Erlebnispädagogik. Werner Michl

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Erlebnispädagogik - Werner Michl

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bewegen Menschen, damit sich bei ihnen etwas bewegt“, so warb GFE | erlebnistage vor einigen Jahren. Heckmair und Michl (2013, 5) haben vier Dimensionen des Begriffes Bewegung festgehalten:

      „Da ist erstens die körperliche Bewegung, die im Handeln und Lernen neue Zugänge eröffnet, im positiven Sinne verstört und veränderte Perspektiven schafft. Zum Zweiten hat uns die moderne Hirnforschung gezeigt, dass in und mit der Bewegung hirnorganische Veränderungen ausgelöst werden, die Lernen prinzipiell begünstigen. Drittens steht Bewegung für bewegt sein im Sinne eines intensiven Erlebens, das, wie wir sehen werden, enorm wichtig ist für nachhaltiges Lernen. Und viertens ist damit intendiert, dass sich das Konstrukt Lernen selbst – also das, was Theoretiker und Praktiker unter dem Begriff Lernen begreifen – bewegt, verändert und weiterentwickelt.“

      Alle Motivationsstudien zeigen, dass zum Lernen und Lehren Begeisterung gehört. Übergroße Begeisterung kann dazu führen, dass die Bedürfnisse der Teilnehmer nicht beachtet werden. Für jede Trainerin ist es wichtig, die Bedürfnisse der Teilnehmer zu kennen, z. B. das Bedürfnis nach Pause, nach Besprechung und Besinnung, nach Aktivität. Schließlich führt die Erlebnispädagogik die Teilnehmer in Situationen der Bewährung. Sie zieht die Bewährung der Belehrung vor, wenngleich es auch hier Belehrung geben muss, z. B. im Sicherheitsbereich. Die Erlebnispädagogik will auch berühren, emotional und körperlich, also berührt sein und berührt werden. Bei vielen Problemlösungsaufgaben und Spielen, im Niedrigseilgarten und bei der Höhlentour kommt man sich im Wortsinn und metaphorisch nahe. Wir begegnen Menschen ganz anders, lernen sie neu kennen, wir begegnen unbekannten Menschen, die uns helfen können oder Hindernisse und Herausforderungen sind. Und wir bauen Beziehungen auf, zum Trainer, zu anderen Teilnehmern, zur Natur. In ganz neuen Lebensräumen zu lernen, unabhängig von der Uhrzeit, kann befreiend wirken. Nach der Aktion folgt die Pause, die Müdigkeit, das Nachdenken, die Besinnung. Und immer wieder ist es notwendig, sich zu besprechen.

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      Abb. 3: „Bonsai“

      Merksatz

      Der Begriff „Erlebnispädagogik“. Es wäre ein Leichtes gewesen, zu Beginn der Theoriediskussion um 1990, Erlebnispädagogik zu definieren. Man hätte damals ohne Weiteres sagen können, dass Erlebnispädagogik durch Natursport etwas zur Persönlichkeitsbildung beitragen will. Heute, nachdem sich die erlebnispädagogische Bewegung in allen pädagogischen Praxisfeldern und mit einer zunehmenden Vielfalt von Methoden ausgebreitet hat, kann diese Definition die Bandbreite nicht mehr abdecken. Bernd Heckmair und ich haben in der achten Auflage des Buches „Erleben und Lernen. Einführung in die Erlebnispädagogik“ folgende Definition von Erlebnispädagogik formuliert (2018, 108):

      Definition

      „Das Konzept der Erlebnispädagogik will als Teildisziplin der Pädagogik junge Menschen durch exemplarische Lernprozesse und durch bewegtes Lernen vor physische, psychische und soziale Herausforderungen – vornehmlich in der Natur – stellen, um sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu fördern und sie zu befähigen, ihre Lebenswelt verantwortlich zu gestalten“.

      Manche Autoren haben auf eine Definition verzichtet und versucht, Erlebnispädagogik durch folgende Eigenschaften zu beschreiben (vgl. dazu Schad / Michl 2004, 23):

      ■ Sie findet in der Regel unter freiem Himmel statt.

      ■ Sie verwendet häufig die Natur als Lernfeld.

      ■ Sie hat eine hohe physische Handlungskomponente.

      ■ Sie setzt auf direkte Handlungskonsequenzen der verwendeten Aktivitäten.

      ■ Sie arbeitet mit Herausforderungen und subjektiven Grenzerfahrungen.

      ■ Sie benutzt als Medien eine Mixtur von klassischen Natursportarten, speziellen künstlichen Anlagen sowie eine Palette von Vertrauensübungen und Problemlösungsaufgaben.

      ■ Die Gruppe ist ein wichtiger Katalysator der Veränderung.

      ■ Das Erlebte wird reflektiert: Was wurde gelernt und wie wirkt es sich auf den persönlichen und beruflichen Alltag aus? Auf die Reflexion folgt der Transfer in den persönlichen und / oder schulischen und / oder beruflichen Alltag.

      Erst wenn alle oder die meisten dieser Kriterien erfüllt sind, kann man von Erlebnispädagogik sprechen.

      Inzwischen hat sich dieses Verständnis von Erlebnispädagogik auch durchgesetzt. Wenngleich es nicht zufrieden stellt, weil es nicht das Ziel, sondern nur den Weg in den Mittelpunkt stellt, so ist es doch das Bestmögliche. Relativ unverfänglich, aber letztlich zu allgemein sind die Bezeichnungen „Erfahrungslernen“ oder „handlungsorientierte Methoden“. Das Gleiche meinen die amerikanischen Experten, wenn sie von „Experiential Education“ reden. Dieses erlebnis- und handlungsorientierte Lernen dringt auch in Schule und Hochschule vor, in der Erwachsenenbildung ist es nicht mehr wegzudenken. Action Learning, Open Space, Problemorientiertes Lernen, Projektlernen, Zukunftswerkstatt, Rollenspiel und Improvisationstheater sind einige Zauberwörter dieses Ansatzes.

      Ein Abenteuer ist ein Ereignis mit offenem Ausgang und wenig planbaren Hindernissen. Soweit als irgendwie möglich muss in der Erlebnispädagogik aber alles planbar bleiben, daher führt der Begriff „Abenteuerpädagogik“ auf eine falsche Fährte. Wir wissen aus der Praxis, dass zu oft Unplanbares eintritt, aber das darf man dann als Restrisiko der Erlebnispädagogik bezeichnen. „Nature never gets boring“, schrieb der Ethnologe Melvin Konner, als er die San („Buschleute“) Südafrikas erforschte. Natur und Wildnis werden nie beherrschbar sein, daher verzichten wir auf Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Wer sich zum ersten Mal von einem hohen Felsen abseilt, verspürt sicherlich Herzklopfen, Unsicherheit, mitunter lebensbedrohliche Ängste. Unter der fachlichen Leitung eines erfahrenen (und zertifizierten) Erlebnispädagogen kann diese Aktion aber sicherer als eine Fahrradtour durch eine Großstadt sein.

      „Aktionspädagogik“, ein Begriff, der gelegentlich in der Fachliteratur auftauchte, fokussiert auf „Action“, auf Thrill, Risiko, Sport, Überwindung, Survival. Davon ist die Erlebnispädagogik meilenweit entfernt. Blickt man die letzten zwei Jahrzehnte zurück, so kann man zusammenfassen, dass die Entdeckung der Langsamkeit, der Einsamkeit, des Schweigens und Fastens, der Dunkelheit und Nacht, der schöpferischen Pause, des gemeinsamen Schweigens in der Höhle oder am Berggipfel ein wesentlicher Aspekt dieser handlungsorientierten Methode war. Die Aktion ist nur das sichtbare, spektakuläre Moment. Sie gehört zwar zur pädagogischen Dramaturgie, ist aber nicht höher zu bewerten als diese stillen, ruhigen, beschaulichen, nachdenklichen Phasen.

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      Also nehmen wir Erlebnispädagogik als gültigen und gängigen Begriff, denn es sollte immer darum gehen, dass wir Kinder und Jugendliche durch Erlebnisse innerlich bewegen. Und diese Erlebnisse, die emotionalen Ungleichgewichte, welche durch herausfordernde Situationen ausgelöst werden, sind dann Ausgangspunkte eines nachhaltigen Lernens. Die deutsche Sprache ist in diesem

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