Demokratie? Frag doch einfach!. Martin Oppelt
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Die besondere Attraktivität, welche sich der Begriff der Demokratie über die Jahrtausende trotz aller Kritik, Anfeindungen und Angriffe bewahren konnte, liegt dann auch in der Möglichkeit, dass man sich in der politischen Praxis auf die Versprechen der Demokratie nach VolkssouveränitätVolkssouveränität, → GleichheitGleichheit und → FreiheitFreiheit berufen kann, um deren Einlösung einzufordern. Gleichzeitig ist die Demokratie dann aber auch ein effizientes Mittel für politische Eliten, den kritisierten status quo zu verteidigen und Reformbestrebungen marginalisierter Gruppen als antidemokratisch zu brandmarken, um sie so zu delegitimieren. In diesem Sinne ist die Demokratie nicht nur als Beschreibung für ein spezifisch organisiertes politisches System, sondern immer auch als politischer KampfbegriffKampf zu begreifen.
Seit wann gibt es die Demokratie?
Der Ursprung sowohl des Begriffs als auch der Praxis der Demokratie wird von der Forschung auf die Zeit der griechischen Antike datiert. Selbstverständlich kam auch die Demokratie dabei nicht aus dem Nichts, sondern entwickelte sich allmählich aus ihren Vorläufern heraus. Mit Blick auf die Demokratietheorie lässt sich der Beginn des demokratischen Denkens jedoch schon recht eindeutig festlegen. Zwar gab es sowohl politische Ordnungen als auch politisches Denken lange vorher, etwa im babylonischen oder ägyptischen Reich. Auch das Alte Testament lässt sich zudem politisch lesen. Jedoch kennen zumindest die westeuropäische Politische Theorie und Ideengeschichte erst seit den Schriften der griechischen Antike die wirklich systematische Reflexion auf Fragen der Entstehung, Legitimation und Organisation politischer Gemeinschaften und mithin auch der Demokratie. Der Historiker Christian MaierMaier, Christian spricht daher von der „Erfindung des Politischen bei den Griechen“ und dasselbe gilt auch für die Wissenschaft der Politik und Demokratie.
Der griechische Rhetoriker IsokratesIsokrates (436–338 v. Chr.) legte in seiner „Panatenaikos-Rede“ die Übergabe der Macht des mythologischen attischen Königs TheseusTheseus auf die VolksversammlungVolksversammlung im 13. Jahrhundert v. Chr. als demokratisches Ur-Moment fest, meinte mit Demokratie aber eine Form der republikanischen Herrschaft, die sich aristokratischer Elemente bedient, um die vermeintliche Zügellosigkeit der Demokratie zu kontrollieren. Für die Entstehung der Theorie und Praxis der Demokratie gilt heute aber der antike Stadtstaat Athen als so genannte polispolis als Vorbild, von der sich das Wort PolitikPolitik ableitet. Im 7. Jahrhundert v. Chr. wurde dort das Königtum durch die Institution des Archontat als dem höchstem und fortan per Wahl regelmäßig neu zu besetzendem Amt ersetzt. Im 6. Jahrhundert v. Chr. wurden durch die Reformen von SolonSolon bis KleisthenesKleisthenes immer mehr politische Entscheidungs- und Kontrollrechte an eine immer größere Zahl von männlichen Vollbürgern übertragen. AristotelesAristoteles berichtet darüber in dem (ihm zugeschriebenen) Text „Der Staat der Athener“. Hier lässt sich nachverfolgen, wie sich die Idee der politischen → GleichheitGleichheit, im Griechischen Isonomie, der explizit männlichen Bürger als Grundlage des politischen Systems Athens sowie die Idee der VolksherrschaftVolksherrschaft nach und nach durchsetzen konnten. Damit rückte die Idee oder eben Erfindung eines künstlich geschaffenen politischen Verbundes an die Stelle von vermeintlich naturwüchsigen traditionellen Formen der Organisation des Zusammenlebens, etwa der Familienherrschaft.
Die Idee und Praxis der Demokratie waren dabei bereits in der griechischen Antike umstritten. So beginnt auch die Geschichte der Demokratie und der Demokratietheorie, also der systematischen Reflexion auf die Voraussetzungen, Konsequenzen und Gefahren demokratischer Herrschaft, mit der Ablehnung der Demokratie.
Welche konkreten Transformationen durchlief der Begriff der Demokratie?
Die erste semantische Transformation hin zu einer Positivierung wird in der Forschung auf die Schriften Baruch de Spinozasde Spinoza, Baruch (1632–1677), Jean-Jacques RousseausRousseau, Jean-Jacques (1712–1778) und deren Rezeption im 17. und 18. Jahrhundert datiert. Erst hier begann man, der Demokratie einen positiven Wert zuzuschreiben, wenngleich nicht mal Spinoza und RousseauRousseau, Jean-Jacques selber an die Existenz einer wahren Demokratie glaubten. Zudem blieb die Demokratie im allgemeinen Verständnis weiterhin eine Herrschaftsform, die der Vergangenheit angehörte und eher als Kontrastfolie für eine kritikwürdige Gegenwart herangezogen wurde. Dies änderte sich erst mit Alexis de TocquevillesTocqueville, Alexis de (1805–1859) „Über die Demokratie in Amerika“ im 19. Jahrhundert. Ab da galt die Demokratie als ein Projekt, dem die Zukunft gehört, weswegen man in der Forschung von der Futurisierung des Demokratiebegriffs als der zweiten Transformation spricht. Tocqueville war nach seinen Studien der damals recht jungen amerikanischen Demokratie fest davon überzeugt, dass die Idee der Demokratie die → GleichheitGleichheit der gesellschaftlichen Bedingungen unaufhaltsam vorantreiben werde und aus der politischen Praxis der Moderne nicht mehr wegzudenken ist. Und tatsächlich kann die weitere Entwicklung der Demokratie im Großen und Ganzen als eine Bestätigung von Tocquevilles These der Egalisierung interpretiert werden, wurden doch innerdemokratische Standes- und Klassenprivilegien ebenso erfolgreich bekämpft, wie der systematische Ausschluss von Frauen, wenngleich das Prinzip der Gleichheit zwischen den Geschlechtern und Klassen bis heute nicht vollständig hergestellt ist. Daher muss die Demokratie laut dem französischen Philosophen Jacques DerridaDerrida, Jacques (1930–2004) als ein Projekt verstanden werden, das immer im Kommen bleiben, sich jedoch niemals vollständig verwirklichen wird. So hat sich die Demokratie zwar weltweit als politische Herrschaftsform durchgesetzt und zumindest gegenwärtig seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion keine ernsthafte Systemkonkurrenz zu befürchten. Gleichzeitig gilt es aber auch, die Schattenseiten der Demokratie nicht zu vergessen und zudem zu berücksichtigen, dass die permanenten Angriffe auf die historischen Errungenschaften der Demokratie aus ihrem Inneren heraus auch Erfolg haben und das demokratische Projekt rückabwickeln könnten.
Die dritte Transformation, die sich mehr auf die demokratischen Verfahren bezieht, wird auf das 20. Jahrhundert datiert und hängt eng mit der gegenwärtigen Konjunktur von Krisendiagnosen der Demokratie zusammen. Hier spricht man in der Forschung von der Rationalisierung der Demokratie, womit die Ausrichtung demokratischer Prozesse sowohl in der dominanten Demokratietheorie als auch in der politischen Praxis auf das Prinzip der Effizienz und der Produktion qualitativ guter, eben vernünftiger Ergebnisse im Gegensatz zu der traditionellen Ausrichtung auf einen möglichst maximalen demokratischen Input gemeint ist. In der Konsequenz kommt dann der Demokratie kein intrinsischer Wert mehr zu und auch