Erlebnispädagogik. Werner Michl

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Erlebnispädagogik - Werner Michl

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die Einsicht durch, dass handlungs- und erlebnisorientiertes Lernen viel zu den oben genannten Kompetenzen beitragen kann.

      Wer heute Soziale Arbeit, Heilpädagogik oder Erziehungswissenschaft studiert, wird mit großer Wahrscheinlichkeit während seines Studiums auf den Begriff Erlebnispädagogik stoßen. Diese pädagogische Methode, die mit Abenteuer und tiefen, prägenden Eindrücken verbunden wird, war lange Zeit umstritten. Sie hat sich jedoch in der Jugendarbeit, der Heimerziehung, der beruflichen Bildung, der Arbeit mit Menschen mit einer Behinderung, eigentlich in nahezu allen (sozial-) pädagogischen Praxisfeldern, durchgesetzt und über viele Umwege nun auch die Hochschulen erreicht. Der Weg ging also von der Praxis zur Theorie. War es 1990 nur eine Handvoll Bücher, so füllt die Fachliteratur zur Erlebnispädagogik heute mehrere Regale. Dieses kleine Buch will erste Einblicke geben für Studierende und interessierte Praktiker, die schnell zur Sache kommen wollen, es will einen Überblick vermitteln, einige Seitenblicke ermöglichen und schließlich einen Blick in die Zukunft werfen.

      Erlebnis, Reflexion, Erziehung. Aus einem Schattendasein hat sich die Erlebnispädagogik zu einer mächtigen Methode entwickelt, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Praxis der Jugendarbeit und Heimerziehung erste Schritte getan und dann einen Siegeszug in allen Feldern der praktischen Pädagogik angetreten hat. Sie ist heute aus dem Spektrum der pädagogischen Möglichkeiten nicht mehr wegzudenken und etabliert sich zunehmend als Disziplin an den Hochschulen und Universitäten, an denen Diplom- und Bachelorarbeiten, Dissertationen und Forschungsprojekte zu diesem Themenkomplex stetig zunehmen.

      Erlebnispädagogik „leidet“ unter einer mehrfachen Sprachlosigkeit; Erlebnisse sind erstens oft so prägend, so beeindruckend, dass die Sprache versagt. Und oft erscheint, zweitens, die Reflexion eines Erlebnisses als etwas Künstliches, Aufgedrängtes, etwas, durch das Erlebtes zerredet und zerstört wird. So drängt sich die Frage auf: War das Erlebnis nur dazu da, um vorgefertigten pädagogischen Zielen zu dienen? Drittens sind viele Praktiker der Erlebnispädagogik manchmal mund- und öfter schreibfaul. Wer oft mit den Gewalten der Natur konfrontiert wird, beschränkt sich eher auf das Wesentliche. Und schließlich: Je mehr man sich um eine Definition bemüht, umso mehr fließen die Gewissheiten wie Sand durch das Sieb der Erkenntnis.

      Dazu kommt, dass Erleben eine sehr subjektive Kategorie ist. Franz Kafka schreibt in seinem Brief an den Vater (1995, 48): „… was mich packt, muss dich noch kaum berühren und umgekehrt, was bei dir Unschuld ist, kann bei mir Schuld sein, und umgekehrt, was bei dir folgenlos bleibt, kann mein Sargdeckel sein“. An anderer Stelle schreibt Kafka Folgendes: „Einmal brach ich mir das Bein. Das war mein schönstes Erlebnis“. Beide Aussagen zeigen, dass Erleben etwas ganz Persönliches ist, und es lässt sich nur genauer beschreiben, wenn man darüber spricht. Sprachlosigkeit und die Notwendigkeit der Kommunikation stehen hier in einem gewissen Spannungsverhältnis.

      Erleben und Erziehen stellt eine noch schwierigere Verknüpfung dar. Wie könnte man sich diesem Verhältnis annähern? Dazu dient zunächst eine Spirale aus den drei Tätigkeiten Erleben, Erinnern, Erzählen. Nur Erleben ist blinder Aktionismus, nur Erinnern ist ein Gefängnis, in dem viele alte Menschen sich befinden, nur Erzählen wird zum leeren Geschwätz. Erst wenn ein Erlebnis erinnert und erzählt, und damit neu durchlebt und verarbeitet wurde, kann sich diese Spirale zu einer neuen Schleife aufschwingen. Diese Spirale ist sozusagen der Weg vom Ist zum Soll und beschreibt damit Möglichkeiten der Persönlichkeitsbildung und Kräfteentwicklung.

      Das Bild von der „Waage der Erlebnispädagogik“ kann das Verhältnis zwischen Ereignis, Erlebnis und Transfer verdeutlichen (Abb. 1). In der linken Waagschale befinden sich die Ereignisse, die Erlebnispädagoginnen und -pädagogen anbieten. Vom Individuum werden die Ereignisse zu einem Erlebnis verarbeitet. Jedes äußere Ereignis wird unterschiedlich interpretiert und eingeordnet, je nach Biografie, Stimmung, Einstellung und Lebensalter. Dann wieder sind wir Pädagogen am Zuge, um aus diesem Erlebnis einen Lerneffekt zu machen. Das symbolisiert die rechte Waagschale. Was erlebt wurde, was sich auf der seelischen Leinwand eingedrückt hat, muss wieder zum Ausdruck gebracht werden. Daher sind die Reflexionsmethoden in der Erlebnispädagogik so wichtig. Und da es oft beeindruckende Erlebnisse gibt, brauchen wir auch kreative Methoden, um das Erlebte zum Ausdruck bringen zu können – da in diesem Zusammenhang, wie erwähnt, die Sprache oft versagt. Nach der Reflexion muss die Prüfung des Transfers erfolgen: Was habe ich gelernt, was kann ich in meinem Lebensalltag gebrauchen, was nehme ich mit in mein alltägliches Leben? Auch hier gilt: Werden nur Ereignisse angeboten, dann senkt sich die linke Waagschale, und wir befinden uns im breiten Feld der Freizeitpädagogik. Befassen wir uns hauptsächlich mit der Auswertung von Erlebnissen, senkt sich die Waagschale auf der rechten Seite, so haben wir es eher mit dem Bereich der Selbsterfahrung zu tun. Bei der Erlebnispädagogik befinden sich beide Waagschalen in einem Gleichgewicht.

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      Abb. 1: Waage der Erlebnispädagogik

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      Der Satz des Schriftstellers Peter Handke gilt nicht nur für die Literatur, sondern auch für die Pädagogik, insbesondere für die Erlebnispädagogik: „Gute Literatur kommt aus dem Erleben der Dinge und der Gerechtigkeit diesem Erlebnis gegenüber“ – gute Pädagogik ebenfalls.

      Eine ähnliche Alliterationskette ergibt sich mit dem Buchstaben B – wie Bildung (vgl. Guardini 1961, 23-43). Wir nennen

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