Max Weber. Volker Kruse

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Beiträge zur politischen Publizistik

      Zeit seines Lebens interessiert sich Weber für politische Fragen und Probleme. Er erwägt verschiedentlich, eine politische Laufbahn einzuschlagen. Dies gelingt ihm allerdings nicht. Durch enge Kontakte zu bekannten Politikern (z. B. Friedrich Naumann) ist es ihm jedoch möglich, indirekt Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse zu nehmen. So nimmt er im Winter 1918/19 beispielsweise an den Beratungen zur Weimarer Verfassung und 1919 an den Friedensverhandlungen mit den Alliierten teil. Öffentlichkeitswirksam bezieht er vor allem als politischer Publizist Stellung zu gesellschaftspolitischen Streitfragen und Auseinandersetzungen.

      In seinem politischen Denken orientiert sich Weber wesentlich an den »nationalen Interessen« Deutschlands. Diese trägt er in herausfordernder nationalistischer Diktion und Begrifflichkeit zunächst in seiner Antrittsrede Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik von 1895 in die gebildete Öffentlichkeit. Ausgehend von den Ergebnissen der bereits erwähnten Landarbeiter-Studie problematisiert er die Abwanderung der deutschstämmigen Bevölkerung sowie die im Interesse der Großgrundbesitzer von der Regierung erlaubte Einwanderung polnischer Saisonarbeiter. Diese Wanderungsbewegung führe zu einer nicht hinnehmbaren Verletzung der nationalen Interessen Deutschlands. Weber erhebt deshalb drei Forderungen: Bodenankauf durch den Staat, systematische Kolonisierung durch deutsche Bauern sowie die Schließung der östlichen Grenzen. Die Politik habe sich an den Interessen der gesamten Nation und nicht an denen der privilegierten Gruppe der Großgrundbesitzer zu orientieren.

      In seinen späteren Schriften tritt Weber für eine weitere Demokratisierung der politischen Verhältnisse in Deutschland ein. Dies lässt sich gut an seinen Beiträgen zur politischen Neuordnung Deutschlands nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ablesen, mit denen er eine Bestandsaufnahme der Lage Deutschlands nach dem verlorenen Weltkrieg vorlegt. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang seine Kritik an der zunehmenden Bürokratisierung der Gesellschaft (»Wilhelminischer Obrigkeitsstaat«) sowie an der gefährlichen Demagogisierung der Politik. Seiner Auffassung nach ist eine stärkere parlamentarische Kontrolle dieser politischen Kräfte erforderlich. Nur so könne der Gefahr entgegengewirkt werden, dass die individuelle Freiheit der einzelnen Bürger und in Folge dessen das demokratische Leben insgesamt unter dem Druck insbesondere der staatlichen Bürokratisierungstendenzen zerstört werden. Für mindestens so bedeutsam erachtet er, dass eine klare politische Leitung der Bürokratie gegeben ist. Erfolgreiche politische Führung, so lässt sich Webers grundlegende politische Botschaft zusammenfassen, muss einen Ausgleich herstellen zwischen den Polen reiner bürokratischer und reiner charismatischer Herrschaft. Nur so könne verhindert werden, dass die blinde Umsetzung von Verwaltungsmechanismen auf der einen Seite und die verantwortungslose Demagogenherrschaft auf der anderen Seite ihre negative politische Wirkung entfalteten (vgl. Kap. 6.4). Webers Beiträge zu der [29]Frage, wie nach dem verlorenen Krieg in Deutschland eine verantwortungsbewusste politische Leitung etabliert werden kann, bewegen sich stets in diesem argumentativen Spannungsfeld. Insbesondere sein Artikel Der Reichspräsident (1919) hat die nachfolgenden politischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen über die späten politischen Positionen Webers entscheidend bestimmt (vgl. auch Kap. 6.4).

       Wichtige Schriften Webers

      Gesammelte Politische Schriften, 5. Aufl., hg. von Johannes Winckelmann, Tübingen 1988 (= GPS):

       Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik (1895), S. 1–25.

       Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland. Zur politischen Kritik des Beamtentums und Parteiwesens (1918), S. 306–443.

       Politik als Beruf (1919), S. 505–560.

      Gesammelte Aufsätze zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (1924), 2. Aufl., hg. von Marianne Weber, Tübingen 1988 (= GASW):

       Die sozialen Gründe des Untergangs der antiken Kultur (1896), S. 289–311.

      Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, 7. Aufl., hg. von Johannes Winckelmann, Tübingen 1988 (= WL):

       Roscher und Knies und die logischen Probleme der historischen Nationalökonomie (1903–06), S. 1–145.

       Die »Objektivität« sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis (1904), S. 146–214.

       Kritische Studien auf dem Gebiet der kulturwissenschaftlichen Logik (1906), S. 215– 290.

       Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie (1913), S. 427–474.

       Der Sinn der »Wertfreiheit« der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften (1917), S. 489–540.

       Wissenschaft als Beruf (1919), S. 582–613.

       Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft (1922), S. 475–488.

      Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie I (1920), 9. Aufl., hg. von Marianne Weber, Tübingen 1988 (= GARS I):

       Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (1905/1920), S. 17–236.

       Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen, Einleitung (1916), S. 237–275.

       Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen, Zwischenbetrachtung: Theorie der Stufen und Richtungen religiöser Weltablehnung (1916), S. 536–573.

      Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriss der Verstehenden Soziologie, 5. Aufl., hg. von Johannes Winckelmann, Tübingen 1985 (= WuG):

       Soziologische Grundbegriffe (1921), S. 1–30.

      Gesammelte Aufsätze zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (1924), 2. Aufl., hg. von Marianne Weber, Tübingen 1988 (= GASW):

       Max Weber, Entwicklungstendenzen in der Lage der ostelbischen Landarbeiter, S. 470– 507.

      [30]Weiterführende Literatur

      Eduard Baumgarten: Max Weber – Werk und Person. Tübingen 1964.

      Reinhard Bendix: Max Weber – Das Werk. Darstellung, Analyse, Ergebnisse (1960), München 1964.

      Kaesler, Dirk: Max Weber. Eine Einführung in Leben, Werk und Wirkung. 3. Aufl., Frankfurt a. M. 2003.

      Wolfgang J. Mommsen: Max Weber und die deutsche Politik. 1. Aufl., Tübingen 1974.

      Wolfgang J. Mommsen/Wolfgang Schwentker (Hg.): Max Weber und seine Zeitgenossen, Göttingen 1988.

      Joachim Radkau: Max Weber. Die Leidenschaft des Denkens, München 2005.

      Guenther Roth: Max Webers deutsch-englische Familiengeschichte, Tübingen 2001.

      Friedrich Tenbruck: Das Werk Max Webers. Gesammelte Aufsätze zu Max Weber, hg. von Harald Homann, Tübingen 1999.

      Marianne Weber: Max Weber – Ein Lebensbild (1926), München 1989.

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