Humanbiologie. Hynek Burda

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Humanbiologie - Hynek Burda utb basics

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der Medizin) wird die Humanbiologie an manchen deutschsprachigen Universitäten verstanden und in der Lehre angeboten.

      Traditionell (und auch dem gymnasialen Curriculum entsprechend) wird die Humanbiologie mit der Anatomie und Physiologie, teilweise noch mit angewandten Aspekten wie „Sexualerziehung“, „gesunde Ernährung“ usw. in der Lehre für das Lehramt abgedeckt.

      Schließlich wird Humanbiologie mit der Anthropologie und Evolution des Menschen synonymisiert. Der Mensch wird vorgestellt als „nackter Affe“, ein Angehöriger der Ordnung Primates, Klasse Säugetiere – d.h. aus der Sichtweise der Zoologie. Hierbei werden also die morphologischen, physiologischen, verhaltensbiologischen und ökologischen Merkmale und Eigenschaften herausarbeitet, die für den Menschen einzigartig sind und ihn als eine biologische Art charakterisieren. Diese Sichtweise entspricht auch am ehesten dem Verständnis von „human biology“ im angloamerikanischen Sprachraum.

      Obwohl gerade die erstgenannte Interpretation (also Humanbiologie = medizinische Biologie) aus der etymologischen, semantischen und wissenschaftstheoretischen Sicht als ungenau bis falsch bezeichnet werden sollte, scheint sie doch im deutschen Sprachraum heutzutage die gängigste Auslegung des Begriffs zu sein.

      Als wir vor sechs Jahren, 2008, vom Ulmer Verlag zur Verfassung eines Lehrbuchs mit dem Titel „Humanbiologie“ eingeladen wurden, ergab sich gleich die Frage, wie das Konzept des Buches zu gestalten sei. Wir alle bieten an unseren Universitäten auch Lehrveranstaltungen mit dem Titel „Humanbiologie“ an, doch sind sie unterschiedlich konzipiert. Wir alle drei, Peter Bayer, Hynek Burda und Jan Zrzavý, sind Biologen. Peter ist hauptsächlich ein Biochemiker und Biophysiker und vertritt eher die biomedizinische Richtung, Hynek und Jan sind Zoologen und Evolutionsbiologen, wobei Hynek ein Anatom ist (er hat fünf Jahre lang auch Humananatomie an der Medizinischen Fakultät der Universität in Frankfurt am Main unterrichtet), Jan fühlt sich vor allem als Phylogenetiker und Evolutionsbiologe.

      In unserem Buch wollten wir die unterschiedlichen Expertisen und Sichtweisen kombinieren. Ein Lehrbuch mit dem Titel „Humanbiologie“ sollte die unterschiedlichen Auslegungen des Begriffs berücksichtigen, doch gleichzeitig ermöglicht es auch, wegweisend zu wirken und das Verständnis des Faches und seiner Inhalte (und damit auch Curricula) neu zu definieren. Auf dem deutschsprachigen Buchmarkt gibt es mehrere Schulbücher mit dem Titel „Humanbiologie“ oder „Biologie des Menschen“, aber nur wenige relevante Lehrbücher für das universitäre Fach. Diese Bücher haben unterschiedliche Schwerpunkte, sind unterschiedlich konzipiert. Entweder sind sie wenig „(evolutions)biologisch“ (sensu angloamerikanische Auslegung von „human biology“), dafür mehr allgemein physiologisch und anatomisch fokussiert, oder es handelt sich eher um Lehrbücher, die zu anthropologisch ausgerichtet sind und die biomedizinischen Aspekte nur marginal behandeln. Das von uns geplante Buch sollte die evolutionären, biomedizinischen und humanbiologischen (morphologische, physiologische, ethologische und ökologische) Aspekte gleichermaßen berücksichtigen. Doch vom Vorhaben zur Realisation ist es ein weiter Weg.

      Wir haben versucht, so wie Desmond Morris 1967 erstmalig und damals provokativ, den Menschen als einen besonderen Primaten vorzustellen. So wie die Zoologen gewohnt sind, die Biologie einzelner Arten zu beschreiben und sich dabei auf die artspezifischen morphologischen, physiologischen und verhaltensökologischen Eigenschaften und Merkmale zu konzentrieren, haben auch wir den Menschen unter die Lupe genommen. Es mag dem Leser vorkommen, dass wir den neurobiologischen Aspekten vergleichsweise mehr Aufmerksamkeit als z.B. der Ernährung und Verdauung widmen. Wir möchten jedoch darauf hinweisen, dass der Mensch oft vor allem hinsichtlich seiner „Seele“, Intelligenz, Sprache, Emotionen etc. zu anderen Tieren abgegrenzt wird. Daher muss diesen Aspekten auch viel mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.

      Gerade im Bereich der Humanbiologie, sofern diese sich nicht nur auf beschreibende Aspekte der Anatomie und Physiologie konzentriert, sondern vor allem erklären will, ist der von uns gewählte Weg in den letzten Jahren sehr dynamisch geworden. Als wir mit dem Projekt angefangen haben, wurde ein Review-Artikel mit dem Titel publiziert:

      Hodgson J.A., Disotell T.A. (2008): No evidence of a Neanderthal contribution to modern human diversity. Genome Biology.

      Das Manuskript des Buches war bereits fertig, als Ende Januar 2014 die folgenden Veröffentlichungen in Nature und Science erschienen:

      Sankararaman S. et al. (2014): The genomic landscape of Neanderthal ancestry in present-day humans. Nature.

      Vernot B., Akey J. M. (2014): Resurrecting surviving Neandertal lineages from modern human genomes. Science.

      Und das war nur ein Ausschnitt einer unglaublich schnellen Entschlüsselung weiterer genomischer Daten, die uns in den letzten beiden Jahren tiefere Einblicke in die Evolution des Menschen erlaubten. So haben wir viele Passagen immer wieder aktualisieren, streichen, neu schreiben müssen. Und wir sind uns bewusst, dass einige Aussagen überholt sein werden, noch bevor dieses Buch in die Buchhandlung kommt. Unser Buch stellt damit eine Momentaufnahme über Erkenntnisse, Zusammenhänge, Fakten und Ideen einer sich rasant entwickelnden Disziplin dar – der evolutionären Humanbiologie. Es ist unsere Hoffnung, dass das Buch von den Studierenden und Dozenten wohlwollend akzeptiert wird und bald eine neue Auflage erlebt, die uns die Gelegenheit gibt, auf die dann sicher notwendigen neuen Entwicklungen sowie auf die Rückmeldungen der Leser zu reagieren.

      Für die Illustrationen haben wir wieder Jan Burda gewinnen können und haben profitiert von seiner Erfahrung, seinem Know-How sowie seiner Geduld und Bereitschaft, auf die Vorstellungen der Autoren einzugehen. Große Geduld mit und Verständnis für uns haben unsere Lebensgefährtinnen mitbringen müssen: Jana (H. B.), Elena (P. B.), Magda (J. Z.) und Anna (J. B.). Ihnen sind wir tief verbunden und widmen ihnen dieses Buch. Wir danken auch unseren Kollegen, die das Manuskript gelesen und die Abbildungen kontrolliert und kommentiert und uns immer wieder auf neue Facharbeiten aufmerksam gemacht haben, namentlich PD Dr. Sabine Begall, Mgr. Pavel Duda, Yoshiyuki Henning, MSc., Dr. Andre Matena, Dr. Martina Konecˇná, Erich Pascal Malkemper, MSc., Dr. Marcus Schmitt, Dr. Franziska Trusch und Christiane Vole, MSc. Ein besonderes Dankeschön geht an den Verlag Eugen Ulmer, dass er uns das Schreiben dieses Buchs anvertraut und geduldig und verständnisvoll auf die Lieferung des Manuskripts gewartet hat. Das Buch hat sehr profitiert von der Sorgfalt und Erfahrung, die Frau Sabine Mann, M.A., Frau Dipl.-Biol. Ulrike Andres und Herr Jürgen Sprenzel der redaktionellen Bearbeitung und dem Herausgeben gewidmet haben.

      1 Phylogenetische Stellung des Menschen

      1.1 Primaten

      1.1.1 Euarchontoglires

      Der Mensch ist ein Primat. Die „Ordnung“ Primaten (Primates, Herrentiere) bildet zusammen mit Spitzhörnchen (Scandentia), Riesengleitern (Dermoptera), Hasenartigen (Lagomorpha) und Nagetieren (Rodentia) die evolutionär einheitliche, monophyletische Gruppe der Euarchontoglires. Wir schreiben „Ordnung“ absichtlich in Anführungszeichen, denn es gibt keine objektive wissenschaftliche Methode, um einen taxonomischen Rang festzulegen. Die Gliederung der Organismen in unterschiedliche systematische Einheiten (Taxa), wie z.B. Klasse und Ordnung, ist lediglich ein Hilfsmittel um die Übersicht (einigermaßen) zu wahren. Mehr dazu im Buch „Systematische Zoologie“ von Burda et al. (2008). Die genaueren Beziehungen zwischen den Primaten und anderen Gruppen sind nicht ganz klar (Abb. 1.1; Box 1.1).

      Abb. 1.1: Kladogramm der Säugetiere. Blaue Linien kennzeichnen Gruppen, deren Monophylie nicht gesichert ist bzw. deren phylogenetische Beziehungen unsicher sind.

      Box 1.1

      Die nächsten Verwandten der Primaten

      Dermoptera

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