Demokratie? Frag doch einfach!. Martin Oppelt
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Empirische Theorien verdichten empirische Befunde zu allgemeingültigen theoretischen Aussagen. Sie beschreiben Systeme, die sich Demokratie nennen und versuchen, Kausalzusammenhänge in diesen herauszuarbeiten. Dafür gehen sie unter Rückgriff auf Methoden der qualitativen und quantitativen Sozialforschung induktivinduktiv, also vom Konkreten zum Allgemeinen vor. Die empirischen Demokratietheorien interessiert meist die Form der Demokratie, die am besten dazu geeignet ist, rationale Ergebnisse hervorzubringen. Sie klassifizieren verschiedene Typen von DemokratienTypen von Demokratien, benennen deren Funktionsvoraussetzungen, messen deren Leistungsfähigkeit und analysieren die Gefährdungen der Demokratie. Die empirische Forschung unterscheidet klassisch direkte und repräsentative, föderalistische und einheitsstaatliche, parlamentarische und präsidentielle Regierungssysteme sowie Konkurrenz- und Konkordanz- von Mehrheits- und Verhandlungsdemokratien.
Formale Demokratietheorien erstellen Modelle der Demokratie aus bestimmten wenigen Vorannahmen über Akteur*innen und Systemzusammenhänge und gehen dabei deduktiv, also vom Allgemeinen zum Konkreten vor. Anhand der Modelle können spezifische politische Ordnungen auf ihren Grad an Demokratie hin quantitativ und qualitativ gemessen, bewertet und verglichen werden, ohne dass dabei normative Ansprüche erhoben werden. Diese Theorien unterstellen entweder den Akteur*innen, rational zu handeln (vor allem Ansätze der Rational-Choice-Theorien) und erklären dann das Verhalten von Parteien, Verbänden oder Institutionen aus dieser Grundannahme heraus. Oder die Theorien gehen von der Makroebene des Systems aus, das nach rationalen Maßstäben funktioniert, ohne dass die Akteur*innen hier eine besondere Rolle spielen (vor allem die Systemtheorie nach Niklas LuhmannLuhmann, Niklas (1927–1998)). Trotz ihrer unterschiedlichen Herangehensweisen beanspruchen beide, Rational-Choice wie Systemtheorie, die Leistungsdefizite sowie irrationale Elemente und die Selbstgefährdungen von Demokratien herausstellen zu können.
Normative Demokratietheorien schließlich konstruieren, begründen und bewerten Aussagen darüber, wie die Demokratie sein sollte und bieten somit die Möglichkeit der kritischen Auseinandersetzung mit der Praxis demokratischer Ordnungen und Gesellschaften. Hier spielen Fragen nach den Voraussetzungen, Bedingungen, Möglichkeiten und Hindernissen einer guten, gerechten, gelungenen und eben im vollumfänglichen Sinne demokratischen politischen Ordnung die maßgebliche Rolle. Durch eine normative Bewertung von demokratischer LegitimationLegitimation und Performanz werden immer auch mögliche Alternativen einer im Vergleich zur Realität „besseren“, weil emanzipierteren, freieren, gerechteren oder demokratischeren Gesellschaft sichtbar gemacht. Als Maßstab normativer Bewertungen gelten heute geteilte moralische Intuitionen, anthropologische Grundannahmen über das Wesen des Menschen oder die in der Kommunikation sich enthüllende Vernunft. Gerade Demokratien zeichnen sich dann dadurch aus, dass sie die normativen Ansprüche niemals vollständig erfüllen können und daher die normative KritikKritik an der Demokratie in ihr auf Dauer gestellt, also fast schon ein Prinzip ist. Gegenwärtig gibt es eine große Anzahl an normativen Demokratietheorien, neben den klassisch liberalen, konservativen, republikanischen oder sozialistischen Theorien etwa die feministische, deliberative, kosmopolitische oder radikale Demokratietheorie. Normative Demokratietheorien stellen dabei den Boden bereit, auf dem empirische und formale, ja selbst historische Untersuchungen und Forschungen notwendig ansetzen müssen. Gleichzeitig bedürfen normative Theorien stets auch der Rückbindung an empirische Forschung, um nicht zum Selbstzweck zu werden und den berechtigten Anspruch auf eine kritische Reflektion und gegebenenfalls Veränderung gegenwärtiger demokratischer Praktiken anleiten zu können.
Zunächst bezeichnet RepublikRepublik eine Staatsform und ist damit auf derselben Ebene angesiedelt wie zum Beispiel Monarchie. Von dieser grenzt sich jede Republik auch bewusst ab. Man kann Republik also frei mit „Nicht-Monarchie“ übersetzen. Demokratie bezeichnet dann die RegierungsformRegierungsform, die eine Republik annehmen kann, aber nicht notwendig annehmen muss. Beide, Demokratie und Republik, sind die historischen Gegnerinnen der (absolutistischen) MonarchieMonarchie, die sie gemeinsam in den demokratischen RevolutionenRevolution des 18. Jahrhunderts vom Sockel, oder besser vom Thron, gestoßen haben. Dabei existiert die Staatsform der Republik schon viel länger, nämlich seit der römischen Antike. Dort wechselte die Republik sich mit der Monarchie und der (temporären) DiktaturDiktatur ab und war charakterisiert durch ein Mischverfassungssystem mit stark aristokratischem Anstrich, das jedoch auch die Beteiligung einfacher (männlicher) Bürger am politischen Entscheidungsprozess kannte. Das Wort Republik leitet sich vom Lateinischen res publica (die öffentlichen Angelegenheiten) ab. Damit wird die Idee und Praxis der SelbstregierungSelbstregierung und SelbstgesetzgebungSelbstgesetzgebung von freien und gleichen Bürgern (anstelle der Willkürherrschaft eines Tyrannen, Despoten oder Monarchen) bezeichnet, wie sie die politischen Theorien des Republikanismus seit AristotelesAristoteles unterschiedlich ausbuchstabieren. Die Praxis und Theorie der Republik wirkten dann maßgeblich auf die italienischen und mitteleuropäischen Stadtstaaten der Renaissance und von dort auf die Amerikanische und Französische RevolutionRevolution ein. Republiken waren jedoch historisch bei weitem nicht so demokratisch, wie das heutzutage der Fall ist. So hatten etwa im Athen des Aristoteles im 4. Jahrhundert vor Christus wie auch im Rom CicerosCicero im ersten vorchristlichen Jahrhundert, in MachiavellisMachiavelli, Niccolò Florenz des 15./16. Jahrhunderts sowie in RousseausRousseau, Jean-Jacques Genf des 18. Jahrhunderts meist nur wenige privilegierte Männer das Recht auf die volle Teilhabe am politischen Leben. Auch in den modernen Republiken USA und Frankreich wurden nur ganz allmählich die politischen, sozialen und ökonomischen Teilhaberechte auch auf Frauen, Arme oder ehemalige Sklav*innen ausgeweitet und das auch nur nach zähen und harten KämpfenKampf der marginalisierten bis exkludierten Bevölkerungsgruppen. Das erklärt sich dadurch, dass RepublikenRepublik traditionell von einem starken antidemokratischen Vorbehalt getragen und entsprechend auch institutionell strukturiert sind. Um den vermeintlichen Nachteilen demokratischer Selbstregierung für die Stabilität der republikanischen Ordnung einen effizienten Sperrriegel vorzuschieben, griffen Republiken daher immer schon auf bestimmte institutionelle Arrangements zurück, wie zum Beispiel die heute als demokratisch geltende Praxis der GewaltenteilungGewaltenteilung, die jedoch ursprünglich eher dem Schutz der Privilegien und Macht des Adels vor dem demokratischen Pöbel diente. Die Politische Theoretikerin Hannah ArendtArendt, Hannah (1906–1975) hat darauf hingewiesen, dass den Gründern der nordamerikanischen Republiken die Pluralität an Meinungen und Interessen sogar als wesentliches Unterscheidungsmerkmal der RepublikRepublik von der klassischen Demokratie galt, der sie die Tendenz zur gewaltvollen Gleichmachung unterstellten und ihr daher das Prinzip der → RepräsentationRepräsentation entgegenstellten. Außerdem bauen Republiken auf das tugendhafte Verhalten der Bürger*innen und sehen darin neben den angemessenen Institutionen die Garantie für eine stabile und freiheitsfördernde politische Ordnung. TugendTugend meint dabei, spätestens im Konfliktfall die eigenen Interessen zurückzustellen und zum Wohl der Gemeinschaft zu entscheiden. Die politische Erziehung zu tugendhaften Bürger*innen ist ein zutiefst republikanisches Ideal, das Anhänger*innen des LiberalismusLiberalismus den Angstschweiß auf die Stirn treibt und sie totalitäre Verhältnisse fürchten lässt. Die Staatsform der Republik war also historisch gesehen eher eine Art Vorbedingung für die moderne Demokratie oder besser der Rahmen, innerhalb dessen sich demokratische KämpfeKampf um die Beteiligung ausgeschlossener, unterdrückter und