Max Weber. Volker Kruse

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Max Weber - Volker Kruse

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      1776 erfindet James Watt die Dampfmaschine. Sie löst in Großbritannien die industrielle Revolution aus, die bald darauf auf Kontinentaleuropa übergreift. 1798 wird die erste Dampfmaschine in Deutschland installiert. In den 1830er und 1840er Jahren breitet sich das kapitalistische Fabriksystem – Produktion mit Lohnarbeitern unter Einsatz von Dampfmaschinen – in der Rheinprovinz, in Berlin und in Sachsen aus. Ab etwa 1850 verbreitet es sich über das ganze Land. Die Historiker datieren heute die Zeit zwischen 1850 und 1914 als Übergangsphase zwischen Agrar- und Industriegesellschaft. Für die Zeitgenossen ist das nicht unbedingt so deutlich. Noch um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert sind weite Teile Deutschlands vom Industriesystem wenig erfasst, insbesondere die Gebiete östlich der Elbe bleiben agrarisch geprägt. Es gibt also einen gewerblich-industriellen Westen und einen agrarischen und feudal-paternalistischen Osten. Um 1900 wird in Deutschland noch eine ernsthafte Diskussion darüber geführt, ob Deutschland ein Industrie- oder Agrarland sei bzw. sein solle.

      Webers Position in dieser Frage ist eindeutig. Die Industrialisierung, und zwar unter einem kapitalistischen Produktionsregime, ist unaufhaltbar. Anlässlich seiner Untersuchung über die ostelbischen Landarbeiter Anfang der 1890er Jahre (vgl. Kap. 1.3) erkennt er, dass der Kapitalismus die entscheidende Kraft auch des sozialen Wandels im agrarischen Ostelbien ist. Weber will daher 1904, als er die Redaktion des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik mit übernimmt, den modernen Kapitalismus zum zentralen Forschungsgegenstand der Sozialwissenschaften machen.

       Max Weber über den Agrarkapitalismus

      »Überall aber finden wir eine gemeinschaftliche Erscheinung als Ergebnis der Situation: wo nicht auf die Dauer Zerschlagung in Kleinbetriebe oder Verödung als Weiderevier eintreten soll, da besteht die Notwendigkeit umfassender Steigerung der Kapitalintensität und eines Wirtschaftens unter kaufmännischen Gesichtspunkten, wie sie der traditionelle Grundherr im Osten nicht kannte. Mit anderen Worten: an die Stelle der Grundaristokratie tritt – mit oder ohne Personenwechsel – mit Notwendigkeit eine landwirtschaftliche Unternehmerklasse, die sich in ihren sozialen Charakterzügen von den gewerblichen Unternehmern prinzipiell nicht unterscheidet.« (Entwicklungstendenzen in der Lage der ostelbischen Landarbeiter, 1894, in: GASW, S. 476 f.)

      Im März 1871 erheben sich die Pariser Arbeiter und vertreiben den Stadtmagistrat. Sie richten eine eigene Verwaltung ein, ein sozialistisches Regime. Zwar schlagen französische Regierungstruppen den Aufstand nach einigen Wochen blutig nieder, aber die Pariser Kommune, wie man sie nennt, wird von den Herrschenden aufmerksam registriert – als Menetekel eines möglichen zukünftigen politischen und gesellschaftlichen Umsturzes.

      In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wächst in Deutschland und Europa die Arbeiterschaft rasch an. Die Lebensverhältnisse sind schwierig, ja erbärmlich, die Löhne so niedrig, dass Kinder- und Frauenarbeit an der Tagesordnung sind. Die Wohnverhältnisse in den schnell errichteten Arbeitervierteln der entstehenden Großstädte sind trostlos und ungesund. Es entsteht, wie die Pariser Kommune angezeigt hat, eine revolutionär gestimmte Arbeiterbewegung; die Arbeiterparteien, z. B. die Sozialdemokratie in Deutschland, gewinnen rasch Mitglieder und Wähler. Unter diesen Bedingungen macht man sich in den Regierungen und im wohlhabenden Bürgertum Gedanken, wie man einer möglichen gesellschaftlichen Umwälzung durch das Proletariat entgegenwirken könne. Als geeignetes Mittel erscheinen in Deutschland – neben politischer Repression – sozialpolitische Reformen. 1872 gründet Gustav Schmoller (1838–1917), der führende Nationalökonom im Deutschen Reich, den Verein für Sozialpolitik, in dem Wissenschaftler, hohe Beamte und Politiker zusammentreffen. Ziel des Vereins ist, gegen den heftigen Widerstand im liberalen Bürgertum soziale Reformen durchzusetzen. Um eine zielgenaue Politik betreiben zu können, lässt er Untersuchungen zur Lage einzelner sozialer Gruppen durchführen.

      Max Weber schließt sich Gustav Schmoller und dem Verein für Sozialpolitik an und führt 1891 die schon erwähnte Untersuchung zur Lage der ostelbischen Landarbeiter durch. Sein Eintreten für soziale Reformen ist nicht so sehr von karitativen oder ethischen Motiven getragen. Er hält diese vielmehr wegen der Strukturveränderungen des industriellen Kapitalismus für notwendig und im Sinne nationaler Machtpolitik für angezeigt. Für einen Erfolg deutscher imperialer Machtpolitik, wie Weber sie befürwortet, erscheint eine Integration der deutschen Arbeiterschaft in die Gesellschaft vorteilhaft, wenn nicht sogar unabdingbar.

      Am 1. August 1914 beginnt der Erste Weltkrieg. In allen beteiligten Ländern (v. a. Deutschland, Österreich-Ungarn, Frankreich, England, Russland) kommt es zu Manifestationen der Kriegsbegeisterung, die auch vor den Gelehrten nicht Halt macht. Angesehene Professoren stellen sich mit nationalistischen Schriften, welche die Kriegsmotivation wecken und aufrechterhalten sollen, »in den Dienst des Vaterlandes«. [18]In Deutschland unterzeichnen im Jahr 1915 1347 Professoren und Intellektuelle eine Denkschrift, die einen Frieden mit umfangreichen Gebietsgewinnen in West und Ost fordert (Radkau 2005, S. 710 f.).

      Demgegenüber verhält sich Max Weber relativ moderat, auch wenn er den Krieg als »groß und wunderbar« begrüßt (Marianne Weber 1989, S. 530). Er interpretiert den Krieg vor allem als ein Gemeinschaftserlebnis, das die Klassengesellschaft zu überwinden und die nationale Gemeinschaft herzustellen vermag. Er gehört zur Minderheit der deutschen Professoren, die einer indirekten Imperialpolitik – die Hegemonie über kleinere, noch zu gründende Staaten in Osteuropa – aufgeschlossen gegenüber steht, aber in einer Gegen-Denkschrift vor Annexionen warnt.

      Weber ist im ersten Kriegsjahr als Disziplinaroffizier für die Heidelberger Lazarette aktiv, was seine Arbeitskraft voll absorbiert. Nach Dienstende Ende September 1915 (im Zuge einer Umorganisation des Heidelberger Lazarettwesens) scheitern seine Ambitionen, in der Berliner Ministerialbürokratie eine Anstellung zu finden. So zieht er sich 1916 wieder nach Heidelberg zurück und verfasst religionssoziologische Aufsätze. Außerdem tritt er als Vortragsredner und Verfasser von Zeitungsartikeln und Denkschriften hervor.

      Das Deutsche Reich unterliegt seit Kriegsbeginn einer Blockade durch die englische Flotte und es geht 1916 um die Frage, ob es einen unbeschränkten U-Boot-Krieg gegen das britische Mutterland führen soll. Das könnte auch zu Versenkungen von US-Schiffen führen und den Kriegseintritt der neutralen USA an der Seite der Entente provozieren. Weber warnt, u. a. in einer Denkschrift, die auch den Kaiser erreicht und beeindruckt, vor einem uneingeschränkten U-Boot-Krieg. Anders als viele Generäle und Professoren, welche die Kampfeskraft der USA für gering erachten, schätzt Weber, der 1904 einige Wochen das Land der unbegrenzten Möglichkeiten bereiste, deren ökonomisches und militärisches Potential realistisch ein. Nach längerem Tauziehen in der politischen und militärischen Führung setzt das Deutsche Reich schließlich auf den uneingeschränkten U-Boot-Krieg, der, gepaart mit diplomatischen Ungeschicklichkeiten, am 6. April 1917 zum Kriegseintritt der USA führt.

      Webers Prognose, dass damit der Krieg verloren sei, bewahrheitet sich im folgenden Kriegsjahr. Das wachsende Übergewicht der Gegner und der Zusammenbruch der deutschen Verbündeten veranlassen die Führung des Deutschen Reichs, um Waffenstillstand zu bitten. Bei den Verhandlungen zum Friedensvertrag von Versailles 1919, der einem Diktat der Siegermächte gleichkommt, zählt Weber zur deutschen Delegation.

      Webers Versuche, in der Weimarer Republik eine politische Karriere zu starten, scheitern. Die linksliberale Deutsche Demokratische Partei setzt ihn auf einen aussichtslosen Listenplatz. An der Ausarbeitung der Weimarer Verfassung ist er beratend beteiligt. Er plädiert für eine starke Stellung des Reichspräsidenten. Sein unerwarteter Tod im Juni 1920 beendet alle politischen Ambitionen.

      Im

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