Humanbiologie. Hynek Burda

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Humanbiologie - Hynek Burda utb basics

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Definition der „biologischen Art“, vielleicht das älteste Konzept von der Art als natürliches Taxon, stammt von Georges-Louis Leclerc de Buffon (1855). Populär wurde dieses Konzept aber erst 1963 durch den berühmten Evolutionsbiologen Ernst Mayr. Nach seiner inzwischen klassischen Lehrbuchdefinition wird die Art als eine Gruppe von Populationen definiert, deren Mitglieder sich untereinander sexuell fortpflanzen können und fruchtbare Nachkommen haben, wobei diese Gruppe von anderen Gruppen reproduktiv isoliert ist. Diese Art-Definition ignoriert also alle sich asexuell und parthenogenetisch fortpflanzenden Organismen. Darüber hinaus kann sie auf viele Organismen nicht praktisch angewandt werden. Viele beschriebene Arten kennen wir nur anhand eines oder weniger konservierter Museumsexemplare, bei denen die Kreuzbarkeit nicht zu überprüfen ist. Auch wenn wir manche Arten, wie z.B. Zebras oder Menschenaffen, die häufig in Zoos gehalten werden, gut kennen, ist die Frage, ob sie sich untereinander fruchtbar kreuzen lassen, nicht einfach zu beantworten. Individuen einer geografisch isolierten (= allopatrischen) Population, die sich nie begegnen, können sich natürlich auch nicht kreuzen. Ein Labortest ist hier nicht von Nutzen, denn im Labor können sich auch solche Arten miteinander fortpflanzen, die in der Natur klar abgegrenzte Evolutionslinien darstellen. Gerade die allopatrischen Arten, die sich in der Natur nie begegnen können, haben oft keine speziellen reproduktiven Isolationsmechanismen ausgebildet. Ob wir den Alpenschneehasen für eine selbstständige Art oder für eine Unterart des nördlichen Schneehasen halten, kann nicht anders entschieden werden, als durch den Hinweis auf die von uns vertretene taxonomische Konzeption.

      In letzter Zeit wird daher, mehr oder weniger aus praktischen Gründen, eine andere Art-Definition angewendet, die sogenannte „phylogenetische Art“. Diese wird als Gruppe von Individuen aufgefasst, die ein bestimmtes einzigartiges Merkmal teilen, das in keiner anderen Gruppe vorkommt und nicht an ein bestimmtes Geschlecht oder eine bestimmte Alterskohorte gebunden ist. Diese pragmatische Auffassung (die Art ist hinsichtlich eines Merkmals uniform und gleichzeitig auch unikat) entspricht am besten der allgemeinen Auffassung, nämlich eine Art als eine unabhängige evolutive Linie zu begreifen. Da der Genfluss nur innerhalb der phylogenetischen Arten und nicht zwischen verschiedenen Arten stattfindet, entwickeln sich unikate, aber im Rahmen einer Art uniform verbreitete Merkmale. Dadurch kommen wir auf einem Umweg wieder zur „biologischen Art“. Die Artzugehörigkeit bestimmen wir jedoch durch die Analyse der Individuen, also aufgrund von Organismen, die wir tatsächlich sehen, und nicht durch Spekulationen über die Populationsgenetik der teilnehmenden Organismen, über die wir gewöhnlich kaum etwas wissen. Wir sollten hinzufügen, dass zur Diagnose nicht nur die morphologischen Merkmale, sondern auch molekulare, ökologische oder ethologische Merkmale verwendet werden können; wichtig ist nur ihre unikat-uniforme Verteilung.

      In der derzeit populären Praxis führt die Anwendung der „phylogenetischen Art“ dazu, dass allopatrische Populationen, die sich vielleicht nur geringfügig, dafür aber in unikaten Merkmalen unterscheiden, zu selbständigen Arten werden, während eine graduelle Variabilität innerhalb von Populationen ihren taxonomischen Wert zunehmend verliert. Die Taxonomie wird dadurch vereinfacht – die komplizierte Hierarchie der Arten, Unterarten, Formen und Varietäten verschwindet; dafür aber wächst die Zahl der Arten (die numerische Analyse der taxonomischen Revisionen zeigt einen Anstieg von fast 50%). Dies hat natürlich auch wichtige praktische Konsequenzen für den Arten- und Naturschutz. Eine phylogenetische Art ist schneller „vom Aussterben bedroht“ bzw. „stark gefährdet“ als eine biologische Art. War einst der Orang-Utan „stark gefährdet“, so müssen wir nun den „vom Aussterben bedrohten“ Sumatra-Orang-Utan und den „stark gefährdeten“ Borneo-Orang-Utan retten.

      Aber die Anzahl der Arten wächst heutzutage vor allem deshalb, weil das theoretische Artkonzept sich verändert hat (Box 1.2). Vereinfacht können wir dies folgendermaßen zusammenfassen: Eine klassische biologische Art, wie wir sie aus den Lehrbüchern kennen, ist eine Populationseinheit, in der sich die Individuen unbeschränkt untereinander kreuzen können, während sie von anderen Populationseinheiten reproduktiv isoliert sind (wodurch wir dann von mehreren Arten sprechen). Die Mängel dieser Auffassung sind offensichtlich – manche Organismen pflanzen sich vegetativ fort und kreuzen sich gar nicht. Und von vielen anderen wissen wir üblicherweise nicht, ob sie sich kreuzen könnten bzw. gekreuzt haben oder nicht. Populationen, die sich nie begegnen (z.B. nah verwandte Formen auf den Inseln eines Archipels), werden vom biologischen Artkonzept gar nicht gedeckt: Vielleicht würden sie sich erfolgreich verpaaren, fänden sie räumlich zueinander.

      Eine Alternative bietet die phylogenetische Art, also eine Gruppe von Populationen, die miteinander verbunden sind durch ein universell verbreitetes Merkmal (egal ob morphologisch, ethologisch, molekular), das gleichzeitig nirgendwo anders vorkommt. Eine Art ist vor allem durch ihre Eigenschaften diagnostizierbar – was zu einer Art gehört und was nicht, erkennt man durch das Studium (oft ein sehr ausgeklügeltes Studium) der jeweiligen Individuen, nicht durch Populationsstudien, die bei den meisten Arten nicht möglich sind.

      Eine ansteigende Artenzahl bringt notwendigerweise auch eine zunehmende Anzahl bedrohter Arten mit sich. Neue Arten, die dadurch entstanden sind, dass Biologen sie als „neu“ erkannt und von alten Arten abgespalten haben, besitzen naturgemäß kleinere Populationen und kleinere Verbreitungsareale und sind daher auch stärker bedroht als die alten Arten. Es zeigt sich somit, dass die biologische Vielfalt stärker bedroht ist, als wir bisher befürchten mussten, weil unsere Kenntnisse über die Biodiversität ungenügend waren.

      Die unkritische Anwendung der mitochondrialen DNA zur Abgrenzung neuer Arten, führt oft zu Ergebnissen, die im Widerspruch zu den auf den Genen des Zellkerns beruhenden Interpretationen stehen. Die Anwendung der Morphometrie, also das Ausmessen und Bestimmen morphologischer Merkmale, die für die Artdiagnose als sinnvoll erscheinen, ist ebenfalls problematisch. Oft nämlich werden morphometrische Analysen in ihrer Aussagekraft belastet durch zu kleine Stichproben, welche die innerartliche Variabilität naturgemäß nur ungenügend widerspiegeln.

      Die in der Literatur angegebenen Artenzahlen sollte man daher (und nicht nur im Hinblick auf die Primaten) unter Vorbehalt betrachten: Madagaskarhalbaffen (Lemuriformes) mit fast 100 Arten, afroasiatische Halbaffen (Lorisiformes) mit 30 Arten, Koboldmakis (Tarsiiformes) mit 11 Arten, südamerikanische Affen (Neuweltaffen, Platyrrhini) mit über 150 Arten, afroasiatische Affen (Cercopithecoidea) mit über 160 Arten, Gibbons (Hylobatidae) mit 19 Arten und „Große Menschenaffen“ (Hominidae) mit 7 Arten (Abb. 1.4). Obwohl in historischer Zeit keine Primatenart ausgestorben ist (jedenfalls nach den Kriterien der IUCN), gibt es eine Reihe subfossiler Arten, die nach dem Kontakt mit modernen Menschen (und bestimmt oft auch durch deren Verschulden) ausgestorben sind. Hierzu gehören mehrere bizarre Halbaffenarten aus Madagaskar und auch einige Menschenarten, die wir in den nächsten Kapiteln besprechen werden. Aus der gegebenen Übersicht wird die auffällige Artenarmut der rezenten Hominidae, zu denen auch der Mensch gehört, ersichtlich.

      Abb. 1.4: Phylogenese, Taxonomie und Nomenklatur der Überfamilie Hominoidea.

      1.2.1 Merkmale

      Zu den Menschenartigen zählen die größten Primaten. Ihr Gewicht schwankt zwischen 4 Kilogramm (Gibbons) und bis zu 200 Kilogramm (männliche Gorillas). Die Zerebralisation ist fortgeschritten. Sie haben einen flachen Brustkorb und verlängerte Arme. Dank des verlängerten Schlüsselbeins und des weiter rückenseitig angebrachten Schulterblattes ist die Beweglichkeit der Oberarme sehr gut entwickelt. Menschenartige besitzen 5–6 Lendenwirbel und ein Steißbein anstatt der Schwanzwirbelsäule; ein Schwanz fehlt. Pränatale und postnatale Entwicklung haben sich gegenüber anderen Primaten (und anderen Säugetieren sowieso) weiter verlangsamt. Die unteren Molaren weisen fünf, die oberen vier Höcker auf (Abb. 1.5).

      Abb. 1.5: Unterer Backenzahn (Molar) der menschenartigen

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