf der Suche nach den Unterhaltungserlebnissen, die sie wünschen, nahezu überall hingehen« (Jenkins 2006, S. 2).

      Dabei zeigen sich allerdings unterschiedliche Muster der konvergenten Medienaneignung (vgl. Wagner u.a. 2006; siehe auch Göttlich 2006, S. 194 ff.; Groebel 2014, S. 79 ff.). Die Verbindung zwischen den Angeboten und der Mediennutzung wird durch eine Ästhetik transmedialen Erzählens hergestellt (vgl. Kapitel II-5.2). Für Filme und Fernsehsendungen, die auf mehreren medialen Plattformen verbreitet werden, hat sich der Begriff »Franchise« durchgesetzt (vgl. Johnson 2013) und ist am Beispiel von »Der Herr der Ringe« (Mikos u.a. 2007; Thompson 2007; Wasko 2008), »Matrix« (Jenkins 2006, S. 101 ff.) und »Star Wars« (Kapell/Lawrence 2006) untersucht worden. Bei solchen Franchise-Produkten können zwar noch die einzelnen Filme analysiert werden, doch müssen sie im Kontext der anderen medialen Ausprägungen gesehen werden. Denn der Erfolg eines Films oder einer Fernsehsendung hängt zunehmend von der Einbettung in die konvergierenden Medienumgebungen ab.

      Mit der Digitalisierung sind neue Möglichkeiten der Verbreitung von Filmen und Fernsehsendungen entstanden (vgl. Aigrain 2012; Allen-Robertson 2013; Cunningham/Silver 2013). So findet man auf dem Videoportal YouTube vor allem Ausschnitte aus Fernsehshows, aber auch ganze Sendungen und einzelne Folgen von Fernsehserien. Einige historische Filme können ebenfalls dort angesehen werden. Die neuen Verbreitungswege ändern auch die Produktionsweisen und die Ästhetik. Wenn die Video-on-Demand-Plattform Netflix eigenproduzierte Fernsehserien nicht mehr Folge für Folge, sondern alle Episoden auf einmal onlinestellt, dann müssen einerseits alle Folgen auch bereits fertig produziert sein, und andererseits bedarf es keiner Cliffhanger mehr, um die Spannung zur nächsten Episode aufzubauen, ebenso wie die sogenannten Recaps – eine kurze Zusammenstellung der wichtigsten Ereignisse aus den vorherigen Folgen – entfallen. Die in den USA übliche Praxis, spätere Episoden der Staffel einer Fernsehserie noch zu produzieren, während die ersten Episoden schon gesendet werden, ist dann nicht mehr möglich. Außerdem macht die veränderte Ästhetik die Fernsehserien für das klassische Fernsehen in gewisser Weise unbrauchbar, da sie sich nicht mehr an dessen Gesetzen und Gewohnheiten der Zuschauerbindung orientiert.

      Im Kontext der Medienkonvergenz werden Filme und Fernsehformate als medienübergreifende Marken etabliert. Die Geschichte im Kopf der Zuschauer entsteht dann nicht mehr allein über einen Film oder eine Fernsehsendung, sondern die verschiedenen Angebote, die sich um einen Film- oder Fernsehtext gruppieren, tragen ihren Teil dazu bei. Trailer in Kino, Fernsehen, Internet und mobilen Endgeräten, Fanseiten, Merchandising-Artikel, Comics, Computerspiele, Bücher, Film- und Fernsehkritiken, Presseberichterstattung usw. formen die aktuelle Rezeption vor. In diesem Sinn kann bei all diesen Ausprägungen auf verschiedenen Plattformen in Bezug auf einen einzelnen Film oder ein spezifisches Fernsehformat von »präfigurativem Material« gesprochen werden (vgl. Biltereyst u.a. 2008). In der Film- und Fernsehanalyse müssen daher zunehmend die Kontexte der Filme und Fernsehsendungen ebenso Berücksichtigung finden wie deren Ausweitungen auf anderen medialen Plattformen.

      Auch wenn das Fernsehen und Video-on-Demand-Plattformen zu Beginn des 21. Jahrhunderts der überwiegende Konsumort für Filme sind, müssen Film und Fernsehen als zwei Medien betrachtet werden, die unterschiedlich strukturiert sind. Gemeinsam haben sie, dass sie mit bewegten Bildern arbeiten. Aber bereits die bildliche Auflösung einer Szene ist bei einem Kinofilm anders als bei einem Fernsehfilm – und bei einem für ein Portal wie YouTube hergestellten Film konzentriert sie sich vorwiegend auf Nahaufnahmen. Ganz allgemein kann man sagen, dass die Kamera umso näher am Objekt bzw. der Person der Darstellung sein muss, je kleiner der Bildschirm ist, auf dem der Film angeschaut wird. Daher werden Film und Fernsehen im vorliegenden Buch auch nicht gleich behandelt, sondern dort, wo es Konsequenzen für die Analyse hat, werden die Unterschiede hervorgehoben.

      Ausgangspunkt für die hier vorgestellten Grundlagen der Film- und Fernsehanalyse ist die Auffassung, dass Filme und Fernsehsendungen als Kommunikationsmedien zu begreifen sind: Sie kommunizieren mit dem Publikum, wobei ihre Gestaltungsmittel und Techniken die kognitiven und emotionalen Aktivitäten der Zuschauer vorstrukturieren. Um diesem gedanklichen Ausgangspunkt gerecht zu werden, wird nicht von einer einzigen theoretischen Perspektive aus auf die Filme und Fernsehsendungen geschaut, sondern in einer inter- und transdisziplinären Zugangsweise werden theoretische Ansätze aus unterschiedlichen Disziplinen berücksichtigt (Interdisziplinarität) und im Hinblick auf die Analyse zusammengeführt (Transdisziplinarität).

      Letztlich bedeutet das für die Analyse von Film- und Fernsehtexten, dass ihre textuellen Strategien verstärkt daraufhin zu untersuchen sind, wie mit den unterschiedlichen Wissensbeständen und Gefühlsstrukturen sowie dem an konkrete lebensweltliche Kontexte gebundenen praktischen Sinn und der sozial-kommunikativen Aneignung verschiedener Publika unterschiedliche Lesarten gebildet werden können. Wenn Filme und Fernsehsendungen sinntragende Diskurse sind, dann muss die Analyse ihr Sinnpotenzial entfalten und es in die Kontexte der Film- und Fernsehkommunikation einbinden, auch und gerade wegen der zunehmenden Bedeutung konvergierender Medienumgebungen. Film- und Fernsehtexte stellen nach wie vor symbolisches Material bereit, mit dem die Zuschauer in soziokulturellen Kontexten den sinnhaften Aufbau ihrer Lebenswelt betreiben. Sie sind aber zunehmend als transmediale Erzählungen in ein Netz verschiedener Medien eingebunden. Gegenstand der Analyse müssen die strukturellen Bedingungen der Texte und der Kontexte sein, welche die Geschichten in den Köpfen der Zuschauer entstehen lassen. Die Film- und Fernsehanalyse trägt dazu bei, an einzelnen Werken die Strukturen offenzulegen, die in der gesellschaftlichen Zirkulation von Bedeutung eine Rolle spielen.

      Zum Aufbau des Buches: In Teil I werden die theoretischen und methodischen Grundlagen gelegt, wobei in Kapitel I-1 das Verstehen und Erleben von Filmen und Fernsehsendungen als Zielhorizont der Analyse begründet wird. Kapitel I-2 behandelt die Frage, wie ein Erkenntnisinteresse der Untersuchung gewonnen werden kann. Dabei wird auf fünf Ebenen eingegangen, die eine Analyse leiten können: Inhalt und Repräsentation, Narration und Dramaturgie, Figuren und Akteure, Ästhetik und Gestaltung sowie Kontexte. In Kapitel I-3 werden die Arbeitsschritte der Analyse von der Operationalisierung des Erkenntnisinteresses in konkrete Analysewege über die Datensammlung und Auswertung bis hin zur Präsentation der Ergebnisse beschrieben und die möglichen Hilfsmittel vorgestellt. In Teil II steht die eigentliche Film- und Fernsehanalyse im Mittelpunkt, d.h. die Techniken und Gestaltungsmittel in ihrer Struktur und ihrem funktionalen Bezug sowohl zum Film bzw. zur Fernsehsendung als Ganzes als auch zu den Zuschauern. Es gliedert sich nach den in Kapitel I-2 beschriebenen Ebenen, die das Erkenntnisinteresse der Analyse leiten. Das hat den Vorteil, dass Leser, die sich grundlegend in alle Aspekte der Film- und Fernsehanalyse einarbeiten möchten, den gesamten Teil II lesen können; wer lediglich Hinweise sucht für die dramaturgische Analyse eines Films, braucht sich nur mit Kapitel II-2 zu beschäftigen. Die Kontexte, in die Filme und Fernsehsendungen und ihre Zuschauer eingebunden sind, bilden den Schwerpunkt in Kapitel II-5. Denn im Gegensatz zu Hans J. Wulff (1999, S. 18), der »eine klare Gegenposition gegen einen Kontextualismus« einnimmt,

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